# taz.de -- Türkische Regierungspartei AKP: Erdogan sieht Türkei in Nahost | |
> Auf dem Parteitag der regierenden AKP kommt Europa nur noch am Rande vor. | |
> Fast alle Gäste stammen aus der Region – auch der Hamas-Chef. | |
Bild: Erdogan zum Anstecken. | |
ISTANBUL taz | Die türkische Regierungspartei AKP stellt die Weichen für | |
die Zeit nach Parteichef Recep Tayyip Erdogan. Auf dem Parteitag am Sonntag | |
bewarb sich Erdogan zum letzten Mal für den Vorsitz der AKP, auch als | |
Ministerpräsident will er nicht noch einmal antreten. | |
Nach den Parteistatuten sind maximal drei Amtszeiten für Parteiämter oder | |
Parlamentsmandate erlaubt, und die gehen nun für Erdogan und weitere 70 | |
AKP-Parlamentarier dem Ende entgegen. | |
Entsprechend groß waren die Erwartungen an die Grundsatzrede Erdogans. Fast | |
40.000 Besucher in- und außerhalb der Versammlungshalle wollten von ihrem | |
Vorsitzenden wissen, wie und vor allem mit wem es in den kommenden Jahren | |
weitergehen soll. Schließlich stehen mit den Kommunalwahlen im kommenden | |
Jahr, den Präsidentschaftswahlen 2014 und den Parlamentswahlen 2015 drei | |
wichtige Entscheidungen an, die die Türkei bis ans Ende des Jahrzehnts | |
prägen werden. | |
Doch in seiner dreistündigen Rede hielt Erdogan sich in den wichtigsten | |
Fragen bedeckt. Obwohl die gesamte türkische Öffentlichkeit fest davon | |
ausgeht, dass der Vorsitzende auch deshalb bereit ist, seine bisherigen | |
Ämter aufzugeben, weil er sich 2014 zum Präsidenten des Landes wählen | |
lassen will, sagte er dazu kein Wort. Auch die personelle Neuausrichtung | |
der Partei wird ausschließlich hinter verschlossenen Türen verhandelt. | |
## Militär entmachtet, Putschgefahr gebannt | |
Stattdessen schwelgte Erdogan in Eigenlob über die zehnjährige | |
Erfolgsgeschichte der AKP-Regierung. Militär entmachtet, Putschgefahr | |
gebannt, außerordentliches wirtschaftliches Wachstum der Türkei – das waren | |
seineThemen. Nur auf eine wichtige Frage ging Erdogan etwas konkreter ein. | |
Er will alles dafür tun, den seit 30 Jahren andauernden blutigen Konflikt | |
mit der kurdischen Minderheit und den „Terroristen“ der kurdischen | |
PKK-Guerilla friedlich zu lösen. | |
Das hörte sich deutlich anders an als die aggressiven Töne, die von ihm | |
dazu kürzlich noch zu hören waren. Bereits in einem Interview im Vorfeld | |
des Parteitages hatte er angedeutet, dass er wohl bereit wäre, erneut einen | |
direkten Dialog mit der PKK zu führen. | |
Am interessantesten war die außenpolitische Positionierung Erdogans und | |
damit der AKP-Regierung. Europa kam in seiner gesamten Rede nur einmal vor, | |
und zwar als er die Islamophobie im Westen beklagte und namentlich | |
Deutschland und Frankreich aufforderte, klarer dazu Stellung zu nehmen. | |
Ansonsten wurden die außenpolitischen Koordinaten durch die anwesenden | |
Ehrengäste bestimmt. An erster Stelle war dies der neue ägyptische | |
Präsident Mohammed Mursi, den meisten Beifall des Parteitages bekam aber | |
Hamas-Chef Khaled Meschaal. | |
Neben dem irakischen Vizepräsidenten Haschemi, der in der Türkei Asyl | |
gesucht hat, war als Ehrengast auch der Präsident des kurdischen | |
Autonomiegebietes im Nordirak, Massud Barsani, anwesend. Der einzige | |
hochrangige Politiker aus Europa war Exbundeskanzler Gerhard Schröder. | |
30 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Türkei unter Erdoğan | |
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