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# taz.de -- Kolumne Wortklauberei: Sensibilisiert im affenstarken Raum
> Was soll der Geiz? Die in dieser Kolumne enthaltenen persönlichen Daten
> dürfen Sie gern verhökern. Aber Vorsicht: Es sind unsensible
> Informationen darunter.
„Du hast ja auf dem ganzen Kopf Scheitel!“ Also sprach letzthin meine
Nichte, friemelnd an meinem Haupthaar beim fruchtlosen Versuch, mir einen
lustigen Scheitel zu legen. Ja, ich weiß, das ist Kindermund und total süß,
aber die soll sich echt mal zusammenreißen. Gör. Aber da es nun eh raus
ist: Ja, ich habe eine übersichtlicher werdende Lichtung auf meiner Birne.
Sollten Sie beabsichtigen, diese Information an die werbetreibende
Industrie zu verchecken, widerspreche ich dem hiermit ausdrücklich. Obwohl.
Egal, hauen Sie’s raus. Ist eh wurscht.
Die Verbraucherschutzministerin Aigner hat gesagt, „bisweilen vermisse“ sie
„hier die nötige Sensibilität“, also: im Umgang der Regierung mit dem
Datenschutz. Ich persönlich vermisse ja bisweilen die nötige Sensibilität
im Umgang mit dem Wort „sensibel“. So wurde es ja auch als voll
„unsensibel“ gegeißelt, dass ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes
ausgerechnet an dem Tag, als die NSU aufflog, einen Schwung Akten zum Thema
schreddern ließ. So eine unsensible Panne!
Was ich beim Bundestagsbeschluss zum Meldegesetz vermisse, ist auch nur der
leiseste Ansatz der Möglichkeit, es in mein Hirn hineinzukriegen, wie
u-n-f-a-s-s-b-a-r dieser ganze Vorgang ist. Dass sich zwei Handvoll Hanseln
bei Nacht, Nebel und Halbfinale zusammenrotten, um ein bürgerfeindliches –
äh: unsensibel formuliertes – Gesetz abzunicken, ist die eine Sache.
Aber hätten Sie’s gewusst, dass das überhaupt MÖGLICH ist? Dass 17 gegen 10
Leute über ein Gesetz entscheiden, und sei es nur eins, das, sagen wir: die
Dicke von Weißwursthäuten regelt? Und dass es in irgendeiner Weise zur
Debatte stehen könnte, dass ein Rechtsstaat von seinen Bürgern zwangsweise
erhobene Daten an die Werbemafia verhökern darf? Für mich waren
„Adresshändler“ bisher Leute, denen man beim depperten Hantieren im Netz
oder mit der Kundenkarte anheimfällt. Ich war wohl für die Problematik noch
nicht sensibilisiert.
Jetzt sind die Politiker froh, dass wir mündigen Bürger selber gemerkt
haben, dass das so nicht geht. Und der Seehofer-Horst tut entsetzt, dass es
sein eigen Fleisch und Blut von der CSU war, das da so unsensibel war,
allen voran „Innenexperte“ Hans-Peter Uhl, wobei man sich fragt, warum man
als König der CSU zumindest diesen Typen („Es gibt laut höchstrichterlicher
Rechtsprechung in Deutschland kein Recht, sich zu verstecken“), den nun
wirklich alle Menschen reinen Herzens hassen wie ein Furunkel am Steiß,
nicht einfach mal rausschmeißen kann. Aber wer weiß, was der für
Abfindungsansprüche hat, nach über 40 Jahren aufopferungsvollen
Mistlaberns.
Regierungssprecher Seibert hat verkündet, die Bundesregierung halte es für
„denkbar“, dass „noch eine Änderung erreicht werden kann, die den
Datenschutzinteressen der Bürger noch stärkeren Raum einräumt“. Und
abgesehen davon, dass das Sprachmüll und daher dieser Regierung angemessen
ist, darf man gespannt sein, wie NOCH stärker der Raum ist, der vielleicht
bald den Datenschutzinteressen eingeräumt wird. Ich finde, Zeit wär’s für
so einen richtig affenstarken Raum.
12 Jul 2012
## AUTOREN
Josef Winkler
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