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# taz.de -- Bertelsmann will Minijobs abschaffen: Mehr als geringfügige Zahlen
> Minijobs und Ehegattensplitting hält die Bertelsmann-Stiftung für
> obsolet. 60.000 Vollzeitstellen würden bei ihrer Abschaffung entstehen.
Bild: Sollen in sozialversicherte Beschäftigungen überführt werden: Typische…
BERLIN taz | Mitten in die Wahlkampfstimmung und noch vorteilhafte
Wirtschaftslage hinein fordert die Bertelsmann-Stiftung eine kombinierte
Komplettreform von Minijobs und Ehegattenbesteuerung.
60.000 neue Vollzeitstellen könnten entstehen, wenn die Minijobs einer
Steuer- und Abgabenpflicht unterworfen würden und gleichzeitig das
Ehegattensplitting im Steuerrecht umgestaltet würde. Belastungen für den
Staatshaushalt keine, erklärt die einflussreiche Stiftung in einer Studie,
die sie am Donnerstag präsentierte. Mit den entsprechenden Modellrechnungen
beauftragt war das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA).
Die Ergebnisse sind von einigem Wert für die Debatte über weibliche
Erwerbstätigkeit, soziale Ungerechtigkeit und Altersarmut. Längst hat die
Familien- und Sozialforschung die Minijobs und das Ehegattensplitting als
wichtige Anreize identifiziert, die Frauen von
sozialversicherungspflichtiger (Voll-)Erwerbstätigkeit fernhalten. Dadurch
geraten sie in die „Geringfügigkeitsfalle“: Sie verbleiben in Abhängigkeit
vom männlichen „Hauptverdiener“ und stehen nach einer durchaus möglichen
Trennung mittellos da.
## Faktische Abschaffung
Die Bertelsmann-Stiftung schlägt anhand der IZA-Ergebnisse nun vor, das
traditionelle Ehegattensplitting durch ein Modell zu ersetzen, das die Ehe
zwar steuerlich begünstigt – aber nicht mehr so stark. Finanziell getroffen
würden Paare mit sehr hohem und sehr ungleichem Einkommen, nämlich solche,
bei denen der Einkommensunterschied mehr als 27.000 Euro beträgt.
Um „nennenswerte Beschäftigungseffekte“, also mehr gute Jobs zu gewinnen,
müssten aber laut Bertelsmann gleichzeitig die Minijobs faktisch
abgeschafft werden. Wie auch Gewerkschaften und die meisten
ArbeitsmarktpolitikerInnen der Opposition fordert die Stiftung, dass
MinijobberInnen „ab dem ersten Euro“ Steuern und Beiträge zahlen sollten.
Dadurch würden nicht nur Minijobs in richtige Stellen zurückverwandelt,
erklärt Eric Thode, Arbeitsmarktexperte bei Bertelsmann. Es würden
tatsächlich auch 56.000 Personen neu in Arbeit kommen. „Im Unterschied zu
den anderen Studien hat das IZA für uns auch die Reaktionen der Arbeitgeber
mit berücksichtigt“, sagte Thode zur taz. Wenn zehntausende Frauen auf den
Arbeitsmarkt drängten, bedeute dies auf Arbeitgeberseite, dass man die
Löhne zu drücken versuchen werde – es würden aber eben auch Stellen
geschaffen.
## Mittel zum Lohndumping
Aktuell gibt es rund 7 Millionen MinijobberInnen, zwei Drittel davon
Frauen. Die schwarz-gelbe Regierung hat die Minijobs nun gerade durch die
Erhöhung der Einkommensgrenze von 400 auf 450 Euro aus- und nicht etwa
abgebaut. Doch Thode hofft, dass „eine kommende Regierung“ ab 2013 hier
womöglich umsteuern werde.
Das besondere Interesse der Arbeitgeber an den Minijobs rühre vermutlich
ohnehin nicht aus der Art der Besteuerung, sondern dass sie als „flexibles
Instrument, manchmal über gesetzliche Grenzen hinweg“ gesehen würden,
sprich: für Lohndumping und Vernachlässigung von Arbeitnehmerrechten
genutzt werden.
Wohlwollende Aufnahme fand dieser Teil der Studie daher bei der SPD, wo man
derzeit eine Minijob-Reform ausbrütet. Die SPD-Frauenpolitikerin Christel
Humme sagte, die von Rot-Grün 2003 eingeführten Minijobs hätten sich „weder
als Brücke in sozialversicherungspflichtige Jobs noch zur Bekämpfung der
Schwarzarbeit bewährt“.
Den bertelsmannschen Steuervorschlag sieht Humme allerdings skeptisch. SPD-
wie auch Grünen-Linie sei, dass man die „Individualbesteuerung“ anstrebt,
dass also auch in Ehe und Familie jede und jeder nach schwedischem Vorbild
einzeln besteuert wird.
4 Oct 2012
## AUTOREN
Ulrike Winkelmann
## TAGS
Minijob
Bertelsmann
Minijob
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