# taz.de -- Kommentar Union und Homo-Ehe: Mehr als eine Szenedebatte | |
> In der Union kämpfen nur einige wenige für die Gleichstellung | |
> homosexueller Paare. Der Antrag droht beim CDU-Parteitag zu scheitern. | |
Es ist noch nicht lange her, da kratzten sich CDU-Strategen am Kopf und | |
grübelten einmal mehr über der Frage, warum sie eine Großstadt nach der | |
anderen verlieren. Stuttgart, Hamburg, Frankfurt am Main – die Liste lässt | |
sich beliebig verlängern. Und sie belegt, dass die Union am Lebensgefühl | |
städtischer Milieus vorbeinavigiert. Warum ist das so? Der aktuelle Streit | |
in der CDU über die steuerrechtliche Gleichstellung schwuler und lesbischer | |
Paare liefert ein paar wertvolle Hinweise. | |
Kanzlerin Angela Merkel und führende Politiker wie Wolfgang Schäuble haben | |
sich auf eine anachronistische Position festgelegt. Sie verweigern Schwulen | |
und Lesben die Vorteile des Ehegattensplittings und dulden eine unhaltbare | |
Ungleichbehandlung. Und sie nehmen billigend in Kauf, vom | |
Bundesverfassungsgericht schon bald zu einer Kurskorrektur gezwungen zu | |
werden. | |
Ihr Kalkül ist dabei klar: Die wenigen verbliebenen Konservativen, die die | |
Merkel’sche Modernisierung der CDU zutiefst frustriert, dürfen sich | |
wenigstens auf einem letzten Kriegsschauplatz sicher fühlen. Gleiche Rechte | |
für Schwule und Lesben? Niemals! Diese Volte Merkels ist keine Petitesse. | |
Denn sie opfert die Rechte einer Gruppe von Menschen der innerparteilichen | |
Befriedung. | |
Dahinter dürfte sich auch die strategische Überlegung verbergen, dass die | |
homosexuelle Szene sowieso nicht CDU wählt – und somit ruhig verprellt | |
werden darf. Dies allerdings ist ein Trugschluss. Wer Schwule und Lesben | |
ihnen zustehende Rechte aberkennt, provoziert im Jahr 2012 keine | |
Szenedebatte mehr. Sondern er gibt ein Statement ab, das bürgerliche | |
Milieus in der Mitte zutiefst irritiert. Und solch angeblich weiche | |
Gesellschaftspolitik ist längst ein hartes Thema, zumal – dank Merkel – die | |
Positionen zwischen den Parteien auf anderen Feldern zunehmend verwischen, | |
siehe Energiewende oder Mindestlohn. | |
Für Großstädter, die zwischen Altbauwohnung und Biomarkt gelassen die | |
Vielfalt der Urbanität genießen, sind Homosexuelle schon lange keine | |
Menschen zweiter Klasse mehr. Sondern Kollegen, Freunde oder Partner. Für | |
die allermeisten Kleinstädter und Dörfler übrigens auch. Die CDU hinkt mit | |
ihrer Haltung dem Bewusstsein der Republik Jahrzehnte hinterher. | |
Merkels Befürchtung, durch einen Kurswechsel am rechten Rand oder in der | |
Provinz Wähler zu verlieren, ist also hinfällig. Und, das aber nur am | |
Rande: Wen würden die paar enttäuschte Erzkonservativen denn sonst wählen, | |
wenn nicht CDU? | |
Für SPD und Grüne ist die Verweigerungshaltung der Christdemokraten eine | |
dankbare Vorlage. Wenn der CDU-Parteitag nächste Woche den | |
Gleichstellungsantrag weniger Aufrechter ablehnt, womit zu rechnen ist, | |
haben sie ein echtes Wahlkampfthema in der Hand – welches durch ein Urteil | |
des Verfassungsgerichts 2013 noch eskalieren wird. | |
Einen größeren Gefallen könnte die Kanzlerin ihren Gegnern, die im Moment | |
verzweifelt nach innenpolitischen Themen suchen, nicht tun. | |
30 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
Ulrich Schulte | |
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