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# taz.de -- Einkommen von Tagesmüttern: Nur wenig mehr als Hartz IV
> Rund 2.000 Euro verdient Sabine Will als Tagesmutter für fünf Kinder. Von
> dem Geld muss sie alle Betriebskosten zahlen. Da bleibt nicht viel übrig.
Bild: 400 Euro brutto gibt es pro Kind, viel zu wenig zum leben.
HAMBURG taz | Sie hat Schulden, aber sie muss Steuern und Rentenbeiträge
nachzahlen. Dafür muss sie neue Schulden machen. Das ist die Bilanz einer
Frau, die in Hamburg vier Jahre lang als Tagesmutter gearbeitet hat. Jetzt
hat Sabine Will, 51, Konkurs angemeldet.
Als Tagesmutter im Alleinbetrieb kann man nicht existieren, sagt die Frau
mit der Bobfrisur: „Das Risiko der Selbstständigkeit und die geistige und
körperliche Anstrengung sind absolut unterbezahlt.“ Das sieht
Familienministerin Kristina Schröder (CDU) anders. Ihre Kampagne für mehr
Tagesmütter und -väter verspricht „neue berufliche Perspektiven in der
Kindertagespflege“. Damit will sie nicht nur für den Job als Tagesmutter
werben, sondern auch die Kitamisere abmildern, die auf Deutschland zukommt.
Ab kommenden August haben Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz.
Aktuelle Berechnungen des Deutschen Jugendinstituts gehen davon aus, dass
bundesweit 160.000 Eltern ohne Betreuungsplatz dastehen. In Hamburg sind
rund 12 Prozent der Eltern betroffen.
Die Tagesmütter-Kampagne, sagt Sabine Will, ist jedoch „Augenwischerei“:
„Da wird vorgegaukelt, dass das Dasein als Tagesmutter eine Perspektive
ist. Aber das ist gelogen.“ Die frühere Verlagskauffrau rechnet es vor:
429,35 Euro kostete ein 40-Wochenstunden-Platz in ihrer Minikita. Diese
Summe ist festgelegt in der Kindertagespflegeverordnung der Hamburger
Familienbehörde. So teuer ist es für die Eltern aber nicht, sie bekommen
staatliche Zuschüsse. Bei einem Nettomonatsverdienst von beispielsweise
rund 4.000 Euro waren das etwa 135 Euro. Diese wanderten direkt auf das
Konto der Tagesmutter. Die Differenz von 294,35 Euro stellte Sabine Will
den Eltern in Rechnung.
Bis zum Sommer betreute Sabine Will fünf Kinder gleichzeitig, so wie es
erlaubt ist. Um acht Uhr morgens kamen die Kinder, bis nachmittags um vier,
fünf blieben sie. Von den etwas mehr als 2.000 Euro, die so monatlich
zusammenkamen, musste Sabine Will Spielzeug bezahlen, Bücher, Waschzeug,
Essen, Strom, Heizung, Telefon und Steuern.
## Abends waschen, Wochenends putzen
Die Miete für die 2-Zimmer-Wohnung, die sie im bürgerlichen Stadtteil
Winterhude angemietet hatte, konnte sie zwar auf die Eltern umlegen. Eine
Putzfrau, einen Geschirrspüler und eine Waschmaschine in der Kitawohnung
konnte sie sich nicht leisten. „Die Wäsche habe ich abends zu Hause
gewaschen und am Wochenende in der Kita die Fenster geputzt und die Böden
gewischt“, sagt Sabine Will. Ihr Durchschnittsnettoverdienst pro Monat:
1.100 Euro. Davon gingen noch Rente und Krankenversicherung ab. Sie sagt:
„Runtergerechnet bedeutet das Hartz-IV-Niveau.“ Sie machte einmal im Jahr
Urlaub, eine Woche, krank werden durfte sie nicht.
Nach einer Tabelle des Bundesverbandes für Kindertagespflege sind die
Vergütungssätze für die staatlich geförderte Tagespflege in Hamburg im
bundesweiten Vergleich besonders niedrig. Sabine Will bekam zudem
Konkurrenz durch den staatlichen Kitaausbau. In ihrem Kiez haben kürzlich
gleich drei neue Kitas aufgemacht. „Eltern haben ihre Kinder von einem Tag
zum anderen bei mir ab- und in einer Kita angemeldet“, sagt sie. Das haben
andere Tagesmütter auch erlebt – und blieben auf den Rechnungen sitzen.
„Ich bin mit Elan und Enthusiasmus gestartet“, sagt Sabine Will. Sie hat
den Ausbildungskurs und die dazugehörende Prüfung abgelegt und den Kredit
für Möbel, Geschirr, Wäsche und Kaution für die Kitaräume aufgenommen.
„Aber ich gebe auf mit der Erkenntnis, dass Tagespflege Selbstausbeutung
ist, die jetzt staatlich empfohlen wird.“
1 Nov 2012
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Tagesmütter
Kinderbetreuung
Schwerpunkt Armut
Kitaausbau
Investment
Kitaausbau
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