# taz.de -- Homosexualität im Fußball: Die Angst des Schiris vorm Outing | |
> Burkhard Bock hat sich lange Zeit versteckt. Jetzt bekennt sich der | |
> Schiedsrichter und Verbandsfunktionär aus Brandenburg zu seinem | |
> Schwulsein. | |
Bild: „Es gibt viele junge Spieler in ländlichen Gegenden, die versteckt leb… | |
Es ist raus. „Glück: Ein authentisches Leben in Freiheit“ steht über dem | |
Interview, in dem Burkhard Bock sich outet. Es ist gestern in den | |
Brandenburgischen Fussball-Nachrichten, einem Verbandsblatt, erschienen. | |
„Ich habe die Flucht nach vorne gesucht“, sagt Bock. Er ist Vorsitzender | |
des Kreisverbandes Westuckermark in Lychen. Manchmal pfeift er in der | |
Kreisklasse, aber nicht mehr so oft, weil er im Jahre 2000 am Herzen | |
operiert worden ist. | |
„Es gibt viele junge Spieler in ländlichen Gegenden, die versteckt leben“, | |
sagt er. Ihnen will er den Weg weisen, als Ansprechpartner da sein. Sein | |
Vorbild ist Marcus Urban, der schwule Ex-Fußballer, über den im Jahre 2008 | |
das Buch „Versteckspieler“ erschienen ist. Bock hat jahrzehntelang | |
versteckt gelebt. Vor zwei Jahren hat er Urban im TV gesehen, das Buch | |
gelesen und ihm einen Brief nach Hamburg geschrieben. Sie haben dann immer | |
wieder miteinander telefoniert. | |
Es brauchte seine Zeit, bis Bock den Mut aufbrachte, Urbans Weg zu gehen. | |
„Im Fußballsport ist es ja problematisch mit dem Outing, und bei uns im | |
Kreis ist es noch komplizierter“, sagt er. „In Lychen kennt jeder jeden, | |
und hier gehen einige auf Distanz zu Schwulen.“ Die innere Anspannung sei | |
immer größer geworden. Er litt, erzählt er, im Vorjahr unter Depressionen, | |
„ich hatte die Tabletten schon im Mund“. | |
Er musste für den Druck, der sich in ihm aufgebaut hatte, ein Ventil | |
finden. Zuerst erzählte er seine Geschichte zwei Freunden, „beide Heteros“. | |
Bis zuletzt habe keiner in seinem Umfeld Verdacht geschöpft, glaubt Bock, | |
„ich habe es immer so gemacht, dass ein Verdacht gar nicht erst aufkam“. | |
## Ein „ganz rühriger Sportskamerad“ | |
Im Juli dieses Jahres wurde das öffentliche Outing vorbereitet, zusammen | |
mit Marcus Urban und Michael Hillmann, dem Geschäftsführer des | |
Landesverbands. „Es hat mich emotional sehr berührt“, erinnert sich | |
Hillmann an das Gespräch. Burkhard Bock sei ein „ganz rühriger | |
Sportskamerad, eine Stütze des Verbands“. Er könne nur Gutes über ihn | |
sagen. Bocks Outing möchte er als Plädoyer an die Vereine verstanden | |
wissen: „Wir alle müssen ein Klima der Toleranz leben.“ | |
Dass Homophobie im Fußball ein weit verbreitetes Phänomen ist, das ist | |
Hillmann erst richtig klar geworden, als er dieses Jahr in Hennef an einer | |
Tagung des DFB teilgenommen hat zum Thema „Vor dem Ball sind alle gleich – | |
sexuelle Identitäten im Fußball“. Referent war unter anderen John Amaechi, | |
ehemaliger Basketball-Profi, der zwischen 1995 und 2003 knapp 300 | |
NBA-Spiele bestritten und sich als schwul geoutet hat. | |
„Es gab Arbeitsgruppen und da ist mir das Problem erstmals bewusst | |
geworden“, sagt Hillmann. Er ist im Schnellkurs zum Experten gereift: „Wenn | |
man so eine Last trägt, dann muss es wie eine Befreiung wirken, wenn man | |
sich öffnet“, sagt er. Die Dreierrunde kam schnell überein, dass es Marcus | |
Urban sein werde, der Bock in einem Interview outet. Davor offenbarte sich | |
der 53-Jährige auch vor seinen Schiedsrichterkollegen. „Das machte ruck, | |
zuck die Runde“, sagt Bock, „aber bisher gibt es nur positive | |
Rückmeldungen.“ | |
Burkhard Bocks Name taucht auch im Rahmen einer Veröffentlichung im fluter | |
auf, der Zeitschrift der Bundeszentrale für politische Bildung. Der Autor | |
Adrian Bechtold hatte jüngst ein spektakuläres Interview über einen | |
schwulen Bundesligaprofi veröffentlicht. Über 100 Nutzer kommentieren den | |
Artikel. Burkhard Bocks Name ist auch darunter. Er schreibt: „Auch ich bin | |
schwul und habe mich jetzt geoutet. Die Resonanz war bisher sehr positiv. | |
Marcus Urban hat mir dabei sehr geholfen.“ | |
## Fahndung nach dem wahren Autor | |
Doch Bock weiß nichts von diesem Internet-Eintrag in der Kommentar-Spalte | |
des fluter-Artikels. Er stammt nicht von ihm. „Vielleicht war’s der Marcus | |
(Urban), im Grunde könnten das auch meine Worte sein.“ Aber auch Marcus | |
Urban ist nicht der Autor des Eintrags, der bereits am 11. September | |
verfasst worden ist, das versichert er am Telefon. Es bleibt also | |
rätselhaft, wer dafür verantwortlich ist. | |
Eine Fahndung nach dem wahren Autor ist jetzt, da sich Bock bekannt hat zu | |
seiner sexuellen Orientierung, nicht mehr nötig, findet Urban. „Er tritt | |
nun aus seinem Versteckspiel heraus und das ist wirklich großartig.“ Bis es | |
so weit gewesen ist, sei das Leben seines Schützlings allerdings „auf des | |
Messers Schneide gewesen, es ging wirklich um existenzielle Fragen: Man | |
muss sich das vorstellen: Er lebt in dieser kleinen Stadt, bekleidet ein | |
öffentliches Amt und muss rund um die Uhr aufpassen, dass nichts rauskommt | |
– fast 30 Jahre lang.“ | |
Das Outing habe Bock große Angst gemacht. „Das treibt einen in die Ecke, | |
und zwar so, dass man nicht mehr leben will“, sagt Marcus Urban. Burkhard | |
Bock geht es heute gut. Er verspürt „eine Befreiung“, kann endlich offensiv | |
mit seiner Homosexualität umgehen. Neulich ist er einen Schiedsrichter, der | |
über Schwule lästerte, angegangen: „Ich bin selber schwul, und ich kenne | |
viele, die Schwule hassen. Bist du vielleicht auch schwul?“ Der Schiri sei | |
rot angelaufen, sagt Burkhard Bock, „und war dann still.“ | |
2 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
## TAGS | |
Fußball | |
AC Mailand | |
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