# taz.de -- Dokudrama um Konrad Adenauer: Konrad und Gussie als Schmonzette | |
> Vergriffen im Ton, kaum Hintergründiges und viele sachliche Fehler: Es | |
> gibt kaum Gründe, „Stunden der Entscheidung“ zu empfehlen (20.15 Uhr, | |
> Arte). | |
Bild: Konrad Adenauer (Joachim Bißmeier) und Ehefrau Gussie (Caroline Werner) … | |
Rudolf Augstein bittet zur Redaktionskonferenz: „Kinder, ruft alle zusammen | |
– das wird die ganz große Story.“ Was für ein Klischee. Ja, es ist | |
anzunehmen, dass der Spiegel-Herausgeber den Bau der Mauer als Nachricht | |
von überragender Bedeutung erkannt hat. Aber so soll er reagiert haben? Wie | |
ein Schmierenkomödiant in einer Journalisten-Soap? Der Ton stimmt einfach | |
nicht. | |
Der Ton stimmt selten in dem Fernsehfilm „Konrad Adenauer – Stunden der | |
Entscheidung“ des Grimme-Preisträgers Werner Biermann, in dem das Leben des | |
ersten deutschen Bundeskanzlers von der Machtergreifung der | |
Nationalsozialisten bis zum Ende seiner politischen Laufbahn nachgezeichnet | |
wird. | |
Wenn man dem Autor glauben will, dann ist dieses Leben über weite Strecken | |
verlaufen wie ein Rosamunde-Pilcher-Roman: „Natürlich wird alles so | |
bleiben, wie es ist“, beruhigt Adenauer seine Frau Gussie, die Angst vor | |
Hitler hat. Ganz, ganz fest nimmt er sie in den Arm. Sorgenvoll blickt er | |
dabei über ihre Schulter, und das Publikum spürt, was Gussie nicht wissen | |
soll: Dass Konrad Adenauer dunkle Wolken heraufziehen sieht. | |
Jahre später wird es Gussie sein, die ihrem Mann Mut macht. Da wird er von | |
den britischen Besatzern als Kölner Oberbürgermeister entlassen – genau wie | |
einst von den Nazis: „Wieder wird er aus Köln vertrieben, wie schon 12 | |
Jahre zuvor“, so der Kommentar aus dem Off. Der Autor schreckt vor nichts | |
zurück. Aber Gussie weiß Rat: „Sie gestatten dir nicht, Köln aufzubauen, | |
dann baust du eben das ganze Land auf. Das ist jetzt das Wichtigste.“ Eine | |
Frau mit Weitblick. | |
## Gerne in Moll | |
So ganz scheint Regisseur Stefan Schneider der Macht seiner Bilder nicht zu | |
vertrauen. Deshalb bedient er sich eines erprobten Mittels: der Musik. Die | |
soll da Spannung aufbauen, wo die Szenen alleine das nicht schaffen. Also | |
häufig. Und gerne in Moll. | |
Es ist immer riskant, historische Ereignisse in Spielszenen darstellen zu | |
lassen und dennoch den dokumentarischen Anspruch nicht aufgeben zu wollen. | |
Wer das Wagnis eingeht, muss zumindest zwei Voraussetzungen erfüllen: | |
Faktentreue und präzise Milieuschilderung. Keiner dieser Anforderungen wird | |
der Film gerecht. | |
Wen will Biermann eigentlich ansprechen? Vor allem Leute, die nicht so viel | |
vom Thema verstehen? Dafür bleibt zu vieles unerwähnt – das böse Wort von | |
Oppositionsführer Kurt Schumacher, Adenauer sei der „Kanzler der | |
Aliierten“, kommt überhaupt nicht vor! –, und dafür wird zu wenig erklär… | |
In einer Dokumentaraufnahme sagt irgendjemand irgendwann und irgendwo: | |
„Schaut auf diese Stadt!“ Wer war’s? Schöne Quizfrage für Jauch. Und f�… | |
das Publikum des Biermann-Films. | |
Aber vielleicht hat Biermann ja vor allem geschichtskundige Zuschauer vor | |
seinem geistigen Auge gehabt. Die kommen ebenfalls nicht auf ihre Kosten. | |
Manchmal fallen in den Spielszenen starke Sätze: „Wir haben lange auf Sie | |
gewartet, meine Herren“, sagt Adenauer zu den ersten Besatzungsoffizieren, | |
die ihn in seinem Garten in Rhöndorf aufsuchen. Historisch verbürgt? Hübsch | |
erfunden? Man weiß es nicht. Ist offenbar auch egal. | |
## Die Strauß-Geschichte voller Fehler | |
Schlimmer ist das, was man weiß: wie viele sachliche Fehler der Film | |
enthält. Im Zusammenhang mit der Spiegel-Affäre behauptet der Sprecher: | |
„Mit einem Anruf beim Kanzler tief in der Nacht greift Franz Josef Strauß | |
eigenmächtig in das Ermittlungsverfahren ein.“ Inwiefern? Ein Telefonat mit | |
dem Regierungschef ist nicht anrüchig. Der Anruf bei Militärattaché Achim | |
Oster in Madrid war es hingegen schon. Der findet aber in der Dokumentation | |
nicht statt. | |
Überhaupt, Strauß. Die militärpolitische Kontroverse zwischen ihm und | |
Adenauer wird sowohl chronologisch als auch inhaltlich verfälscht. Passte | |
wohl besser in die Dramaturgie. | |
Die Liste der sachlichen Fehler ist lang, auch die der Fehldeutungen. | |
„Globke wird der dauernde Skandal der Regierung Adenauer.“ Nein, wirklich | |
nicht. Im Jahr 1953 wurde Hans Globke, Kommentator der Nürnberger | |
Rassegesetze, zum Staatssekretär im Bundeskanzleramt ernannt. Zur Belastung | |
für Adenauer wurde das erst nach der Ergreifung von Adolf Eichmann 1960. | |
Also in den letzten Jahren seiner Kanzlerschaft. Auch egal? Na ja, wenn | |
alles egal ist – wofür dann überhaupt die ganze Mühe? | |
Interviews mit Historikern und Zeitzeugen und die allzu wenigen | |
Dokumentaraufnahmen lassen ahnen, was für eine Chance hier verschenkt | |
wurde. Einen einzigen Grund gibt es allerdings, den Film zu empfehlen: Die | |
überragende Leistung von Joachim Bißmeier, der Konrad Adenauer spielt. Aufs | |
Ganze betrachtet reicht das aber nicht. | |
31 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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