# taz.de -- Protest: Sie beißen die Zähne zusammen | |
> Am Brandenburger Tor treten 25 Flüchtlinge in Hungerstreik. Sie fordern | |
> bessere Bedingungen für Asylsuchende und warten auf ein Zeichen der | |
> Politik. | |
Bild: Auch in Würzburg, wo im März die Proteste begannen, gab es Hungerstreik… | |
„Flüchtlinge im Hungerstreik“ steht auf dem etwa zehn Meter großen Zelt, | |
das geflüchtete AktivistInnen am Mittwochnachmittag auf dem Pariser Platz | |
aufbauen. 50 Meter vom Brandenburger Tor entfernt, wollen die gut 25 Männer | |
und Frauen fortan nur noch Wasser zu sich nehmen. Ihre Forderungen: ein | |
genereller Abschiebestopp aus Deutschland, die Unterbringung in Wohnungen | |
statt Sammellagern, die Abschaffung der sogenannten Residenzpflicht, die | |
ihren Bewegungsradius stark einschränkt, sowie eine gesicherte | |
Aufenthaltsberechtigung für alle. | |
Hamid M. stammt aus dem Iran, er war lange in einem Flüchtlingslager in | |
Bayern untergebracht. „Wir wollen die Bundesregierung mit unserem | |
Hungerstreik unter Druck setzen“, erklärt er. Wie lange der Protest dauere, | |
hänge von der Regierung ab „und davon, ob sie politischen Selbstmord | |
begehen will“. Den AktivistInnen gehe es um die Probleme aller | |
Asylsuchenden in Deutschland; diese dürfe die Regierung nicht länger | |
ignorieren. Auch die Vorbildfunktion, die Deutschland für ganz Europa habe, | |
sei nicht zu unterschätzen. Hakan Tas, der für die Linkspartei im Berliner | |
Abgeordnetenhaus sitzt, unterstützt die Forderungen: Alle Sondergesetze für | |
Flüchtlinge müssten abgeschafft werden. „Wir brauchen neben der Festung | |
Europa nicht noch eine Festung Deutschland“, sagte er der taz. | |
Schon den ganzen Tag über hatten die Flüchtlinge versucht, mit Aktionen auf | |
sich aufmerksam zu machen. Doch die Polizei hinderte sie am Vormittag | |
daran, am Rande der Eröffnungsveranstaltung des Denkmals für die im | |
Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma im Tiergarten eine | |
Solidaritätskundgebung abzuhalten. Mittags protestierten sie am | |
Brandenburger Tor gegen die Lebensbedingungen von Asylsuchenden. Gegen 16 | |
Uhr bauen dann etwa 100 AktivistInnen inmitten der TouristInnen das Zelt | |
auf, sie hängen Transparente auf und legen Schlafsäcke bereit – zunächst | |
unbeachtet von der Polizei. | |
Die rund 25 Männer und Frauen, die in Hungerstreik treten, sind Teil jener | |
Gruppe geflüchteter AktivistInnen, die seit zweieinhalb Wochen mit einem | |
Protestcamp auf dem Kreuzberger Oranienplatz für bessere Lebensbedingungen | |
von Flüchtlingen in Deutschland kämpft. Die Proteste nahmen ihren Anfang im | |
März im bayerischen Würzburg, nachdem sich ein Asylbewerber das Leben | |
genommen hatte. Den Grund dafür sahen die AktivistInnen in den | |
Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Deutschland. Vom Kreuzberger | |
Protestcamp war vorletzten Samstag die mit mehr als 6.000 TeilnehmerInnen | |
seit Jahren größte Demo für Flüchtlingsrechte in Deutschland ausgegangen. | |
Viele der Regelungen, gegen die sich der Protest richtet, sind im | |
Asylbewerberleistungsgesetz verankert. Dieses wird seit langem von | |
Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen kritisiert. Anfang Oktober | |
haben die Länder Rheinland-Pfalz, Brandenburg und Schleswig-Holstein beim | |
Bundesrat einen Entschließungsantrag zur Abschaffung dieses Gesetzes | |
eingebracht. | |
24 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Nikolai Schreiter | |
## TAGS | |
Flüchtlinge | |
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aus - nun ohne Zelt und weiter ohne Nahrung zu sich zu nehmen. | |
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