# taz.de -- Kolumne Wortklauberei: Das Versprechen | |
> Aus dem güldenen Anekdotenschatz der Berge: Eine höchst verblüffende, | |
> aber auch langweilige Geschichte. | |
Diese Geschichte ist bald elf Jahre alt, und jetzt muss sie endlich | |
verbraten werden, quasi als Sommerfaulheitskolumne vom Berg aus. Ist ja | |
auch eine Berggeschichte. Folgendes. Im Jahre 2001 leistete ich einen | |
Sommer als Senn auf einer Alm im Salzburger Land ab. | |
Es war unbeschreiblich herrlich, und als ich im Herbst wieder unten war, | |
bereuten es einige Bekannte, dass sie mich in den drei Monaten nicht | |
besucht hatten da oben. Darunter auch der Siedl Sepp, ein alter Freund | |
meines Vaters und Berggeher aus Passion. | |
Eine Woche nach meiner Rückkehr in die Niederungen gab es das große Fest | |
zum 50. meiner Mutter, und beim Essen rannte ich mit der Videokamera meines | |
Schwagers durch die Tischreihen und ließ die Leute Haltloses in die Kamera | |
sagen, und am Tisch vom Siedl versprach mir der Sepp nicht mehr ganz | |
nüchtern und mit hohem Pathos in die Linse hinein, er werde nächstes Mal, | |
wenn ich wieder auf der Alm sei, ganz gewiss und sicherlich auf einen | |
Besuch vorbeikommen. | |
Drei Wochen später, an einem Samstagmittag Mitte Oktober, war ich bei | |
meinen Eltern und auf dem Sprung los in die Berge: Heute Abend war da oben | |
Saisonschlussfest beim Almwirt, und alle Almleute vom Sommer würden sich | |
noch einmal treffen, gescheit daherreden und Bier trinken. Eben kam noch | |
mein Schwager vorbei: Er habe das Video von Mas 50er endlich geschnitten | |
und auf VHS gezogen. Da lag die Kassette, ich hatte schon die Jacke an, | |
aber schob sie noch schnell in den Rekorder, kurz reinschauen. | |
Ich spulte ein paar Minuten in das Band hinein, drückte irgendwann | |
willkürlich auf Play und sah: einen Wackelschwenk auf den Siedl Sepp, der | |
mir vom Fernseher meiner Eltern aus ins Auge blickte und erklärte: „Josef, | |
des garantier i dir“, dass er das nächste Mal, wenn ich auf der Alm sei, | |
ganz sicher vorbeischauen werde. Ich amüsierte mich über den kuriosen | |
Zufall. Und fuhr los. | |
Ich holte meine Almkollegin Hildegard ab, zwei Stunden später waren wir | |
oben auf 1.500 Meter – nach einem Monat erstmals zurück am Ort unseres | |
schon so weit weg scheinenden Sommers. Wir saßen vielleicht 20 Minuten in | |
der Herbstsonne vor „meiner“ Hütte, als sich um die Wegbiegung Schritte von | |
Wanderern näherten, die jetzt um vier Uhr nachmittags Richtung Tal gingen. | |
Jetzt bogen sie ums Hütteneck, aus alter Gewohnheit wandte ich den Kopf zum | |
grüßen – und glotzte starr: Es waren der Siedl Sepp und sein Sohn Andi, | |
die, was ich erst nicht einmal kapierte, so überrascht waren wie ich, mich | |
hier zu sehen. Ich erzählte Sepp, der wie eine surreale Erscheinung vor mir | |
stand, eine wirre Geschichte, wie er vor zwei Stunden auf dem Fernseher | |
meiner Eltern zu mir gesprochen und was er mir da gelobt hatte. Er wusste | |
natürlich nicht, wovon ich rede, sie beide seien halt heute zufällig hier | |
wandern gegangen, er habe nicht einmal gewusst, dass dies der Almboden sei, | |
auf dem ich gearbeitet hatte. | |
Da haben Sie’s, nach einer Dekade Karenzzeit – die erstaunlichste | |
Koinzidenzanekdote, die ich je erlebt habe, mit quasi eingebauter | |
Echtheitsgarantie: Für was Ausgedachtes ist sie ja viel zu langweilig. | |
26 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Josef Winkler | |
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