# taz.de -- Rajoy torpediert saubere Stromerzugung: Spaniens Windkraftbranche s… | |
> Die Regierung hat die Windkraftförderung auf Null reduziert. Jetzt werden | |
> in Spanien keine Anlagen mehr geplant. 30.000 Arbeitsplätze sind in | |
> Gefahr. | |
Bild: Hübsch, aber ohne Stromertrag: ein Windrad auf Mallorca. | |
MADRID taz | Spaniens Windbranche leidet unter der Sparpolitik der | |
konservativen Regierung von Mariano Rajoy. Alle Fördermaßnahmen für | |
künftige Projekte erneuerbarer Energiegewinnung wurden zu Jahresbeginn | |
ausgesetzt. | |
Während in der Photovoltaikbranche aber bereits Vorbereitungen laufen, | |
Anlagen ohne jede Förderung ans Netz zu bringen, steckt der | |
Windenergiesektor in einer schweren Krise. Der Branchenverband AEE forderte | |
unlängst „eine letzte staatliche Anstrengung für eine Energieform, die es | |
fast geschafft hat“. | |
Bereits 2011 wurden in Spanien nur noch Windparks mit 1.050 Megawatt (MW) | |
Leistung installiert, 2007 war es noch mehr als dreimal so viel. Für 2013 | |
gibt es überhaupt keine Pläne mehr, neue Windkraftanlagen zu bauen. Der | |
Grund: Alle Förderprogramme laufen zum Jahresende aus. | |
„Der Markt lag vor der Aussetzung der Einspeisevergütungen schon im | |
Sterben. Jetzt haben sie uns den Totenschein ausgestellt“, schimpft der | |
Marketingdirektor des Windgeneratorenfabrikanten Gamesa, Juan Diego Díaz. | |
Für Fabrikanten wie Gamesa ein Drama. Der spanische Marktführer verkauft | |
nur noch acht Prozent seiner Produktion auf dem heimischen Markt. Vor drei | |
Jahren waren es noch 29 Prozent. Gamesa ist inzwischen tief in der | |
Verlustzone, fährt Werke herunter, legt Fabriken zusammen und baut | |
Belegschaften ab. | |
## Der Klassenbeste ist abgestürzt | |
Bei anderen Herstellern sieht es ähnlich aus. Viele der 30.000 | |
Arbeitsplätze in der Branche sind gefährdet. Auch ausländische Investoren | |
machen sich Sorgen. „Spanien war Klassenbester, jetzt ist die Situation | |
traumatisch“, sagt Roberta Benedetti, Chef der deutschen Eon-Tochter | |
Climate & Renewables. Spanien sei „einer der Kernmärkte“ des Konzerns | |
gewesen, bedauert Benedetti. | |
Eigentlich hatte das Industrie- und Energieministerium für Anfang Sommer | |
ein neues Förderregiment versprochen. Das lässt jedoch auf sich warten. Für | |
Madrid hat Sparen derzeit Priorität. Dabei ist die Stromerzeugung ein | |
Riesenproblem. Denn die vom Staat festgelegten Strompreise sind seit Jahren | |
nicht kostendeckend. Ein Defizit von über 20 Milliarden Euro, für das der | |
Staat bürgt, ist aufgelaufen. Die Einsparungen bei den Erneuerbaren sollen | |
nun helfen. | |
Dabei übersieht die Regierung den volkswirtschaftlichen Nutzen der | |
Zukunftstechnologie. Die Windparks sparen knapp zwei Milliarden Euro bei | |
der Einfuhr fossiler Brennstoffe ein, während die Windindustrie für | |
denselben Betrag Produkte und Dienstleistungen exportiert. | |
Eigentlich müsste Spanien bis 2020 jährlich weitere 1.450 MW installieren, | |
um auf die gegenüber der EU-Kommission zugesicherten 35.000 MW bis 2020 zu | |
kommen. Doch in Krisenzeiten scheint alles zur Disposition zu stehen. | |
Anstatt wie geplant jährlich um rund zwei Prozent zu wachsen, ist der | |
Stromverbrauch auf den Stand von 2006 gesunken. | |
## Bizarre Planspiele | |
Eines der Planspiele im Energieministerium sieht sogar vor, den Ausbau für | |
die nächsten zwei bis drei Jahre völlig auszusetzen und dann im | |
Schnellverfahren die für das Ziel 20 Prozent Erneuerbare erforderlichen | |
Kapazitäten bis 2020 zu errichten. | |
„Wir können natürlich nicht die Augen vor der schwierigen Situation | |
verschließen, die Spanien durchlebt“, sagt AEE-Präsidentin Rocío Sicre. Sie | |
ist sicher, dass die Windbranche bald ohne Förderung auskommen kann. Um | |
nicht im letzten Augenblick die jahrelange Entwicklung zu gefährden, | |
brauche es aber, sagt Sicre, „Rahmenbedingungen für die Stromerzeugung, bei | |
denen die Windenergie eine wichtige Rolle spielt“. | |
12 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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