# taz.de -- Kommentar Strafgerichtshof in Den Haag: Weniger wäre mehr | |
> Die Ermittler des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag | |
> überschätzen sich selbst. Nur über Geld zu reden hilft da nicht. | |
Der Internationale Strafgerichtshof nimmt seine Arbeit ernst. Er steckt | |
seine Nase überall auf der Welt dort hinein, wo Kriegsverbrechen begangen | |
werden. Zwar stehen bis heute ausschließlich Kongolesen in Den Haag vor | |
Gericht, und Laurent Gbagbo, ehemaliger Präsident der Elfenbeinküste, ist | |
der bislang einzige nichtkongolesische Häftling in IStGH-Gewahrsam – eine | |
magere Bilanz nach 10 Jahren; aber die Ermittler wollen hoch hinaus: nach | |
Mali, nach Nigeria, am liebsten auch nach Kolumbien und Afghanistan, sogar | |
Nordkorea. | |
Das ist ehrenhaft, aber zugleich eine heillose Selbstüberschätzung. Ein | |
Gerichtshof, der noch kein einziges rechtskräftiges Urteil gefällt hat, | |
sollte sich auf die gründliche und reibungslose Abwicklung seiner | |
bestehenden Fälle konzentrieren, bevor er immer neue annimmt. Selbst ein | |
auf das Dreifache vergrößerter Justizapparat in Den Haag könnte nicht die | |
schwersten Verbrechen von 15 Krisenstaaten weltweit aufarbeiten. | |
Es droht eine Lähmung: Die neuen Fälle werden mangels Ermittlerkapazitäten | |
nicht formal eröffnet, die alten werden mangels juristischer Kapazitäten | |
nicht formal abgeschlossen. Das nützt niemandem, am allerwenigsten den | |
Opfern von Verbrechen, um die es ja letztendlich geht. Der Sinn des IStGH | |
liegt darin, Straflosigkeit zu beenden, nicht sie zu verewigen. | |
Schon bei den laufenden Kongo-Verfahren ist zu erkennen, dass den | |
Kongolesen mit einer umfassenden juristischen Aufarbeitung ihrer Konflikte | |
im Land selbst möglicherweise besser gedient wäre als mit langwierigen, | |
schwer verständlichen Verfahren in den Niederlanden. Bei den anstehenden | |
Verhandlungen um eine Aufstockung des IStGH-Budgets sollte also nicht nur | |
über Geld gesprochen werden. Es geht auch um das Selbstverständnis eines | |
Weltgerichts, dessen Anspruch die Realität sprengt. | |
15 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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