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# taz.de -- „Umfairteilen“-Demonstrationen: Netter Spaziergang, mehr nicht
> 40.000 Menschen in 40 Städten: Für die Organisatoren ist das ein voller
> Erfolg. Die Demonstranten sehen das anders. Von Revolution keine Spur.
Bild: Demontration vor der Zentrale der Deutschen Bank AG in Frankfurt am Main.
Die Hauptkundgebung des bundesweiten Bündnisses „Umfairteilen – Reichtum
besteuern“ auf dem Alexanderplatz startete heute pünktlich um 14 Uhr – und
das ist eigentlich schon mal kein gutes Zeichen, denn: je mehr Leute
unterwegs sind, desto mehr hinkt die Organisation meist auch irgendwann
ihrem Zeitplan hinterher.
Es war denn auch ein zwar bunter aber auch ziemlich müder Haufen von
überschaubaren 5.000 DemonstrantInnen, der sich da vor dem Roten Rathaus
versammelt hatte, um für eine gerechtere Verteilung von Reichtum in
Deutschland zu protestieren: Gewerkschaftler älteren Semesters, ein paar
versprengte Studenten mit Fahnen der Marxistisch-Leninistischen Partei
Deutschland (MLPD) über der Schulter, Familien, Rentner.
„Um-ver-teilen“ skandierte es tapfer von der Bühne, und: „Für eine offe…
Gesellschaft – ohne Zäune!“. Der Haufen vor der Bühne sprach folgsam
hinterher und klatscht etwas zaghaft mit den Pappen, die man extra zuvor
verteilt hat. Hier und da immerhin ein paar zustimmende Pfiffe, als der
Moderator einen „kostenlosen Nahverkehr“ fordert.
Insgesamt 40.000 Menschen in 40 Städten hatte das parteipolitisch
unabhängige Bündnis von rund 300 Organisationen bundesweit –
Gewerkschaften, Sozialverbänden, Attac, das Kampagnennetzwerk Campact sowie
das gesamte Parteienspektrum bis auf schwarz-gelb – für ihren heutigen
Aktionstag mobilisieren können.
## Reaktion auf den Armuts- und Reichtumsbericht
Vor drei Monaten hatte sich das zivilgesellschaftliche Initiative als
Reaktion auf den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung gebildet,
laut gerade mal zehn Prozent der Bevölkerung 63 Prozent des
Nettoprivatvermögens in Deutschland besitzen – und deren Vermögen auch in
der gegenwärtigen Eurokrise weiter wächst, während die untere Hälfte der
Haushalte in Deutschland gerade mal ein Prozent des deutschen
Gesamtvermögens besitzt.
Umfairteilen fordert konkret eine Vermögensabgabe für Reiche mit einem
Privatvermögen ab 1 Million Euro, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer
und härtere Konsequenzen bei Steuerflucht.
Berlin war neben Hamburg, Frankfurt am Main, Köln und Bochum eine von fünf
Schwerpunktstädten, in denen heute Demonstrationen und Kundgebungen
stattfanden.
## Zahnlose Proteste
Um 11 Uhr hatte man auf dem Potsdamer Platz getroffen und war dann
gemeinsam bis zur Abschlusskundgebung zu Füßen des Fernsehturms marschiert.
Als um 14.30 Uhr die Teilnehmerzahlen bekanntgegeben werden, hört man es
unter den DemonstrantInnen hier und da leise murren: „Das ist ja mal nicht
gerade viel, für ganz Deutschland!“, ist der Tenor. Demonstrant Justus
Müller etwa ist enttäuscht. „Das war heute ein netter Spaziergang, mehr
nicht. Die Proteste sind zahnlos – und dann laufen hier auch noch Parteien
mit, die die Misere mit zu verantworten haben!“
Die Organisatoren indes sind zufrieden. Christoph Bautz von Campact und
einer der lokalen Koordinatoren in Berlin bilanziert: „Es ist ein
deutliches Signal an die Politik – und es ist ja erst der Auftakt. Erinnern
Sie sich mal an die Anti-Atomkraftbewegung. Da waren es zu Anfang auch bloß
10.000 Leute und irgendwann dann 100.000.“ Er sieht die Bandbreite des
Bündnisses als gerade positiv: „Gesellschaft verändert sich in Schritten.
Und wenn man sieht, dass etwa nach Fukushima hier in Deutschland auch
tatsächlich Reaktoren abgestellt wurden, sieht man: Protestieren bringt
was!“
Frauke Distelrath, Sprecherin von Attac Deutschland, sieht das ähnlich:
„Unsere Erwartungen haben sich erfüllt. Wir wollten mehrere Zehntausend
erreichen und das haben wir heute geschafft.“ Natürlich müsse man nun
weiter Druck machen um die Bewegung langfristig zu etablieren, aber: „Das
Thema ist gesetzt. Die Dynamik ist da, die Strukturen sind geschaffen.“
Bautz sagt, man müsse sich nun mit dem bundesweiten Trägerkreis zunächst
mal zusammensetzten und den heutigen Aktionstag auswerten, dann sehe man
weiter. Konkrete Aktionen seien noch nicht geplant.
Um 15 Uhr werden zu Punkrock der Band „Auch gut!“ die ersten Dosenbiere
geöffnet, die Familien mit Kindern und SPD-Luftballons trollen sich zum
großen Springbrunnen nebenan. Justus Müller rollt seine schwarz-rote
anti-kapitalistische Fahne ein: Keine Revolution, nirgends.
29 Sep 2012
## AUTOREN
Anna Klöpper
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