# taz.de -- Syrische Studenten in Deutschland: „Man braucht doch Sicherheit“ | |
> Damit Nicht-EU-Bürger in Deutschland studieren dürfen, müssen sie | |
> monatlich 643 Euro Einkommen vorweisen. Für syrische Studenten ist das | |
> ein Problem. | |
Bild: Bevor hier Platz genommen werden darf, müssen erst 643 Euro Einkommen na… | |
HALLE taz | Früher schlief Adnan Ghanem lange, wie seine Kommilitonen, | |
trank in Ruhe seinen Kaffee und machte sich auf den Weg zur Universität. | |
Seit in seiner Heimat Krieg ist, steht Adnam früh auf und telefoniert mit | |
seiner Familie in Syrien. Abends das gleiche Spiel, und das seit | |
mittlerweile eineinhalb Jahren. | |
„Es ist das Schlimmste, was man überhaupt fühlen kann. Wir sind ein Volk, | |
dass Sicherheit genossen hat, das selten Blut gesehen hat. Und jetzt | |
sterben die Leute in unserer Heimat“, sagt Ghanem, der Zahnmedizin an der | |
Martin-Luther-Universität Halle studiert. Man brauche fürs Studium doch | |
eigentlich Sicherheit, flüstert er beim Gespräch in der Mensa, mehr zu sich | |
selbst als zu jemand anderem. Seine Studienleistungen leiden. Professoren | |
haben ihn darauf angesprochen. Er wirkt müde. | |
Es sind nicht nur die Sorgen um die Angehörigen, die die syrischen | |
Studenten hierzulande plagen. Hinzu kommt noch ein ganz anderes Problem: Um | |
in Deutschland als Nicht-EU-Bürger studieren zu dürfen, braucht es nicht | |
nur ein Visum und eine Universitätszulassung – sondern auch eine | |
finanzielle Absicherung. | |
Die meisten ausländischen Studenten sind auf die Unterstützung durch ihre | |
Familien angewiesen, weil sie der Ausländerbehörde nachweisen müssen, dass | |
sie über monatliche Einkünfte von 643 Euro verfügen, und das für mindestens | |
sechs Monate im Voraus. Können sie diesen Nachweis nicht erbringen, dann | |
wird ihre Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert. Die Regelung gilt | |
speziell für Studenten aus Nicht-EU-Ländern – und damit auch für die rund | |
2.000 Syrer, die laut Statistischem Bundesamt in Deutschland studieren. | |
## Leben gegen den Wechselkurs | |
„Mittlerweile ist es fast unmöglich, für sechs Monate genügend Geld | |
vorzuweisen“, sagt Ghanem. Zum einen ist der Wechselkurs vom Euro in die | |
syrische Währung um mehr als das Zweifache gestiegen. Die Familien müssten | |
also doppelt so viel arbeiten, um ihren Nachwuchs zu unterstützen. „Aber | |
auch wenn Familien das Geld haben, kommt es immer seltener an, weil der | |
Bankverkehr durch internationale Sanktionen gestoppt ist“, erklärt er. | |
Ghanem stammt aus einem Dorf im Westen Syriens. 2002 ist er für sein | |
Studium nach Deutschland gekommen. Er hofft darauf, dass die | |
Ausländerbehörde ihm einen Aufschub gewährt und er die Nachweise | |
nachreichen kann. Ansonsten hält er sich durch Jobben über Wasser. Nicht | |
nur er hat Probleme bekommen, den Behörden seine Finanzierung nachzuweisen: | |
Das Diakonische Werk, das einen Notfallfonds für ausländische Studierende | |
unterhält, hat deswegen sogar speziell zu Spenden für die knapp 90 | |
syrischen Studenten in Halle aufgerufen. | |
Wie es weitergeht, mag Ghanem sich derweil kaum vorstellen. Politisch kenne | |
er sich nicht aus, aber er verstehe beide Seiten nicht. „Ich hoffe, dass es | |
besser für die Menschen wird und sich jemand für Versöhnung und | |
Gerechtigkeit einsetzt, egal ob es einen Wechsel gibt oder nicht.“ Bis er | |
sein Studium beendet hat, werden noch mindestens zwei Jahre vergehen. | |
Darauf angesprochen, ob er nach seinem Abschluss zurück nach Syrien gehen | |
will, wird er nachdenklich. „Ich habe Angst und weiß nicht, was passiert.“ | |
3 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Vincent Streichhahn | |
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