# taz.de -- Barack Obamas Wahlkampfrede: Wenig Attacke, viel Alternative | |
> In seiner Wahlkampfrede verzichtet Barack Obama auf Attacken. Er spricht | |
> über soziale Gerechtigkeit und nationale Sicherheit, über Umwelt und den | |
> Afghanistankrieg. | |
Bild: „Ich bin nicht mehr einfach ein Kandidat. Sondern ich bin der Präsiden… | |
CHARLOTTE taz | „Fired up“ steht auf Tausenden von Schildern, die wenige | |
Momente vor Barack Obamas Auftritt in der Arena in Charlotte verteilt | |
worden sind, und die die Menschen jetzt über ihren Köpfen schwenken: | |
angeheizt. Dazu skandiert die Menge: „Four more years.“ | |
Drei Tage lang hat die Demokratische Partei in Charlotte das Crescendo | |
organisiert und sich als eine Partei präsentiert, die geschlossen hinter | |
ihrem Kandidaten steht. Am Donnerstag – am Ende eines letzten Abends mit | |
hohem Gänsehautfaktor – nimmt der Präsident seine Nominierung an. Barack | |
Obama erklärt, dass er mehr Zeit braucht. Und bietet sich als klare | |
Alternative an. | |
Zwei Themen bilden das Gerüst seiner Rede: soziale Gerechtigkeit für die | |
Mittelschicht und nationale Sicherheit. An die Adresse von Frauen | |
wiederholt er zusätzlich sein Bekenntnis zum Recht auf gleichen Lohn und | |
Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Und äußert sich außerdem zu einem | |
zuvor im Wahlkampf der großen Parteien völlig ausgeblendeten Thema: „Die | |
Klimakatastrophe ist kein Gerücht.“ | |
Die Emotionen in der Arena in Charlotte schlagen schon Stunden vor Obamas | |
Auftritt hoch. Zur Halbzeit humpelt die ehemalige Kongressabgeordnete Gabby | |
Giffords auf die Bühne. Die Demokratin aus Arizona wurde im Januar 2011 bei | |
einem Attentat in Tucson mit einem Kopfschuss schwer verletzt, seither | |
befindet sie sich in Rehabilitation. Eine Rede hält sie nicht. Aber sie | |
spricht den Treueschwur. Die Menschen im Saal sprechen mit, springen von | |
ihren Sitzen und skandieren minutenlang „Gabby, Gabby!“. | |
## KriegsveteranInnen in den Hauptrollen | |
Die politischen Hauptpersonen des Abends sind Kriegs-VeteranInnen. | |
Zahlreiche RednerInnen verbeugen sich vor ihnen. Sprechen von ihren Opfern | |
für das Land und von der Schuld der Nation ihnen gegenüber. Mehrere Dutzend | |
VeteranInnen kommen persönlich auf die Bühne. Der Präsident spricht über | |
den Krieg im Irak, den er beendet hat. Und den Krieg in Afghanistan, den er | |
im Jahr 2014 beenden will. | |
Er beschreibt seine Begegnungen mit Eltern von Gefallenen, erzählt | |
Geschichten von Kriegsverletzten und versichert VeteranInnen, dass sich | |
auch in Zukunft auf ihn verlassen können. Das Internierungslager von | |
Guantánamo hingegen, dessen Schließung er in seinem letzten Wahlkampf | |
versprochen hatte, und das weiterhin existiert, erwähnt er nicht. | |
Der offensive Umgang mit der Umweltpolitik und insbesondere der mit den | |
VeteranInnen ist eine Reaktion auf Mitt Romney. Der Republikaner hat es | |
eine Woche zuvor in Tampa geschafft, kein einziges Wort zum Thema | |
Afghanistan-Krieg zu sagen. Demokratische RednerInnen kritisieren in | |
Charlotte, dass ein Kandidat für das Weiße Haus – und damit zugleich der | |
potenzielle oberste Befehlshaber der USA – sich nicht zu dem Krieg äußert, | |
in dem sich sein Land befindet. | |
Auch der tote Osama bin Laden sowie der mit einer Drohne getötete Anwar | |
al-Awlaki sind in Charlotte Wahlkampfargumente. Ihre mehrfach beklatschten | |
Tötungen dienen als Beleg für das Engagement des Präsidenten für die | |
nationale Sicherheit und gegen Al Kaida. Für den „Mut“ und die | |
„Entschlossenheit“ des Präsidenten, seine Ankündigungen wahrzumachen. Und | |
dafür, dass er Führungsqualität hat. | |
## Obama steht über den Dingen | |
Das Geld, das die USA künftig nicht mehr für Kriege brauchen, will Obama | |
für den Abbau des Defizits im Staatshaushalt einsetzen. Unter anderem | |
möchte er 100.000 zusätzliche MathematiklehrerInnen einstellen. Details | |
über seine künftige Haushalts-, Arbeitsmarkt- und Energiepolitik nennt | |
Obama hingegen nicht. Der Präsident hat das Anfeuern und auch die direkten | |
Attacken gegen Mitt Romney seinen VorrednerInnen überlassen. Er selbst | |
steht an diesem Abend in Charlotte über den Dingen. | |
„Die Zeiten haben sich geändert“, sagt Obama, „und auch ich habe mich | |
geändert. Ich bin nicht mehr einfach ein Kandidat. Sondern ich bin der | |
Präsident“. Auch die unzähligen persönlichen Angriffe der Gegenseite – | |
darunter die immer wieder auch von Romney lancierten Zweifel daran, ob | |
Obama überhaupt US-Staatsangehöriger sei – übergeht der Präsident. | |
Die Tage in Charlotte haben die Demokratische Partei als das Gegenteil der | |
Republikaner positioniert. Während diese bei ihrem Parteitag in Tampa fast | |
die komplette Generation der George-W.-Bush-Regierung verschwiegen und | |
versteckt hat, bieten die DemokratInnen alles auf, was ihre Geschichte her | |
gibt. Dabei haben sie ihre Partei – zumindest für die Zeit des Wahlkampfes | |
– weiter nach links positioniert. | |
Ex-Präsident Bill Clinton hält die größte Lobrede auf Obama, in der er | |
Punkt für Punkt dessen innenpolitische Erfolge herausbeitet. | |
Ex-Präsidentschaftskandidat John Kerry beschreibt eine nach seiner Ansicht | |
rundum positive außenpolitische Bilanz von Obama. Michelle Obama hat die | |
Basis emotional eingestimmt. Und Dutzende von jungen Leuten haben gezielt | |
jene beiden Gruppen angesprochen, die bei den Wahlen im November den | |
Ausschlag geben werden: Frauen und Latinos. | |
Einer von ihnen macht einen historischen Schlenker vom ermordeten | |
afroamerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King, über den | |
Latino-Landarbeiteraktivisten César Chávez hin zu Präsident Barack Obama. | |
Und lesbische und schwule AktivistInnen loben dessen Engagement für ihre | |
Gleichstellung. „Mein Freund Barack kämpft für euch“, sagt Vizepräsident | |
Joe Biden. | |
Die ursprünglich in dem offenen Sportstadium von Charlotte geplante | |
Abschlussveranstaltung wurde wegen einer Gewitterwarnung im letzten Moment | |
in die – viel kleinere – überdachte Arena verlegt. Mehrere Tausend Menschen | |
mit Freikarten für das Stadion wurden wieder ausgeladen, oder vor | |
Bildschirme in anderen überdachten Veranstaltungsräumen der Stadt gebeten. | |
Auch die am Ende von Parteitagen üblichen Luftballon fallen aus. Doch | |
Obamas AnhängerInnen macht das nichts. Sie ziehen „fired up“ vom Parteitag | |
nachhause. | |
7 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
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