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# taz.de -- Sexualität im Fußball: Gibt es schwule Profis?
> Ist die harte Welt des Männerfußballs die Heterohölle? Verstecken sie
> sich? Gibt es auch Spielermänner? Ein Pro und Contra.
Bild: Der ehemalige Fussballprofi Giovane Elber lässt sich küssen.
JA! Nur weil die harte Welt des Männerfußballs gerne als rückständig und
reaktionär beschrieben wird, ist sie noch lange keine schwulenfreie Zone.
Es wird bisweilen ein merkwürdiges Bild gezeichnet vom Fußball. Beinahe
immer wenn es um Homosexualität im Männerfußball geht, wird gewarnt vor der
finsteren Welt in Stadien und Kabinen. Der rückständige, reaktionäre und
machodominierte Fußball sei einfach noch nicht so weit wie andere Bereiche
unserer hyperaufgeklärten Gesellschaft.
Auf das Outing eines Profis im scheinbar ewigen Gesellschaftsspiel
„Deutschland sucht den Spielermann“ wartet die Republik vergebens, da kann
die Bundeskanzlerin die Arme noch so weit ausbreiten und den ersten Profi,
der sich einst zu seiner Homosexualität bekennen wird, schon kräftig
umarmen, bevor der überhaupt in Erscheinung getreten ist.
Angela Merkel glaubt offenbar, dass es sie gibt, die schwulen Kicker, nach
deren Namen die gerne so titulierte Pressemeute regelrecht lechzen soll.
Sie ist nicht die Einzige, auch wenn alles, was von schwulen Profis an die
Öffentlichkeit drang, immer anonym war. Warum sollte es sie auch nicht
geben? Warum sollte ausgerechnet der Fußball schwulenfrei sein? Ist er
wirklich ein Museum der Ressentiments, der von der modernen Gesellschaft
abgekoppelt ist, einer der letzten Orte, in die sich kein Schwuler traut,
eine wahre Heterohölle?
## Unterschichtenmonster blasen zum Halali
Die Stadien, die zu erwartenden Reaktionen in den Kurven nach einem
möglichen Outing werden gerne besonders infernalisch dargestellt, so als
würde der miese Mob, der sich da allwöchentlich versammelt, nur darauf
warten, über den ersten schwulen Profi herzufallen: hechelnde
Unterschichtenmonster blasen zum Halali. Dabei ist der Fußball, und ist es
schon lange, ein schichtenübergreifendes Massenphänomen – und damit so
modern und aufgeklärt wie die Gesellschaft im Ganzen.
Aber ist die eigentlich gut? Ist hierzulande Schwulsein wirklich ganz
normal? Schön wär’s. Die Buben werden zu Jungs erzogen und die Eltern
fragen sich früh, was der Kleine wohl mal für eine Frau nach Hause bringen
wird. Die Norm ist hetero – da bildet der Männerfußball keine Ausnahme.
Nicht nur da fragen sich die Kerle, ob sie ihr Schwulsein nicht besser
verheimlichen sollen. Aus der Deckung zu gehen ist für viele immer noch
schwer. Und doch machen Schwule in dieser Heterowelt Karrieren.
Im Bundeskabinett gibt es einen Minister, der sich irgendwann einmal
entschieden hat, offen mit seiner Homosexualität umzugehen. Ein anderer
scheint sich damit schwer zu tun. Und ganz schwer tun sich die schwulen
Fußballer. Wundern muss einen das nicht. Denn es sind prominente Fußballer,
Trainer und Funktionäre selbst, die das Bild der rückständigen Fußballwelt
immer wieder aufs Neue zeichnen, die sagen, dass der Fußball noch nicht
reif für ein Outing sei. ANDREAS RÜTTENAUER
NEIN! Erst wenn sich mehr Eltern ihren talentierten Kleinen auch als
schwulen Profi vorstellen können, wird auf den Tribünen vielleicht einmal
ein Spielermann sitzen. Selbst ermunternde Worte der Bundeskanzlerin nützen
offenbar wenig: Es will sich einfach kein Fußballspieler aus den höheren
Ligen der Bundesrepublik als das annoncieren, was er privat begehrt – als
schwuler Mann.
Es ist eine irre Situation: Spitzenfunktionäre des Deutschen Fußball-Bundes
oder die erwähnte Angela Merkel hätten nichts dagegen, würde einer sagen,
mit einer Freundin oder Frau könne er nicht dienen, höchstens als Sandfrau,
aber ansonsten sei ein Mann an seiner Seite. Sandfrau, das nur nebenbei,
ist ein Fachausdruck unter versteckt lebenden homosexuellen Männern –
weibliches Personal, das der Öffentlichkeit Sand in die Augen streut, auf
dass diese nicht auf die Idee kommt, dieser Kerl entspreche nicht dem
Wunschbild des heterosexuellen Mannes.
Aber woran liegt, dass bei allem Goodwill partout keiner von der Qualität
eines Manuel Neuer, Marcel Schmelzer oder Sami Khedira einfach sagt: Ja,
nun beruhigt euch doch, aber natürlich bin ich schwul? Hat es wirklich nur
damit zu tun, dass da einer oder gleich mehrere etwas fürchten? Etwa Spott,
Häme, Hass? Oder keine Lust haben auf die Dramatisierung des Themas
überhaupt.
## Keine Geste bliebe ungedeutet
JedeR weiß doch: Käme da einer, etwa Thomas Müller, auf die Idee, sich zu
outen, wäre es um es ihn geschehen – hauptsächlich all der
Talkshow-Einladungen wegen. Keine Geste, grob oder subtil, bliebe mehr
ungedeutet. Seht mal, wie er den Ball behandelt – ein Ballerino; ist er
nicht wahnsinnig grazil?
Aber wir werden vermutlich noch lange warten auf eine solche
klischeezersetzende Heldenkraft. Könnte das fehlende Outing nicht auch
damit zu tun haben, dass es in der Bundesliga etwa gar keinen schwulen
Spieler gibt? Aber sind nicht in jeder Gruppe fünf Prozent schwul oder
lesbisch? Keineswegs – solche Männer könnten den Fußball früh verlassen
haben, weil es lange vor dem Profialter, etwa in der Pubertät, nicht allein
auf fußballerisches Können ankommt, um sich an die Spitze zu spielen,
sondern eben auch auf das Talent, sich heterosexuell zu profilieren.
Wer schon einmal 15-jährige Fußballer beim Halbzeitgespräch belauscht hat,
weiß, wovon die Rede ist: Das Geraune und Gegröle geht kaum um Fußball,
mehr um Weiber, Das Erste Mal, Schwänze und jene Männlichkeit, die man als
heterosexuell gewöhnlich versteht.
Ein schwuler Fußballer? Warten wir weiter ab. Der Prozess der
Freisinnigkeit fängt schon in den Pampers-Ligen an – bei den Eltern. Je
mehr Väter und Mütter es gibt, die sich ihre Sprösslinge fußballerisch in
Höhen fantasieren, gleichzeitig diese aber auch potenziell als schwule
Kicker vorstellen könnten, desto wahrscheinlicher wird die Präsenz von
Profis, die auf den Tribünen nicht Spielerfrauen sitzen haben, sondern
Spielermänner. JAN FEDDERSEN
16 Oct 2012
## AUTOREN
A. Rüttenauer
J. Feddersen
## TAGS
Fußball
Homosexualität im Profisport
Homosexualität
AC Mailand
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