# taz.de -- Akten-Streit zum NSU: „Aufklärung soll verhindert werden“ | |
> Thüringens Innenminister Geibert verteidigt die Lieferung ungeschwärzter | |
> Akten an den NSU-Ausschuss. Seine Kritiker hätten „nicht verstanden, | |
> worum es geht“. | |
Bild: Der Untersuchungsausschuss des Bundestages wurde nun mit NSU-Akten zugesc… | |
taz: Herr Geibert, hört man sich in anderen Ländern und im Bund um, hat man | |
das Gefühl, Thüringen sei durch seinen Umgang mit Geheimakten ein | |
Sicherheitsrisiko. Sind in Erfurt schon die Blauhelm-Soldaten | |
einmarschiert? | |
Jörg Geibert: Wir sind natürlich kein Sicherheitsrisiko. Die Akten bleiben | |
ja geheim. Wir vertrauen den Abgeordneten, dass sie sich daran halten. Aber | |
sie müssen doch Kenntnis von den Inhalten haben, um beurteilen zu können, | |
was sie für ihre Aufklärung brauchen. | |
Manche Bundesländer hätten den Laster mit den ungeschwärzten Akten auf dem | |
Weg nach Berlin am liebsten mit einer Art Sonderkommando abgefangen. | |
Eine abenteuerliche Vorstellung! Es ist eine verfassungsrechtliche Vorgabe, | |
dass man als Exekutive nach Kräften die Legislative bei der Aufklärung | |
unterstützt. Das mit brachialer Gewalt verhindern zu wollen ist wie in | |
einem schlechten Krimi. | |
Es wird behauptet, nun steige die Gefahr, dass reihenweise | |
Verfassungsschutzmitarbeiter und V-Leute auffliegen könnten. Alles Quatsch? | |
Ich kann die Schreckensszenarien nicht nachvollziehen. In diesen Akten | |
stehen überhaupt keine Klarnamen von V-Leuten. | |
In Sicherheitskreisen wird sogar gedroht, Thüringen aus dem | |
Verfassungsschutz-Verbund rauszuschmeißen. Was sagen Sie dazu? | |
Diejenigen, die solche Drohungen streuen, haben nicht verstanden, worum es | |
geht: Wir müssen das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden zurückgewinnen. | |
Das geht nur mit Transparenz gegenüber denjenigen, die unsere | |
Verfassungsschutzbehörden kontrollieren. Und das sind die Parlamentarier. | |
Sie selbst trauen offenbar Ihrem Verfassungsschutz auch nicht ganz. Das | |
geht aus einem Vermerk über ein Gespräch mit dem NSU-Ausschuss-Vorsitzenden | |
hervor. Sie sorgten sich demnach, bei einer Akten-Vorauswahl durch Ihren | |
Verfassungsschutz hätten brisante Teile „verschwinden“ können. | |
Das scheint mir verkürzt wiedergegeben. Es ging um die Frage der Vorauswahl | |
von Akten, und die halte ich für falsch. Da wir gar nicht wissen, was die | |
Kontrolleure brauchen, stellen wir unseren kompletten Bestand zur | |
Verfügung. Die Akten haben wir von mehreren Personen sortieren, scannen und | |
zusammenstellen lassen. Wir haben dafür unterstützend eine große Zahl von | |
Bereitschaftspolizisten eingesetzt. Damit haben wir nicht nur ein zügiges, | |
sondern auch ein sehr objektives Verfahren gewählt. | |
In dem Gespräch soll auch das Wort „Sumpf“ gefallen sein … | |
Das bezog sich vor allem darauf, dass es nach dem Auffliegen des NSU im | |
November 2011 noch zu Aktenvernichtungen gekommen ist, und zwar nicht bei | |
uns, sondern im Bundesamt für Verfassungsschutz. Dieser Vorgang war es, der | |
riesiges Misstrauen gegen alle Verfassungsschutzbehörden erzeugt hat. | |
Vertrauen kann man nur wieder zurückzugewinnen, wenn man für Zweifel keinen | |
Raum lässt. | |
Viele Auftritte in den NSU-Untersuchungsausschüssen, nicht zuletzt die des | |
Ex-Verfassungsschutz-Chefs Thüringens, Helmut Roewer, haben in den | |
vergangenen Wochen kein gutes Licht auf Ihr Land geworfen. | |
Der ein oder andere Auftritt hat tatsächlich dazu beigetragen, dass wir uns | |
der Lächerlichkeit preisgegeben haben. Dabei waren es unsere Polizisten, | |
die nach dem letzten Banküberfall dem NSU im November in Eisenach ein Ende | |
gesetzt haben … | |
… nach 13 Jahren und 10 Toten. Damit soll alles wiedergutgemacht sein? | |
Nein, das kann man nicht wiedergutmachen. Ich will nicht von Fehlern der | |
Vergangenheit ablenken. Wir müssen alles schonungslos aufklären, und dann | |
die richtigen Schlüsse für die Zukunft ziehen. | |
11 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
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