# taz.de -- Interview mit schwulem Bundesligaprofi: Skeptisch beäugt | |
> Fake oder Scoop? Nicht alle sind überzeugt, dass das Interview mit einem | |
> schwulen Bundesligaprofi im Magazin „Fluter“ echt ist. | |
Bild: Gibt es ihn oder gibt es ihn nicht? | |
BERLIN taz | Philipp Köster ist nicht überzeugt. „Ich finde das Interview | |
so wahnsinnig plakativ“, sagt der Chefredakteur des Fußballmagazins 11 | |
Freunde im Gespräch mit der taz. „Es gibt nach wie vor eine Menge | |
Ungereimtheiten.“ Köster bezieht sich auf ein Interview im Fluter, einem | |
Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung. Der junge Autor Adrian | |
Bechtold (25) hatte mit einem schwulen Bundesligaspieler gesprochen. Titel: | |
„[1][Ein Mann, den es eigentlich nicht gibt]“. | |
Köster hat diesen Titel wörtlich genommen und in zwei Texten („Der Scoop | |
sieht aus wie ein Fake“ und „Klarheit jetzt!“) versucht darzulegen, warum | |
es sich um ein gefälschtes Interview handeln könnte. Er wirft dem Autor | |
dies und das vor, es ist viel unausgegorenes Zeug darunter: Das „Setting“ | |
wäre zu „dramatisch“, er schreibt von „inszenierter Geheimnistuerei“ u… | |
begibt sich auf die Suche nach Widersprüchen, die er prompt findet. | |
Zu viele schwule Klischees würden bedient. „Angesichts der zahllosen, wirr | |
aneinandergestoppelten (…) Aussagen entsteht nahezu zwangsläufig der | |
Eindruck, dass hier gar kein Gespräch stattgefunden hat“, postuliert Köster | |
in seiner ersten schriftlichen Attacke. Der Fußballfachmann wettert nicht | |
zum ersten Mal gegen die spektakuläre Geschichte eines anderen Blattes; das | |
Fußballmagazin Rund, das vor einiger Zeit sein Erscheinen einstellen | |
musste, war häufig Ziel seiner Angriffe. | |
Im Kern stört Köster, dass nur Bechtold den Namen des Fußballers kennt und | |
kein anderer, nicht einmal der Chefredakteur des Fluter, Thorsten | |
Schilling. „Warum kann der Kollege Bechtold nicht für Authentizität | |
sorgen?“, fragt Köster. Das Magazin Fluter bemühe sich nicht um Aufklärung. | |
## Aufklärung wird schwierig | |
Eine Aufklärung des Sachverhalts dürfte schwierig sein, denn Bechtold hat | |
seinem Gesprächspartner versprochen, den Namen an niemanden weiterzugeben. | |
Und der Jungjournalist ist derzeit nicht zu sprechen. „Dem geht es einfach | |
nicht gut“, sagt Daniel Kraft, Pressesprecher bei der Bundeszentrale für | |
politische Bildung (BpB). „Wir müssen ihn schützen.“ Man hat sich | |
entschieden, die Drähte zur medialen Öffentlichkeit zu kappen, weil | |
offensichtlich war, dass Bechtold mit dem Medienansturm und den | |
aufkommenden Zweifeln überfordert war. | |
Nichtsdestotrotz vertraut die Bundeszentrale dem Autor. „Sämtliche | |
Menschenkenntnisse müssten mich trügen“, sagt Kraft in Bezug auf die | |
Vertrauenswürdigkeit des Interviewers, „das Ganze ist sehr glaubwürdig.“ | |
Bechtold sei kein „Profijournalist“, das sei richtig, aber das sogar von | |
der Bundeskanzlerin beachtete Stück sei gerade deshalb zustande gekommen, | |
weil es niemand aus der etablierten Szene der Sportjournalisten gewesen sei | |
und Bechtold unkonventionelle Wege beschritten habe. Über ein | |
„Peer-Netzwerk“ sei Bechtold an den Fußballer herangekommen. | |
Marcus Urban, der schwule Exfußballer, über den auch ein Buch | |
(„Versteckspieler“) geschrieben wurde, sagt der taz, Bechtold sei zu der | |
Geschichte wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. „Er steckte gar nicht so im | |
Fußballthema drinnen, er hat dann ein bisschen genetzwerkt, wie viele vor | |
ihm“, sagt Urban, der nach eigenen Angaben täglich mit Bechtold | |
telefoniert. Er hat die Rolle des Coaches und Trösters übernommen. „Ich | |
begleite ihn, denn das ist echt heftig für ihn, ich versuche ihn derzeit zu | |
stabilisieren.“ | |
## Das Interview als Test | |
Das Interview hält Urban für authentisch: „Mein Kopf und mein Herz sagen | |
mir, dass es echt ist.“ Kontakt zum Spieler will er über Bechtold | |
aufgenommen haben, den Namen kenne er aber auch nicht. Urban hat auch dem | |
Spieler Unterstützung zugesagt. Die Veröffentlichung im Fluter hält Urban | |
für einen „Testballon“. | |
Der Vergleich ist unglücklich gewählt, denn nicht nur Urban hofft wohl, | |
dass es sich um mehr als nur heiße Luft in textiler Ummantelung handelt. Er | |
spricht davon, dass er einige aktive schwule Profifußballer kenne, „doch | |
alle, auch das Umfeld und eingeweihte Journalisten, halten total dicht“. | |
Man fragt sich allerdings, warum. Würde der erste aktive, sich in | |
Deutschland outende Fußballer nicht Heldenstatus erlangen? „Ja, das glaube | |
ich mittlerweile auch, allerdings müssten sich vor den Outings die Vereine | |
und Verbände als homofreundlich outen“, sagt Marcus Urban. | |
19 Sep 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.fluter.de/de/114/thema/10768/ | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
## TAGS | |
Gruner + Jahr | |
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