# taz.de -- Zelte für Asylsuchende: Hamburg spielt Flüchtlingswelle | |
> In Hamburg werden Flüchtlinge in Zelten zusammengepfercht. Die Stadt gibt | |
> sich von der Zunahme der Asylbewerberzahlen überrascht. | |
> Flüchtlingsorganisationen wittern eine gezielte Abschreckungsstrategie | |
Bild: Hier wollten wir zeigen, wie Flüchtlinge in Hamburg in Zelten hausen. Ab… | |
HAMBURG taz | Vor einer Woche wurde in Berlin das Denkmal für die im | |
Faschismus ermordeten Sinti und Roma eröffnet. Und was macht Hamburg? Die | |
Innenbehörde hat in Groß Borstel im Norden Hamburgs vier beheizte Zelte | |
aufgestellt, um Asylsuchende in eng aneinander stehenden Etagenfeldbetten | |
unterzubringen. | |
„Wir registrieren einen verstärkten Zulauf aus Serbien und Mazedonien“, | |
sagt der Sprecher der Innenbehörde, Frank Reschreiter. Konkret kamen | |
demnach von 305 Asylbewerbern im September 124 aus den beiden Ländern. | |
Bei der Unterbringung in den Zelten handele es sich um ein | |
„Ausweichquartier“, betont Reschreiter. Die zentrale Erstaufnahmestelle ist | |
derzeit ausgelastet. Demnächst soll die Einrichtung um weitere Räume | |
erweitert werden, die derzeit noch von der Sozialbehörde genutzt werden. | |
Die Innenbehörde habe die Zelte „vorsorglich“ aufgestellt, solange die die | |
Räume noch nicht freigibt, so Reschreiter. | |
Die Hamburger Flüchtlingspolitik steht schon lange in der Kritik. Entgegen | |
anderslautender Versprechen hält der SPD-Senat weiter am umstrittenen | |
Flüchtlingslager im mecklenburgischen Horst mit nun 200 Plätzen fest. Die | |
zentrale Erstaufnahmestelle in Hamburg-Groß Borstel soll auf 250 bis 300 | |
Plätze aufgestockt werden. Darüber hinaus ist die Innenbehörde dabei, | |
weitere Standorte zu prüfen. Dabei setzt sie auf vorübergehende Lösungen. | |
„Wenn wir dauerhaft Kapazitäten schaffen, ist das vielleicht auch nicht | |
sinnvoll“, sagt Reschreiter. | |
Das Bundesamt gibt in diesem Jahr eine Steigerung der Flüchtlingszahlen von | |
rund 25 Prozent an. Demnach haben in Hamburg im laufenden Jahrrund 400 | |
Menschen mehr als im Vorjahr einen Antrag auf Asyl gestellt. Von Januar bis | |
September zählte die Innenbehörde 1.572 Asylbewerber, 2011 waren es im | |
Vergleichszeitraum 1.162. | |
Kritik kommt von der Opposition und den Flüchtlingsorganisationen. „Durch | |
das Aufstellen von Zelten wird der optische Eindruck einer riesigen | |
Flüchtlingswelle erzeugt und so auch Ressentiments gegen Flüchtlinge | |
verstärkt“, sagt Anne Harms von der kirchlichen Hilfsstelle für Flüchtlinge | |
„Fluchtpunkt“. Eine Stadt wie Hamburg müsse nicht wegen der gestiegenen | |
Zahlen Zelte aufstellen. „Vor zwei Jahren haben wir einen Anstieg um knapp | |
50 Prozent ohne Zelte bewältigt“, sagt Harms. Und im Vergleich zu den | |
90er-Jahren lägen die heutigen nur bei etwa zehn Prozent. Das Problem sei | |
„hausgemacht“, denn die aktuelle Entwicklung sei für die Stadt nicht | |
überraschend gekommen. Hamburg habe ungeachtet aller Warnungen | |
Unterbringungsplätze soweit abgebaut, dass Schwankungen kaum mehr | |
aufgefangen werden können. | |
Dafür, dass „ausgerechnet die Roma, denen gegenüber unsere historische | |
Schuld so groß ist, öffentlich verunglimpft und mit unrechtstaatlichen | |
Methoden abgewehrt werden, dafür muss man sich schämen“, sagt Harms. | |
Mit sogenannten Direktverfahren können Flüchtlinge aus Serbien und | |
Mazedonien bereits bei der Einreise ohne Berücksichtigung der Fluchtgründe | |
abgelehnt werden. „Wir haben in der Vergangenheit in vielen Einzelfällen | |
belegen können, dass Anträge von Roma aus Serbien und Montenegro alles | |
andere als unbegründet sind“, betont Harms. Dafür brauche man aber ein | |
reguläres rechtstaatliches Verfahren. | |
Bettina Clemens vom Referat Migration und Flucht des Diakonischen Werks | |
Hamburg sagt: „Die Kirchen haben Räume, in denen man Leute unterbringen | |
kann, die Stadt kommt aber selten auf sie zu.“ | |
Die Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller wertet das Vorgehen der | |
Innenbehörde als „gezieltes Abschreckungsmanöver“. Es gebe in der Stadt | |
etliche leer stehende öffentliche Gebäude. | |
30 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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