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# taz.de -- Kolumne Männer: Post von Lohre
> Sie nötigen mich zum Verfassen eines vermeintlich offenen, emotionalen
> Briefs. Warum sind Frauen das „begabtere Geschlecht“, Herr Trittin?
Bild: Lieber Herr Trittin, bislang hielt ich Sie für sehr klug.
Lieber Jürgen Trittin,
das Folgende tut mir mehr weh als Ihnen. Aber Sie lassen mir keine Wahl.
Sie nötigen mich zum Verfassen eines vermeintlich offenen, emotionalen
Briefs. Damit begebe ich mich formal in die Nähe des Bild-Maskottchens
Franz-Josef Wagner. Franz-Josef Wagner! Und das kommt so:
In der Bundestagsdebatte über das Betreuungsgeld am 9. 11. riefen Sie in
Richtung der Regierungskoalition:
„Es herrscht in Deutschland Fachkräftemangel. Was tun Sie? Sie schaffen
einen ökonomischen Anreiz, gut ausgebildete Frauen vom Arbeitsmarkt
fernzuhalten. Mädchen sind besser in der Schule.“ (Claudia Roth: „Ja!“)
„Frauen haben die besseren Abschlüsse.“ (Claudia Roth: „Ja!“) „Die
Merkel-Koalition will, dass diese Frauen zu Hause bleiben. Sie, Frau
Merkel, wollen doch den Skandal fortsetzen: Sie wollen, dass das begabtere
Geschlecht weiterhin ein Viertel weniger verdient als wir Männer. Das ist
fatal.“
Kurz darauf stand eine Frau mit kurzem, graubraunem Haar auf und bat, eine
Zwischenfrage stellen zu dürfen. Kathrin Vogler, 49, ist von der Linken und
Friedensaktivistin. Vogler fragte:
„Herr Trittin, Sie haben mich und meine Geschlechtsgenossinnen unumwunden
als das begabtere Geschlecht bezeichnet. Ich wüsste sehr gerne, welchen
Begabungsbegriff Sie zugrunde legen und ob Sie Männer tatsächlich für
weniger lern- und bildungsfähig halten als Frauen und Mädchen.“
Trittin antwortete: „Liebe Kollegin, der Empirie, die ich hier zitiert
habe, muss man sich stellen. Die Wahrheit ist, dass im statistischen
Durchschnitt junge Mädchen besser in der Schule sind als Jungen, dass sie
die besseren Schulabschlüsse und auch die besseren Universitätsabschlüsse
haben.“ (Claudia Roth: „Genau!“)
Lieber Herr Trittin, bislang hielt ich Sie für sehr klug. Aber warum leiten
Sie aus der Zustandsbeschreibung einer Gesellschaft Aussagen über die
Potenziale eines ganzen Geschlechts ab? Vor sechzig Jahren waren
Abiturientinnen und Studentinnen hierzulande eine Ausnahme. Hätten Sie
damals auch gesagt: „Der Empirie muss man sich stellen. Männer sind das
begabtere Geschlecht“? Wenn ja: Was hat sich seither verändert? Etwa die
Potenziale von Frauen und Männern? Oder doch der gesellschaftliche Umgang
mit ihnen? Sexismus ist auch dann Unfug, wenn er gegen Männer gerichtet
ist. Vielleicht habe ich mich ja geirrt, und Sie sind gar nicht so klug.
Schließlich sind Sie bloß ein Mann.
Was mich aber wirklich ärgert, ist etwas anderes. Nach einigem Hin und Her
meldete sich Bundestagspräsident Norbert Lammert zu Wort. Der 64-jährige
CDU-Mann ist in Sachen Humor bislang vor allem dadurch aufgefallen, dass er
sich selbst jede Menge davon zuschreibt. Lammert sagte:
„Herr Kollege Trittin, vielleicht können wir uns darauf verständigen, dass
es einzelne Männer gibt, die das durchschnittliche Begabungsprofil von
Frauen erreichen?“
Da, lieber Herr Trittin, musste ich lachen. Über einen Scherz von Norbert
Lammert. Norbert Lammert! Also, das nehme ich Ihnen wirklich übel.
21 Nov 2012
## AUTOREN
Matthias Lohre
## TAGS
Trittin
Frauen
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Glück
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