# taz.de -- taz stellt Strafanzeige gegen DSO-Chef: Falschaussage an Eides stat… | |
> taz stellt Strafanzeige gegen Günter Kirste, Chef der Deutschen Stiftung | |
> Organtransplantation (DSO), sowie gegen einen weiteren Mitarbeiter der | |
> DSO wegen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung. | |
Bild: DSO-Chef Günter Kirste. | |
BERLIN taz | Ende November 2005 wird ein Mann mit schweren Verletzungen in | |
die Uniklinik Düsseldorf eingeliefert; die Ärzte können ihn nicht ins Leben | |
zurückholen: Hirntod, diagnostizieren sie am 8. Dezember. Die Angehörigen | |
willigen ein, der Tote soll Organspender werden. Doch als die Entnahme von | |
Nieren, Herz und Leber beginnen soll, liegen die Hirntodprotokolle – | |
zwingend vorgeschriebene Papiere, die die gesetzestreue Durchführung | |
vorausgegangener Untersuchungen durch mehrere Ärzte dokumentieren – nicht | |
vollzählig vor: Ein Protokoll fehlt. | |
Eine Organentnahme ist unter diesen Umständen unzulässig. Das | |
Transplantationsgesetz verlangt den vollständigen Nachweis der Diagnostik. | |
In Düsseldorf werden die Organe dennoch entnommen. Informiert hierüber wird | |
auch der oberste Chef der Organspende: Günter Kirste, damals wie heute | |
Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). | |
Der Fall hat DSO-intern wie öffentlich für Furore gesorgt – auch deswegen, | |
weil der Eindruck entstehen konnte, die DSO habe wenig Interesse an | |
Aufklärung: Sie schaltete weder die Staatsanwaltschaft ein, noch ließ sie | |
die Öffentlichkeit teilhaben an den Inhalten eines ihr bekannten, bis | |
vorige Woche unter Verschluss gehaltenen Berichts zu dem Fall der | |
zuständigen Überwachungskommission bei der Bundesärztekammer aus dem Jahr | |
2010. | |
Die DSO ist nicht irgendeine Organisation: Sie verantwortet die | |
Koordinierung und Durchführung sämtlicher postmortaler Organspenden in | |
Deutschland und damit einen Bereich, der wie kaum ein anderer von | |
Transparenz und Vertrauen lebt. | |
Die taz berichtete über den Düsseldorfer Hirntoddiagnostik-Fall Anfang Mai | |
2012. Damals waren die Debatten über die Reform des | |
Transplantationsgesetzes auf ihrem Höhepunkt, ebenso die Vorwürfe gegen den | |
DSO-Vorstand wegen Misswirtschaft und Führungsstil nach Gutsherrenart. | |
Gegen zwei Passagen aus dem taz-Artikel erwirkte die DSO vor dem | |
Landgericht Frankfurt im Juni 2012 eine einstweilige Verfügung. | |
In dem andauernden presserechtlichen Streit vor dem Landgericht Frankfurt | |
geht es unter anderem um die Frage, zu welcher Uhrzeit einer kritischen | |
DSO-Mitarbeiterin gekündigt wurde (die Kündigung selbst ist unbestritten), | |
und darum, ob bei der Hirntoddiagnostik das vierte Protokoll fehlte, wie | |
Kirste behauptet, oder ob das zweite Protokoll (gemeint ist das zweite | |
Protokoll der zweiten Untersuchung) fehlte, wie die taz geschrieben hatte. | |
Inhaltlich läuft dies auf dasselbe hinaus: Die Hirntodprotokolle waren | |
unvollzählig. Und dies wiederum entsprach nicht der Dokumentationspflicht | |
des Hirntods nach den Richtlinien der Bundesärztekammer als unerlässliche | |
Voraussetzung für eine Organentnahme. | |
Vorige Woche nun verschickte die Bundesärztekammer nach monatelangen | |
Presseanfragen den Bericht der Überwachungskommission zu dem Fall an | |
interessierte Journalisten. Die darin enthaltenen Feststellungen widerlegen | |
mehrere Aussagen, die Günter Kirste zuvor in dem presserechtlichen | |
Verfahren gegen die taz eidesstattlich versichert hatte. Der | |
taz-Rechtsanwalt Johannes Eisenberg hat deswegen Anfang dieser Woche | |
Strafanzeige gegen Günter Kirste und den damals in Düsseldorf tätigen | |
DSO-Koordinator erstattet wegen Abgabe einer falschen Versicherung an Eides | |
statt. | |
Kirste hatte eidesstattlich versichert, es hätten „alle vier Untersuchungen | |
stattgefunden“, und der Koordinator habe „auch alle vier Protokolle | |
gesehen“. Der Kommissionsbericht dagegen bezweifelt, ob wirklich alle | |
vorgeschriebenen Untersuchungen stattgefunden haben: „Ob die Verlaufs- | |
ebenso wie die Erstuntersuchung durch zwei Ärzte durchgeführt wurde, ist | |
ungewiss. (…) Die Bemühungen der Kommission um das eine fehlende Protokoll | |
der Verlaufsuntersuchung und um die Klärung der damit zusammenhängenden | |
Frage, ob auch sie durch einen zweiten Arzt richtlinienkonform ausgeführt | |
worden ist, blieben erfolglos.“ Und: „Die Angabe des Koordinators, er habe | |
vor dem Eingriff darauf hingewiesen, dass das eine Protokoll fehle, er es | |
aber gesehen habe, wurde von keinem der drei die Entnahme (…) leitenden | |
Chirurgen bestätigt.“ Kirste hat das Landgericht auf diese Zweifel in | |
seiner eidesstattlichen Versicherung nicht hingewiesen. | |
An der Glaubwürdigkeit des Koordinators und seiner Aussage, das fehlende | |
Protokoll habe zunächst existiert, sei dann aber nicht auffindbar gewesen, | |
meldet der Bericht Zweifel an: „Vielmehr ist sie nach den dargelegten | |
Beurteilungsmöglichkeiten der Kommission unwahrscheinlich in dem Sinn, dass | |
mehr und Wichtigeres dagegen als dafür spricht.“ | |
Der Bericht widerlegt ebenfalls die Aussage Kirstes, das Protokoll sei | |
„lediglich bei der Entnahme selbst (…) nicht mehr auffindbar“ gewesen. | |
Tatsächlich ist es bis zum Zeitpunkt der Erstellung des Berichts der | |
Ärztekammer im Jahr 2010 nicht wiederaufgetaucht. Der Bericht stellt | |
überdies fest, es sei „ungewiss“, „ob die (…) Hirntod-Feststellung | |
vollständig den (…) verbindlichen Richtlinien (…) entsprochen hat“. | |
Gelogen habe Günter Kirste auch, so Rechtsanwalt Eisenberg, indem er | |
eidesstattlich versichert habe: „Es gibt meines Wissens keine ausdrückliche | |
Regelung, dass bei der Entnahme beide bzw. alle vier Protokolle vorliegen | |
müssen.“ Genau das jedoch ist nach den entsprechenden Richtlinien der | |
Bundesärztekammer – die nach dem Transplantationsgesetz verbindlich sind – | |
zwingend vorgeschrieben. | |
Eisenberg begründet seine Strafanzeige so: „Kirste und N. (dem zuständigen | |
DSO-Koordinator, Name ist der Red. bekannt) war dieser Bericht bekannt, sie | |
haben die in diesem Bericht ermittelten Tatsachen dem Landgericht | |
Frankfurt/Main in ihren eidesstattlichen Versicherungen vorenthalten.“ | |
15 Nov 2012 | |
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