# taz.de -- Öffentliches Facebook-Event: Riots in Nordholland | |
> Es ist schon wieder passiert: Eine niederländische Schülerin lud via | |
> Facebook zu ihrer Geburtstagsparty – versehentlich öffentlich. Daraus | |
> wurde eine Straßenschlacht. | |
Bild: Ein unvergesslicher Geburtstag: Haren am Freitagabend. | |
AMSTERDAM taz | 30 Verletzte, 20 Festnahmen, und ein Teppich aus Scherben | |
und Müll am Tag danach: Das ist die Bilanz einer aus dem Ruder gelaufenen | |
Geburtstagsparty im nordniederländischen Haren. | |
Eigentlich bekannt als „grüne Perle des Nordens“, steht das Städtchen in | |
der Nähe von Groningen seit Freitag nacht für entglaste Schaufenster, einen | |
geplünderten Supermarkt und eine Straßenschlacht zwischen Partygängern und | |
der Mobilen Einheit der Polizei. Den Sachschaden bezifferte der Verband der | |
niederländischen Versicherungsgesellschaften am Wochenende auf mindestens | |
eine Million Euro. | |
Ihren Ausgang nahmen die Riots mit dem Fehlen von 5 Buchstaben: privé. | |
Damit hatte die Schülerin Merthe W. eigentlich die Facebook-Einladung zu | |
ihrem 16. Geburtstag markieren wollen. Just dies aber vergaß sie – und so | |
verbreitete sich im Lauf der vergangenen Woche die Kunde im Land, dass nahe | |
dem Bahnhof im Zentrum der beschaulichen Ortschaft eine gigantische Party | |
steigen solle. | |
Ab dem späten Nachmittag tauchten die ersten Jugendlichen aus der Region | |
auf. Später strömten sie in Zügen aus Nordholland, Zwolle, Enschede und | |
Nijmegen herbei. Es wurden mehrere tausend. „Wo ist die Party? – Hier ist | |
die Party“ – das im ganzen Land beliebte Frage-Antwort-Spiel aus Stadien | |
und Festivals tönte durch Haren. | |
## 250.000 Einladungen | |
Dass das Geburtstagskind die Party abgesagt hatte und untergetaucht war, | |
der Aufruf des Vaters Coen W. im Namen seiner Tochter und der Gemeinde, | |
doch nicht zu kommen, die Sperrung der Straße, in der die Familie wohnt – | |
all das konnte nichts ausrichten gegen rund 250.000 Einladungen, die in den | |
Tagen zuvor über Facebook weitergeleitet worden waren. „Abgesagt? Dann | |
machen wir halt unsere eigene Party“, zitierte das Boulevardblatt Telegraaf | |
Jugendliche. | |
Weshalb das Ganze so sehr eskalierte, dass die Tageszeitung NRC Handelsblad | |
von der „Schlacht von Haren“ sprach, ist bislang nicht klar. Anfangs war | |
die Stimmung ausgelassen, in niederländischen Medien tauchte das Foto eines | |
80-jährigen Anwohners beim Crowdsurfing auf den Händen der jungen Gäste | |
auf. | |
Eine Polizeisprecherin gab am Wochenende bekannt, die Riots gingen auf eine | |
kleine Gruppe zurück, die die Polizei angegriffen habe. Auch von Hooligans | |
war am Wochenende die Rede. In der Folge wurden Schaufensterscheiben | |
eingeworfen, ein Supermarkt wurde geplündert, Autos und Straßenmöbel gingen | |
zu Bruch. 30 Jugendliche meldeten sich in den Notaufnahmen umliegender | |
Krankenhäuser, meist mit Schnitt- und Kopfverletzungen. Gegen drei Uhr | |
hatte sich die Menge wieder zerstreut. | |
Niederländische Medien spekulierten am Wochenende auch über die Rolle, die | |
der Film „Project X“ bei den Ereignissen von Haren spielte. Der flache | |
Highschool-Streifen dreht sich um eine gigantische Geburtstagsparty, mit | |
der drei nicht sonderlich beliebte Schüler ihr Image aufpolieren wollen. | |
Sie endet im Chaos: Die gesamte Straße steht in Flammen. | |
## Teppich aus Bierdosen | |
Mit solchen Dimensionen konnte Haren zwar nicht aufwarten, doch ein Teppich | |
aus Bierdosen und Müll am Tag danach war mehr als eine Assoziation – zumal | |
mehrere Jugendliche mit selbst designten „Project X-Haren“-T-Shirts zur | |
Feier kamen. | |
In einem Kommentar macht das NRC Handelsblad allerdings auch der | |
Gemeindeverwaltung Vorwürfe: „Wenn sie beständig appellieren, dass Leute | |
nicht zu einer abgesagten Facebook-Party kommen sollen, dann ist das gerade | |
interessant und wird auf Facebook zur großen Neuigkeit. Klar, dass dann | |
auch ein paar Hooligans ihre Chance sehen.“ Auch lokale Radiosender hatten | |
den Hype befeuert und ihre Hörer aufgerufen, nach Haren zu kommen. „Das war | |
sehr dumm von mir“, zitiert das NRC Handelsblad am Tag darauf einen DJ. | |
23 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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