# taz.de -- Spielerinnen über Frauenfußball: „Lesbische Spielerinnen sind b… | |
> Die Jordanierin Mis'da Ramounieh und die Südafrikanerin Marcia Diketwane | |
> sind Fußballerinnen. Ein Gespräch über Frauen und Fußball, den Hidschab | |
> und Homosexualität. | |
Bild: Marcia Diketwane (links) und Mis'da Ramounieh: „Fußball ist für alle.… | |
taz: Frau Ramounieh, Sie sind Kapitänin der jordanischen | |
Frauenfußball-Nationalmannschaft. Keine Ihrer Teamkolleginnen ist älter als | |
25 Jahre. Wohin verschwinden die Frauen so plötzlich mit Mitte 20? | |
Mis’da Ramounieh: Sie gehen zurück zur Familie, heiraten, bekommen Kinder. | |
So sind die Regeln. Aber langsam verändern sich die Dinge. Kürzlich hat | |
eine Spielerin aus unserem Team geheiratet und sie spielt immer noch. | |
Sie sind 29 Jahre und unverheiratet. | |
Mis’da Ramounieh: Meine Familie ist liberal, ich muss mich vor ihnen nicht | |
rechtfertigen. Und ich bin in der Hauptstadt, in Amman, aufgewachsen, dort | |
ist die Gesellschaft offener. Bevor ich Fußball gespielt habe, war ich | |
Handballerin. Also, wenn ich heirate, dann müsste mein Mann verstehen, dass | |
ich weiter spielen werde. | |
Marcia Diketwane: Unsere Eltern haben höchstens Angst, dass man wegen des | |
Fußballs die Schule vernachlässigen könnte. Wir sind zudem die erste | |
Generation von Mädchen in den Townships, die Fußball spielen. Es gibt | |
bisher kaum Strukturen für Frauenfußball dort, die Eltern sind also | |
misstrauisch. Mein Vater wollte auch erst nicht, dass ich spiele. Aber dann | |
bin ich mit meiner Schulmannschaft zu einem Turnier nach Chile geflogen, da | |
hat er dann gesagt Okay und mir Stollenschuhe gekauft. | |
Mis’da Ramounieh: Wir haben Glück, dass unser nationaler Fußballverband | |
bereits sehr engagiert ist – zum Beispiel versuchen sie, Frauenfußball an | |
den Schulen zu etablieren und so auch die ländlichen Gebiete zu erreichen, | |
wo Frauen ohne Erlaubnis ihres Ehemannes oft nicht mal vor die Tür gehen | |
dürfen. Allerdings ist es immer noch sehr schwierig, Sponsoren zu finden. | |
Und unsere Spiele will fast niemand sehen, wir haben kaum Zuschauer. | |
Marcia Diketwane: In Südafrika hatten wir dieses Jahr Diskussionen mit dem | |
Hauptsponsor der Ersten Liga, obwohl unsere Frauenmannschaft sich sogar für | |
Olympia in London qualifiziert hatte. Aber Frauen, die Fußball spielen, | |
gelten in Südafrika als Lesben. Als männlich. Das bringt den Sponsoren bloß | |
negative Aufmerksamkeit. | |
Könnte Homophobie nicht auch ein Grund dafür sein, warum sich für den | |
jordanischen Frauenfußball weder Zuschauer noch Werbekunden finden – weil | |
Fußball spielende Frauen als vermännlicht gelten? | |
Mis’da Ramounieh: Homosexualität ist in Jordanien verboten. Unsere Religion | |
erlaubt es nicht. Das Thema ist ein Tabu, man spricht nicht darüber. | |
Aber auch in Jordanien gibt es Lesben. | |
Mis’da Ramounieh: Ja. Aber man sieht sie nicht und also existieren sie | |
nicht. Mir selbst sind auch noch nie welche aufgefallen. Wir haben da kein | |
Problem mit in der Mannschaft. | |
Marcia Diketwane: In Südafrika ist Homosexualität offiziell erlaubt. Aber | |
viele Mädchen, die verdächtigt werden, lesbisch zu sein, werden getötet – | |
erschossen meistens. Oder vergewaltigt, um sie zu schwängern. Als Strafe. | |
Wer sind die Täter? | |
Marcia Diketwane: Männer. Weil sie denken, dass die Lesben ihnen die | |
schönen Mädchen wegnehmen. Man muss aufpassen, wenn man als Frau mit einem | |
hübschen Mädchen unterwegs ist, dass die Männer nicht denken, man würde | |
sich daten. | |
Frau Diketwane, sind Sie schon mal in Schwierigkeiten geraten, weil jemand | |
dachte, Sie seien lesbisch? | |
Marcia Diketwane: Nein. Aber viele Spielerinnen hier im Team sind lesbisch | |
und haben mich gefragt, ob ich mit ihnen ausgehen will. Es geht nicht, habe | |
ich gesagt, es ist zu gefährlich. Außerdem werden die meisten Lesben | |
sowieso später wieder normal. | |
Sie werden wieder normal? Homosexualität als Krankheit? | |
Marcia Diketwane: Na ja, ich denke, das ist wie ein Virus. Manche sind bloß | |
lesbisch, weil sie vergewaltigt wurden oder schlechte Erfahrungen gemacht | |
haben. Dann lieben sie Frauen und stecken andere damit an, leider. Wobei: | |
die lesbischen Spielerinnen sind übrigens die besseren. (lacht) Die | |
richtigen Mädchen sind alle Heulsusen! | |
Ein Thema, das in Jordanien nicht totgeschwiegen, sondern im Gegenteil | |
heftig diskutiert wurde, war der Hidschab im Frauenfußball. Der | |
Weltfußballverband Fifa hatte 2011 sowohl das jordanische als auch das | |
iranische Team während eines Qualifikationsspiels für Olympia | |
disqualifiziert, weil ein Teil der Spielerinnen Kopftuch trug. | |
Mis’da Ramounieh: Fußball ist für alle. Egal ob man Muslim, Christ oder | |
Jude ist. Alles andere ist Diskriminierung. Und Fußball ist mein Leben. | |
Also habe ich eine Facebook-Seite gegen das Fifa-Verbot gegründet. Wir | |
haben in drei Wochen 86.000 „Likes“ bekommen. Aber dann ist die Seite | |
verschwunden. | |
Verschwunden? | |
Mis’da Ramounieh: Ja, gelöscht. Man weiß nicht, wer es war. Wir haben | |
Facebook-E-Mails geschrieben aber sie haben nie geantwortet. Wir haben | |
versucht, das Thema in der Presse zu halten. Und | |
Women’s-Rights-Organisationen haben uns ebenfalls unterstützt. Es kann | |
nicht sein, dass wir nicht Fußball spielen dürfen, nur weil wir an etwas | |
glauben. Das betrifft auch nicht nur Jordanien, das geht die ganze Welt | |
etwas an. | |
Die Fifa begründete das mittlerweile wieder aufgehobene Hidschab-Verbot mit | |
der Strangulierungsgefahr durch das Tuch. | |
Mis’da Ramounieh: Ich finde es ja schön, dass die Fifa uns beschützen will. | |
Aber ich habe in den zehn Jahren, in denen ich jetzt Fußball spiele, noch | |
nie von einem Mädchen gehört, das sich mit dem Kopftuch dabei verletzt | |
hätte. Ich meine, manche Menschen fallen beim Sport auch einfach so tot um! | |
Alles ist gefährlich. | |
In Südafrika ist Aids eine der größten Gefahren. Laut Unicef sind knapp 18 | |
Prozent der Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren HIV-positiv, und | |
nirgendwo gibt es so viele jährliche Neuinfektionen. Kann Fußball etwas | |
dagegen ausrichten? | |
Marcia Diketwane: Wir bringen den Kindern bei „Girls kickin’ HIV“ auf | |
spielerische Art bei, was HIV ist. Zum Beispiel machen wir ein Fangspiel, | |
bei dem ein Kind das Virus ist und der Fußball ist das Kondom. Wer den Ball | |
hat, den kriegt das Virus nicht. Das macht den Kindern Spaß. Und sie wollen | |
einfach Fußball spielen. So erreichen wir sie. | |
Mis’da Ramounieh: Warum habt ihr eigentlich diese ganzen Probleme mit Aids? | |
Und Drogen, habe ich gehört? | |
Marcia Diketwane: Wir haben keine Schulpflicht in Südafrika. Also hängen | |
die Kinder in den Townships den Großteil ihrer Zeit eben auf der Straße | |
herum. | |
Mis’da Ramounieh: Wo sind ihre Eltern? | |
Marcia Diketwane: Sie arbeiten. Oder sie trinken. Alkohol ist ein großes | |
Problem in den Townships. Oft leben die Kinder auch nur beim Vater, weil | |
die Mutter schon gestorben ist. Und der Vater schläft dann mit anderen | |
Frauen und auch mit den eigenen Kindern. Oder sie werden von jemandem | |
vergewaltigt, der Aids hat. | |
Mis’da Ramounieh: Warum tun sie das, wenn sie doch wissen, wie Aids | |
übertragen wird? | |
Marcia Diketwane: Es geht auch darum, nicht alleine sterben zu müssen. | |
Deshalb infiziert man andere, damit man zusammen stirbt. | |
Mis’da Ramounieh: Das ist schäbig. | |
Jetzt haben wir die ganze Zeit über Homophobie, HIV, Frauenrechte | |
gesprochen – nervt es eigentlich, dass sich die westlichen Medien für Sie | |
als Sportlerinnen oft nur in zweiter Linie interessieren? | |
Marcia Diketwane: Ja, schon. Weil sich so wahrscheinlich nie jemand für den | |
Fußball interessieren wird, den wir spielen. Das Sportliche ist eine Sache, | |
wie wir Kindern Aids erklären, eine andere. | |
Mis’da Ramounieh: Bei uns sorgt der Hidschab für Diskussionen, das war es | |
auch schon. Und vielleicht noch die Sache mit der Heirat. Aber das | |
liberalisiert sich. Uns geht es eher um Sponsoren, um strukturelle Dinge. | |
Die Spielerinnen müssen nebenher Vollzeit arbeiten gehen oder studieren – | |
und es gibt kein Verständnis dafür, wenn man als Frau wegen einem | |
Fußballturnier Fehltage im Job hat. Okay, das ist dann wohl doch auch | |
wieder ein gesellschaftliches Akzeptanzproblem. | |
24 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
## TAGS | |
Zypern | |
Schwul | |
HSV | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kolumne Über Ball und die Welt: Das Schöne und der Markt | |
Am „Cyprus Women’s Cup“ nehmen die besten Frauenfußballnationen der Welt | |
teil. Trotzdem ist die Zukunft des Frauenfußballs fraglich. | |
Gerüchte um russische Fußball-Profis: Schwule Fußballer sind nicht schwul | |
Zwei russische Nationalspieler posten Fotos, die suggerieren, sie seien ein | |
Paar. Nach Beschimpfungen heißt es nun: Alles war nur ein Urlaubsspaß. | |
Ex-Keeper coacht HSV-Damen: „Hammerfortschritte“ dank Rost | |
Der ehemalige Bundesliga-Torwart Frank Rost gibt sein Wissen als Trainer | |
weiter. In der Regionalliga kümmert er sich ums Frauenteam des HSV. | |
Trainingsbesuch beim Frauenrugby: Blume im Haar, Dreck auf der Hose | |
Der FC St. Pauli möchte die erste Mädchenrugbymannschaft des Nordens | |
gründen, aber ausreichend viele Spielerinnen zwischen 14 und 17 Jahren zu | |
finden, ist nicht einfach. | |
EM-Qualifikation der Frauen: Heilfroh aus dem Hinterhalt | |
Nach der mühelosen EM-Qualifikation weiß keiner, wie stark das deutsche | |
Team ist. Für Bundestrainerin Neid sind Schweden und Frankreich die | |
Titel-Favoriten. | |
Frauenfußball bei den Olympischen Spielen: Abseits des Sündenpfuhls | |
Wieder einmal sind die US-Fußballerinnen die großen Favoritinnen auf die | |
Goldmedaille. Das Team ist gut drauf – ihr Sport steckt derweil in einer | |
Krise. | |
Frauenfußball in der Ukraine: Ohne Platz, aber mit Leidenschaft | |
Junge Fußballerinnen von Türkiyemspor Berlin reisen zu einem Turnier in die | |
Ukraine. Dort sind die Bedingungen miserabel, die Leidenschaft ist dafür | |
umso größer. | |
Lesbische Fußballerinnen in der Ukraine: Der Club der Geächteten | |
Im EM-Land Ukraine haben 40 Frauen einen Fußballverein gegründet. Dass sie | |
lesbisch sind, verschweigen sie. Ihr Turnier? Findet im Geheimen statt. |