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# taz.de -- Keine neuen Leberpatienten mehr: Warteliste geschlossen
> Es gibt weitere Verdachtsfälle auf Datenmanipulation am Münchner Klinikum
> rechts der Isar. Jetzt greift der Wissenschaftsminister greift durch.
Bild: Falsche Aufkleber auf Blutröhrchen von Patienten.
BERLIN taz | Am Münchner Klinikum rechts der Isar werden bis auf weiteres
keine neuen Patienten mehr auf die Warteliste für Lebertransplantationen
aufgenommen. Das teilte der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang
Heubisch (FDP) am Freitag abend mit. Er zog damit Konsequenzen aus dem
Skandal um Manipulationen von Patientendaten, der seit Ende September auch
die Münchner Staatsanwaltschaft beschäftigt und offenbar größer ist als
bislang angenommen: „Die intensiven Prüfungen der vergangenen Wochen und
Monate haben weitere Verdachtsmomente auf Richtlinienverstöße aufgedeckt“,
sagte Heubisch.
Aus diesem Grund habe er dem Klinikum empfohlen, die Lebertransplantationen
ruhen zu lassen. Patienten, die bereits auf der Warteliste stünden,
erhielten bei entsprechendem Angebot aber noch eine Spenderleber. Die
anderen müssen demnach auf andere Zentren ausweichen – ein weiteres
Lebertransplantationsprogramm existiert etwa wenige Kilometer entfernt an
der Universität München. Ob die vorübergehende Schließung der Warteliste
der Anfang vom Ende der Transplantationsmedizin am Klinikum rechts der Isar
ist, mochte eine Ministeriumssprecherin gegenüber der taz weder dementieren
noch bestätigen. „Das ist ergebnisoffen“, sagte sie.
Seit Wochen wird darüber spekuliert, dass die beiden Münchner
Transplantationszentren zusammengelegt werden könnten. Immer wieder hatten
Transplantationsexperten angeführt, dass wachsender wirtschaftlicher Druck
und die Konkurrenz viel zu vieler Zentren um viel zu wenige Organe die
Bereitschaft zur Manipulation begünstige.
Bislang war am Klinikum rechts der Isar die Rede von neun Verdachtsfällen
gewesen, bei denen aufgrund von gefälschten Diagnosedaten und Laborwerten
Patienten bei der Organvergabe bevorzugt worden waren. Die Pressestelle des
Klinikums bestätigte am Freitag, dass „die noch andauernde Prüfung
bedauerlicherweise weitere Verdachtsmomente auf Richtlinienverstöße
ergeben“ habe.
Auf Nachfrage erklärte eine Sprecherin, diese weiteren Verdachtsmomente
gingen über die neun bereits bekannten Fälle hinaus. Es handele sich um
Fälle, die aufgrund einer internen Prüfung durch eine vom Klinikum
eingesetzte Task Force entdeckt worden seien. Um wieviele zusätzliche Fälle
es sich handele, mochte die Sprecherin ebenso wenig sagen wie um die Art
der mutmaßlichen Manipulationen. Die Fälle stammten aus dem Zeitraum
zwischen 2007 und 2011. Eine genauere Eingrenzung mochte sie nicht
vornehmen. Bislang hatte das Klinikum die Jahre 2010 und 2011 genauer
untersucht.
Der Vorsitzende der Überwachungs- und Prüfungskommission bei der
Bundesärztekammer, Hans Lippert, sagte der taz, nach ihrer letzten
Untersuchung habe die Prüfungskommission das Klinikum gebeten, „dass
umfangreicher geprüft“ werde. „Irritationen“, so Lippert, habe es immer
wieder bei Dialysen gegeben, die offenbar gar nicht stattgefunden hätten
sowie bei gefälschten Laborwerten. Er gehe davon aus, dass auch die
weiteren Fälle aus diesem Spektrum stammten. Patienten, die neben einer
kranken Leber an schlechten Nierenwerten leiden und deswegen eine Dialyse
brauchen, haben eine weitaus höhere Chance, zeitnah eine Spenderleber zu
bekommen.
Aus Klinikkreisen verlautete am Freitag, mehrere Manipulationen seien
klinikintern seit Jahren bekannt gewesen, nicht nur dem Ärztlichen Direktor
sowie den Chefärzten der Chirurgie und Gastroenterologie, sondern auch
mehreren Ärzten der Station für Gastroenterologie. Diese hätten den
Hauptverdächtigen für die Manipulationen, den Chirurgen B., der inzwischen
an einem anderen Krankenhaus in Bayern arbeitet, dabei beobachtet, wie er
falsche Aufkleber auf Blutröhrchen von Patienten klebte. Dies hätten sie
ihrem Chefarzt S. gemeldet, der sodann über die Vorfälle
Gedächtnisprotokolle angefertigt habe. S. hatte zuletzt durch eine
Pressemitteilung des Klinikums klarstellen lassen, dass er über die
Existenz seiner Protokolle alle weiteren verantwortlichen Ärzte damals
nicht nur in Kenntnis gesetzt, sondern ihnen die Protokolle auch zum Lesen
angeboten habe.
26 Oct 2012
## AUTOREN
Heike Haarhoff
## TAGS
Organspende
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Transplantation
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