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# taz.de -- Rückblick Documenta 13: Antikapitalistische Hobbygärtner
> In diesem Jahr waren so viele Zuschauer wie noch nie in Kassel. Aber
> rechtfertigt das allein das Ausstellungskonzept?
Bild: Gartenkunst in Kassel: Guiseppe Penones „Idee di Pietra“.
„Der Tanz war sehr frenetisch, rege, rasselnd, klingend, rollend, verdreht
und dauerte eine lange Zeit.“ Vermutlich dürften immer noch viele rätseln,
was es mit dem Satz auf sich hat, den Carolyn Christov-Bakargiev ihrer
Documenta 13 voranstellte.
Die Kuratorin fand ihn im Internet, als sie Ulrike Meinhofs Fernsehspiel
„Bambule“ nachrecherchierte und auf die Beschreibung eines Tanzes
afrikanischer Sklaven in New Orleans Ende des 19. Jahrhunderts stieß – der
„Bamboule“ hieß. Um sinnliche Intensität allein ging es bei dem
ungewöhnlichen Motto also nicht. Es wundert insofern nicht, dass die
Ästhetik des Widerstands eine Rolle in dem Museum der 100 Tage spielte, das
Bakargiev im Kassel des 21. Jahrhunderts zusammenstellte.
Wer das kürzlich erschienene „Logbuch“ studiert, in dem sie das Werden
ihrer Documenta in Form eines bebilderten Tagebuchs nachzeichnet (Verlag
Hatje Cantz, 320 Seiten, 30 Euro), ist allerdings erstaunt, wie vehement
sich die Frau, die feste Konzepte ablehnt und allzu politischer Kunst
misstraut, darin im Nachhinein als Überzeugungstäterin präsentiert: „Unsere
politische Aufgabe“, verrät sie da in einem Gespräch, „besteht jetzt dari…
den kognitiven Kapitalismus zu zerstören.“
Vielleicht war das ja der Grund, warum Bakargiev in Kassel nicht allein auf
die Kunst setzen wollte. Sondern als außerästhetische Hilfstruppen dieses
Feldzugs Quantenphysik und Hobbygärtner, Tiere und Pflanzen aufbot.
Die mutmaßlich 800.000 Besucher, die ihrer am Sonntag zu Ende gehenden
Documenta einen neuen Zuschauerrekord bescheren dürften, setzen Bakargiev
ins Recht. Was ihr Konzept nicht weniger problematisch macht. Nicht nur
weil sie die Unterscheidung zwischen Kunst und Leben, Kunst und
Wissenschaft damit obsolet machte. Denn von William Kentridges Videoarbeit
„Refusal of Time“ als Symbol des antidigitalen Zeitregimes bis zum
Traumbild der sich selbst regulierenden Natur in Pierre Huyghes moderndem
Auegarten gehorchte die Ästhetik oft dem Prinzip der Verweigerung.
Hätte nicht die Aufgabe lauten müssen, den kognitiven Kapitalismus human
umzupolen, statt ihn zu zerstören? Wer könnte das besser als die Kunst.
Verfügt sie doch über genau die Fähigkeiten, die darin gefragt sind:
Wissen, immaterielle Arbeit und virtuelles Genie. Reichlich Stoff für die
14. Documenta, die im Sommer 2017 öffnet.
17 Sep 2012
## AUTOREN
Ingo Arend
## TAGS
Ausstellung
Documenta
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