# taz.de -- Neues Hausblog beim „Spiegel“: Sich selbst auf die Finger schau… | |
> Die Redaktion des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ bloggt jetzt über die | |
> eigene Arbeit. Aber wie viel Kritik wird sie zulassen? | |
Bild: So ausführlich wollte die Berliner Polizei denn doch nicht zitiert werde… | |
Einem Sprecher der Berliner Polizei hat ein Artikel aus dem aktuellen | |
Spiegel nicht gefallen. Es geht um einen Brief der Berliner Polizeiführung | |
an die Bundesanwaltschaft. Das Schreiben spielt eine Rolle in der Affäre um | |
einen einstigen V-Mann, der zu den Beschuldigten in der NSU-Causa gehört. | |
Der Spiegel, meckerte der Polizeisprecher, habe „unvollständig zitiert“. | |
Mit derlei Allerweltskritik erweckt man bei dem ein oder anderen den | |
Eindruck, die Journalisten hätten unsauber gearbeitet. | |
Unvollständig zitiert? Stimmt, entgegnen die Kritisierten genüsslich im | |
[1][neuen Spiegelblog]. Unter der Headline „Der V-Mann, der Senator und die | |
Offenheit“ stellen sie den „nur für den Dienstgebrauch“ gedachten | |
sechsseitigen Brief als PDF zum Download bereit. Vermutlich wollte der | |
Sprecher das nicht erreichen, denn durch die vollständige Veröffentlichung | |
steht die Berliner Polizei nun in noch schlechterem Licht da. | |
## Gute Chance zum Start | |
Mit dem am Wochenende gestarteten Blog will das Magazin „am Gespräch über | |
unsere Arbeit teilnehmen – etwa indem wir über den Ablauf, aber auch die | |
Folgen und Auswirkungen von Spiegel-Recherchen berichten“. Dies schreibt | |
Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo ebendort, und er dürfte sich darüber | |
gefreut haben, dass der Berliner Polizeisprecher seinen Leuten gleich zum | |
Start die Chance gegeben hat, die Ankündigung umzusetzen. | |
Mindestens so wichtig wie der Austausch mit Kritikern aus den Institutionen | |
ist der mit den Lesern. „Ein Medium wie der Spiegel kann seine Autorität | |
heute nicht mehr dadurch beweisen, dass es aus der Position des Wissenden | |
Behauptungen aufstellt“, vielmehr müsse sich das Blatt dem Diskurs stellen, | |
sagt Stefan Niggemeier, einer der redaktionellen Betreuer des Angebots. | |
Verlagsunabhängige Blogs, die sich mit dem Spiegel beschäftigen, gibt es | |
schon länger, etwa das auf wissenschaftsjournalistische Beiträge | |
spezialisierte [2][spiegelblog.net]. Für Debatten über handwerkliche | |
Fehler, die der Spiegel macht, mag der neue hauseigene Blog eine geeignete | |
Plattform sein. Interessant ist aber nicht, dass der Spiegel hin und wieder | |
Fehler macht. Das Problem ist eher seine politische Grundhaltung. | |
Seit der Wiedervereinigung ist der Spiegel nach rechts gerückt. Die | |
Quasiheiligschreibung des alten Feindes Helmut Kohl kommt da nicht | |
überraschend. Der Spiegel brüstet sich auch immer wieder mit kindlich | |
anmutendem Stolz darauf, dass man auf Dokumente aus dem Kanzleramt oder von | |
Ministerien habe zurückgreifen dürfen. Von einem Sturmgeschütz der | |
Demokratie erwartet man etwas mehr Distanz. Auch der Umgang mit dem BND ist | |
auffallend zahm. Die entscheidende Frage ist, ob der neue Spiegelblog auch | |
für Debatten zu solchen Themen taugt. | |
26 Sep 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.spiegel.de/thema/spiegelblog/ | |
[2] http://www.spiegelblog.net/ | |
## AUTOREN | |
René Martens | |
## TAGS | |
Spiegel | |
Festanstellung | |
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