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# taz.de -- Streit um Berlins NSU-V-Mann: Henkels schwerste Stunden
> Berlins CDU-Innensenator Frank Henkel muss bei einer Sondersitzung
> erklären, warum er einen mutmaßlichen Berliner NSU-Helfer verschwiegen
> hat.
Bild: Wie wird er sich erklären? Innensenator Frank Henkel (CDU).
BERLIN taz | Frank Henkel (CDU) steht vor den ungemütlichsten Stunden
seiner Amtszeit: Nachdem bekannt wurde, dass Berlin einen V-Mann und
mutmaßlichen NSU-Helfer verschwiegen hat, muss sich der Innensenator am
heutigen Dienstag, 13 Uhr, auf einer Sondersitzung des Innenausschusses
verantworten – und äußerst kritische Fragen beantworten.
Bereits am Montag verschärften die Mitglieder des
Bundestagsuntersuchungsausschusses zu den NSU-Morden den Ton. SPD-Obfrau
Eva Högl nannte Henkels Verhalten „eine Unverschämtheit“ und stellte ein
Ultimatum: „Entweder er übermittelt unmittelbar alle vorhandenen Akten über
den V-Mann dem Ausschuss oder er muss zurücktreten.“ Selbst Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU) sprach von Konsequenzen. „Die Aufklärung läuft an
etlichen Stellen nicht so, wie wir das für richtig halten.“
Am Donnerstag war bekanntgeworden, dass Henkel dem Untersuchungsausschuss
nicht mitgeteilt hatte, dass das Land von 2000 bis 2011 den Neonazi Thomas
S. als V-Mann geführt hatte. Der 44-Jährige wird heute von der
Bundesanwaltschaft als NSU-Helfer beschuldigt. S. soll dem Thüringer Trio
Ende der Neunziger Sprengstoff geliefert, als V-Mann ab 2002 der Berliner
Polizei fünf Hinweise zum Trio gegeben haben.
Thüringer Sicherheitsbehörden sagten, sie seien darüber nicht informiert
worden. Henkel wusste seit März von S.‘ Aussagen – informierte aber nur die
Bundesanwaltschaft und nicht den Untersuchungsausschuss.
## „Henkel hat das Parlament belogen“
Der Innensenator steht nun vor einer Reihe offener Fragen. Warum antwortete
das Land auf eine Anfrage des Bundestagsausschusses vom 1. März, keine
Erkenntnisse zu haben, obwohl das Gremium nach „sämtlichen Akten,
Dokumenten und Dateien“ zur NSU und explizit auch nach Thomas S. fragte?
Warum war von dem V-Mann in Antworten auf parlamentarische Anfragen keine
Rede? Warum sagte Henkel noch am Donnerstag im Abgeordnetenhaus, über S.
„genau wie Sie heute damit konfrontiert worden“ zu sein?
Und das obwohl Polizeipräsidentin Margarete Koppers Henkel bereits am 9.
März über S. informiert hatte und Tage später eigens nach Karlsruhe zur
Bundesanwaltschaft flog. Für Linken-Fraktionschef Udo Wolf ist klar:
„Henkel hat das Parlament belogen.“
Der Senator versprach „lückenlose und schnelle Aufklärung“ der Fragen –…
einen eigenen Sonderermittler. Am Montag traf er sich zudem mit dem
Berliner SPD-Vorstand. Der Termin war lange geplant, es sollte um die
Angriffe von Neonazis auf SPD-Parteibüros gehen – nun ging es um die
NSU-Affäre. Die Option eines Rücktritts wies Henkel zurück. „Nach meinem
Verständnis muss niemand zurücktreten, weil er sich für Aufklärung
einsetzt“, sagte sein Sprecher.
Die Opposition zerpflückte Henkels Sonderermittler. Linken-Mann Wolf nannte
diesen ein „unglaubliches Ablenkungsmanöver“. Piraten-Innenpolitiker
Christopher Lauer sagte, die Aufklärung gehöre in den
Untersuchungsausschuss. Die Grünen beantragten Einsicht in „sämtliche“
Akten zum NSU. Innenexperte Benedikt Lux brachte auch einen Berliner
Untersuchungsausschuss ins Spiel: „Sollte Henkel heute nicht liefern,
halten wir uns weitere parlamentarische Schritte offen.“
Die Opposition forderte auch aufzuklären, warum die Hinweise von Thomas S.
vor Jahren versandeten. Wolf nennt auch das „skandalös“. Ex-Innensenator
Erhart Körting (SPD), unter dessen Amtszeit die V-Mann-Arbeit von S. fiel,
zog am Montag bereits Konsequenzen: Er trat aus der vierköpfigen
Bund-Länder-Kommission zur Aufarbeitung der NSU-Morde aus. Er wolle „jeden
Anschein einer Befangenheit“ vermeiden. Körting soll im Bundestagsausschuss
befragt werden – wie jetzt auch Henkel.
17 Sep 2012
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
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