# taz.de -- US-Wahl und Wissenschaft: Nur Wahlkampflyrik | |
> Spielen Wissenschaftsthemen im Kampf um das Weiße Haus für Obama oder | |
> seinen Herausforderer Romney eine Rolle? Leider nicht! | |
Bild: Barack Obama zu Besuch bei einem Solarprojekt in Boulder City, Nevada. | |
BERLIN taz | In der Wissenschaftswelt sind die USA weiter führend: Mit drei | |
von sechs gehen auch in diesem Jahr die meisten der naturwissenschaftlichen | |
Nobelpreise an die Vereinigten Staaten. Dagegen spielt das Thema | |
Wissenschaft im jetzt zu Ende gehenden Wahlkampf um das Präsidentenamt in | |
Washington kaum eine Rolle. | |
Weder bei Amtsinhaber Barack Obama noch seinem republikanischen | |
Herausforderer Mitt Romney stehen Forschung und Hochschulen ganz oben auf | |
der künftigen Regierungsagenda für das Weiße Haus. | |
Immerhin hat die Internet-Seite [1][Science Debate] des | |
US-Wissenschaftsjournalisten Shawn Otto die Positionen der beiden | |
Kontrahenten in den letzten Monaten etwas sortieren können. | |
Nach einem Aufruf an die amerikanischen Forscher, welches die wichtigsten | |
Themen für die US-Wissenschaftspolitik sind, wurden aus der Rückmeldung | |
mehrerer tausend Akademiker sowie der führenden Wissenschaftsorganisationen | |
des Landes 14 große Fragestellungen destilliert. | |
## Ausführlich beantwortet | |
Die Palette reicht von Innovation, Klimawandel, Forschung und Zukunft, | |
Seuchen und Biosicherheit, Erziehung, Energie, Ernährung, Trinkwasser, | |
Internet, Meeresschutz, Wissenschaftspolitik, Raumfahrt, natürliche | |
Rohstoffe bis hin zu Impfstoffen und öffentlicher Gesundheit. Die Fragen | |
wurden an Barack Obama und Mitt Romney weitergereicht und von ihnen | |
durchaus ausführlich beantwortet. | |
Zur Rolle des Staates in der Wissenschaft betonte Obama in seiner Antwort | |
die Bedeutung großer Investitionen für Forschungsinfrastrukturen, | |
insbesondere im Bereich der Erneuerbaren Energien. | |
„Wir werden die Forschung weiter so ausstatten, dass unser Land eine | |
globale Führungsrolle behält und Amerika weiter Innovationen hervorbringt, | |
die das Leben der Menschen verbessert“, erklärte Präsident Obama in | |
typischer Wahlkampflyrik. | |
## Staat soll sparen | |
Die Gegenposition von Romney betont, dass der Staat sich nicht weiter | |
verschulden dürfe, weshalb das private Investment in der Forschung gestärkt | |
werden müsse. | |
„Die misslungenen Versuche von Präsident Obama, sich als Venture Capitalist | |
in politisch genehmen Gebieten zu betätigen, haben den amerikanischen | |
Steuerzahler viele Milliarden Dollar gekostet“, feuert Mitt Romney in der | |
Wissenschaftsdebatte zurück. | |
Auch beim Einfluss von wissenschaftlicher Expertise auf politische | |
Entscheidungen lassen sich Unterschiede zwischen den Kandidaten ausmachen. | |
Während Obama die Wissenschaft als „eines der wichtigsten Mittel zur | |
Beeinflussung von Politik“ ansieht, betrachtet sein Herausforderer Romney | |
die öffentliche Meinung als mindestens genauso politikbestimmend wie die | |
Daten der Forscher. Ein Dissens, der sich gerade in den letzten Tagen am | |
Thema Klimaforschung verdeutlicht. | |
## Immer höflich und nett | |
Gleichwohl sind Beobachter über die „Bisslosigkeit“ der Debatte enttäusch… | |
„Es sind wohlklingende und freundliche Fragen, aber keine, die die | |
Kandidaten wirklich herausfordern würden“, [2][bemängelt der Journalist | |
Steven Salzberg in einem Beitrag für das amerikanische Wirtschaftsmagazin | |
Forbes]. | |
Von den beiden großen Wissenschaftsstreitfragen der letzten Jahre – | |
Kreationisten contra Evolutionstheorie und der Siegeszug der Klimaskeptiker | |
in den USA – kommt die Abstammungslehre überhaupt nicht vor, weil es ein | |
Schulthema ist. | |
Für Salzberg eine Fehlentscheidung: „Die USA sind eines der am meisten | |
entwickelten Länder, in der eine signifikante Zahl der Bürger die Evolution | |
nicht akzeptieren und stattdessen einer archaischen religiösen Auffassung | |
folgen, wonach die Erde nur einige tausend Jahre alt ist“, bringt er in | |
Erinnerung. | |
„Hierzu hätten wir gerne die Positionen der Kandidaten erfahren. Immerhin | |
hatte sich Romney in einer früheren Debatte als Darwinist geoutet. | |
## Nur ein Randthema | |
Die Existenz des Klimawandels wird von beiden Anwärtern nicht bezweifelt, | |
allerdings hätte der Republikaner vor politischen Handlungen gerne noch | |
mehr – aufschiebende – Klimaforschung. Was in der Science Debate ein | |
Randthema war, fehlte in den Fernsehdebatten und Townhall-Auftritten der | |
beiden Spitzenpolitiker völlig. | |
Obama wie auch Romney „haben das Thema Klimawandel bewusst aus dem | |
politischen Kampf um das Weiße Haus herausgehalten“, ist dem | |
Bundestagsabgeordneten der Grünen, Hermann E. Ott, aufgefallen. | |
„Klimaschutz gilt bei den US-Wahlstrategen als ein vote loser.“ | |
Wie weiter mit der Raumfahrt? Hier plädierte der Präsidentschaftskandidat | |
Romney für eine Deckelung der Ausgaben, was für Journalist Salzberg der | |
einzige Newswert der gesamten 14 Antworten ist: „Wäre ich Angestellter der | |
Nasa, würde ich mir jetzt Sorgen machen.“ | |
## Fehlende Grundbildung | |
Den geringen Stellenwert der Wissenschaft im US-Wahlkampf führt | |
Hanns-Joachim Neubert, Vorsitzender des deutschen [3][Verbandes von | |
Wissenschaftsjournalisten (Teli]) auch auf die geringe wissenschaftliche | |
Grundbildung in Amerika zurück. | |
„Dass Wissenschaft gesellschaftlich wichtig ist, braucht man in Europa | |
keinem zu erzählen, in den USA schon“, erläutert Neubert. „Wissenschaft i… | |
für die Amerikaner das Gegenstück zur Religion: Man glaubt entweder an | |
einen Gott, oder man glaubt an die Wissenschaft. Und die meisten haben sich | |
für die Religion entschieden, weil deren Antworten so schön leicht | |
verständlich sind“. | |
Neuberts Teli-Gruppe bereitet derzeit eine ähnliche Wissenschaftsdebatte | |
für Deutschland vor, die im Vorfeld der Bundestagswahl im September 2013 | |
stattfinden soll. Über Themen soll auch auf der [4][Bremer Konferenz der | |
deutschen Wissenschaftsjournalisten, „Wissenswerte“], Ende November beraten | |
werden. Als Gast aus den USA wird dort auch Science-Debate-Macher Shawn | |
Otto erwartet. | |
1 Nov 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.sciencedebate.org/ | |
[2] http://www.forbes.com/sites/stevensalzberg/2012/10/08/president-obama-and-r… | |
[3] http://www.teli.de | |
[4] http://www.wissenswerte-bremen.de/ | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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