# taz.de -- Konservative in Frankreich: Groteskes Spektakel | |
> In einem entwürdigenden Schauspiel erlebt Frankreich den Kampf um die | |
> Führung der UMP. Es ist zugleich das Ende des politischen Gaullismus. | |
Bild: Freundschaftliche Gesten zwischen den beiden Rivalen um den Parteivorsitz… | |
PARIS taz | Wie erwartet hat die „Rekurskommission“ der konservativen UMP | |
(Union pour un Mouvement Populaire) den von der Wahlkommission bereits | |
veröffentlichten Sieg von Jean-François Copé um den Parteivorsitz | |
bestätigt. Um zu diesem Ergebnis zu kommen, hat diese laut Kontrahent | |
Fillon von Copé-Anhängern dominierte Instanz die Wahlen in Nizza und | |
Neukaledonien für ungültig erklärt. Fillon sprach dagegen von „Fälschungen | |
auf industriellem Niveau“ durch das Lager von Copé. Er hat Klage | |
eingereicht und will die gesamten Wahlen für ungültig erklären lassen. | |
Der bisherige UMP-Schatzmeister trat unter Protest zurück, er schildert im | |
Detail, wie Copé einseitig den Apparat der Partei für seine Kampagne | |
benutzt habe. Der Verantwortliche für die Datenbanken habe sich geweigert, | |
die Adresslisten einseitig den Mitarbeitern Copés auszuhändigen, er sei | |
deswegen zwei Tage vor den Wahl fristlos entlassen worden. | |
Sarkozy scheint sich trotz Kontakten mit Copé und einem Essen mit Fillon | |
nicht in den Streit eingemischt zu haben. In der UMP zirkulieren | |
Petitionen, eine fordert die Rückkehr von Sarkozy an die Parteispitze, eine | |
andere wünschen Neuwahlen. | |
Ausgelöst wurde der erbitterte Machtkampf vor einer Woche, als Copé nach | |
der Urabstimmung mit hauchdünner Mehrheit zum Sieger erklärt wurde. | |
Allerdings waren mehrere Wahlurnen aus den Überseedepartements nicht | |
berücksichtigt worden. Mit denen hätte wohl Fillon gewonnen. Nach einer | |
Umfrage befürworten jetzt 67 Prozent der UMP-Anhänger eine Wiederholung der | |
Urwahl. | |
Sogar den Sympathisanten der Linksregierung ist die Schadenfreude über das | |
groteske Spektakel ihrer Gegner vergangen. Dass eine Rechtspartei in dieser | |
Weise die parlamentarische Demokratie diskreditiert, wirkt wie ein Symptom | |
einer breiten Demoralisierung in der Gesellschaft. Die Krise der UMP nützt | |
nicht nur der zentrumsdemokratischen UDI von Jean-Louis Borloo, der für die | |
abtrünnigen UMP-Mitglieder eine Auffangstruktur gebildet hat. Auch der | |
rechtsextreme Front National von Marine Le Pen darf sich bereits zu den | |
Profiteuren des Gerangels bei der UMP zählen. | |
## Den Streithähnen den „Hintern versohlen“ | |
„Seit einer Woche 600 Neumitglieder pro Tag“, prahlte FN-Sprecher Florian | |
Philippot im Fernsehen. Nicht in ihren schlimmsten politischen Albträumen | |
hätten sich die französischen Bürgerlichen vorgestellt, dass ihre Familie | |
einmal wegen der persönlichen Machtgier so tief sinken würde. Mehr denn je | |
fühlen sie sich seit Nicolas Sarkozys abruptem Abgang als politische | |
„Waisen“. Dass ausgerechnet Sarkozy seine Partei jetzt aus dem Schlamassel | |
retten kann oder wird, erscheint aber mehr als fraglich. | |
Natürlich hält er sich selber für unersetzbar und keinen der beiden | |
Kontrahenten seiner Nachfolge würdig. Viele in der UMP denken nach dem | |
Misserfolg des Vermittlers Juppé, nur der Exstaatspräsident habe genügend | |
Autorität, um ein Machtwort zu sprechen oder den beiden Streithähnen Fillon | |
und Copé ins Gewissen zu reden. In Le Figaro wünscht sich ein empörtes | |
UMP-Mitglied im Namen vieler Parteikollegen, Sarkozy solle den beiden „den | |
Hintern versohlen“. | |
## Ein Vakuum entsteht | |
Eine andere Frage ist es, ob Sarkozy sich wirklich einmischen will. Er hat | |
sich bisher gehütet, klar Stellung zu nehmen. Er versucht sich mit | |
diskreten Mahnungen (per Telefon für Copé, für Fillon bei einem Essen) zur | |
Besonnenheit und Verantwortung aus der Affäre zu ziehen. Seine engsten | |
Berater meinen aber, es sei viel zu früh für ein „Comeback“. Wenn er sich | |
jetzt schon aus der Reserve locken lasse, vergebe er die Chance, sich kurz | |
vor 2017 als einzige Alternative des bürgerlichen Lagers zu Hilfe rufen zu | |
lassen. | |
Diese vorsichtige Zurückhaltung vergrößert aber nur noch das Vakuum an der | |
Spitze des bürgerlichen Lagers und die Existenzgefahr für die UMP. Die | |
gegenwärtige Krise beweist, dass die UMP ein künstliches Gebilde ist. Sie | |
war 2002 von Juppé als Hausmacht und als bürgerliche „Einheitspartei“ für | |
Präsident Jacques Chirac konzipiert worden. | |
Ohne unbestrittenen Chef kann sie nicht existieren. Das ist auch eine | |
Charakteristik der gaullistischen Bewegung, die den Kern der UMP bildet. | |
Was Frankreich darum live miterlebt, ist nicht nur die Implosion einer | |
Partei, auf die sich auch Sarkozy gestützt hat, sondern das definitive Ende | |
der politischen Epoche des Gaullismus. | |
26 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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