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# taz.de -- Architektur-Ausstellung in München: Die Söhne der Mutter aller K�…
> Von den Baumeistern des alten Ägyptens bis heute: Das Münchner
> Architekturmuseum zeigt eine unpathetische Hommage an einen Berufsstand.
Bild: Wilhelm von Kaulbach: Die von König Ludwig I. mit der Ausführung monume…
Souverän und majestätisch blickt die Würfelstatue des Bekenchon den
Betrachter am Eingang der Ausstellung an. Der hohe geistliche Würdenträger
aus der Zeit Ramses II. hatte die Bauleitung eines Tempelneubaus inne. Auf
der auf 1320 vor Christus datierten Statue findet sich ein langer
Hieroglyphentext, der Bekenchons Selbstverständnis beschreibt: „Fürst und
Edler, Baumeister an allen Denkmälern“. Neben den Dichtern verkörpern die
Baumeister den Typus des altägyptischen Kulturträgers.
Der Münchner Architekturhistoriker und Gründungsdirektor des
Architekturmuseums der Technischen Universität München, Winfried Nerdinger,
verabschiedet sich von seinem Posten also mit einer Ausstellung, die einen
wahrhaft enzyklopädischen Anspruch erhebt: Mit „Der Architekt – Geschichte
und Gegenwart eines Berufsstandes“ holt der nun emeritierte Professor für
Architekturgeschichte zum ultimativen Rundumblick aus – um nicht weniger
als Geschichte, Entwicklung und Probleme des Architektenberufs vom alten
Ägypten bis heute soll es gehen.
Tatsächlich gilt es, eine Lücke zu füllen. Die konkrete Arbeit von
Architekten, ihre jeweilige gesellschaftliche Position in unterschiedlichen
Kulturen und Ländern ist bislang eigentlich nur Spezialisten bekannt, ein
wissenschaftlich fundierter Überblick fehlt. Nun kann der Besucher durch
die dreigeteilte Schau flanieren und sich im begleitenden zweibändigen
Katalog mit mehr als 800 Seiten in die Einzelheiten vertiefen.
Nerdinger und sein Team wagen einen Parforceritt durch die Historie und
riskieren dabei, zu sehr an der Oberfläche zu bleiben: Wenn neben dem Alten
Ägypten, Mesopotamien, neben griechischer und römischer Antike,
Mittelalter, Renaissance und Barock auch noch das 19., 20. und 21.
Jahrhundert durcheilt werden, sind jeweils nur Skizzen möglich.
## Sanft zum Innehalten verführt
Allerdings wird der Betrachter durch faszinierende bibliografische,
zeichnerische und malerische Einzelstücke immer wieder sanft zum Innehalten
verführt: So zeigt das großformatige Barockgemälde „Die Gründung des Hôt…
royal des Invalides 1674 durch Ludwig XIV.“ von Pierre Dulin etwa den
Architektenplan zu Füßen des Auftraggebers, was den Bauherren als
eigentlichen Autor des Bauwerks hervor-, den Architekten hingegen
zurücktreten lässt.
In Le Corbusiers gerahmter, mehrfarbiger, fast surrealer Collage aus dem
Jahr 1960 reichen sich der Ingenieur und der Architekt die Hand: ein
Hinweis auf die durch die Technisierung des Bauwesens im 20. Jahrhundert
fortgeschrittene Ablösung bisher angestammter Berufsfelder des Architekten,
der zum Oberflächendesigner degradiert wird.
Nerdingers vom Mythos inspirierte und an eine Wand geschriebene
Kurztypologie des Architekten verzeichnet zwar unter anderen neben dem
„Erfinderischen“, dem „Vielseitigen“ und dem „Harmoniker“ auch den
„Skrupellosen“, der seine Seele verkauft, „um bauen zu können, ganz glei…
ob es sich beim Bauherren um einen Diktator oder Verbrecher handelt“.
## Es fehlen die bösen Architekten
In der Ausstellung dominieren jedoch die guten und edlen Vertreter ihrer
Zunft, es fehlen die „bösen“ – und „schlechten“ – Architekten und …
Taten, bis auf das Selbstporträt von Harald Giesler, der Nummer zwei in
Hitlers Architektenriege nach Albert Speer, das ihn als kalten,
unpolitischen Akteur unter dem Titel „Lex mihi ars“ (Die Kunst sei mir
Gesetz) zeigt.
Obwohl der Besucher erfährt, dass 2010 in Italien unter 145.000 Architekten
42.000 Frauen zu finden waren und in Deutschland unter 100.000 21.000
Architektinnen, wird der Gender-Aspekt in einer Ausstellung über die
„Mutter aller Künste“ dann vollständig ausgeblendet. Der zweite Bereich d…
Ausstellung, zum Verhältnis der Architekten zu Film, Musik und Theater,
bleibt ohne große Entdeckungen, weil es an der Ausarbeitung des Themas
fehlt.
So ist es zwar an sich interessant zu erfahren, dass sich der Architekt
Steven Holl in seinem Entwurf für ein Haus in Dallas von musikalischen
Strukturen Béla Bartóks hat inspirieren lassen und dass umgekehrt der
Komponist Luigi Nono aus der Architektur Carlo Scarpas eine Komposition
entwickelte. Nur lässt sich eine derart komplexe Wechselbeziehung eben
leider auf die Schnelle nicht eigentlich zeigen und bleibt daher mehr
Behauptung.
## Der Digital Native staunt in der Wunderkammer
Vielleicht der Höhepunkt der Ausstellung ist dann der Werkstattbereich des
Architekten: eine Wunderkammer, in der die Entwicklung der
Architekturzeichnung seit der Antike ebenso zu bestaunen ist wie die
Vielfalt von Architekturmodellen. Die Digital Natives staunen über die
Exaktheit und Komplexität manch handgemachter Entwürfe. Und beim Betrachten
der Arbeits-, Lehr- und Wettbewerbsmodelle namhafter Architektenbüros
kommen nicht nur anspruchsvollen Bastel-Nerds Tränen in die Augen.
Nerdingers Intention ist es laut eigener Aussage, in seiner
Abschiedsausstellung „Architektenarchitektur“ zu präsentieren, womit er
wohl meint, hinter die Fassaden zu schauen und eben auch nach Techniken und
Materialien zu fragen – die „Kunsthistorikerarchitektur“, also unter
anderem Stilfragen und die Analyse von Motivwanderungen, sagt er mit einem
Lächeln, wolle er anderen überlassen.
Was ihm gelingt, ist eine bemerkenswert unpathetische Hommage an einen
Berufsstand, dessen Selbstverständnis sich nie darauf reduziert hat, bloß
Oberflächengestalter hervorzubringen. Hinter die Fassaden des Umgangs mit
der Vergangenheit blicken muss Nerdinger in seinem neuen Job als
Gründungsdirektor des NS-Dokumentationszentrums in München, das 2014
eröffnet werden soll. Da ist ein Baumeister einer kritischen
Erinnerungskultur gefragt.
## „Der Architekt – Geschichte und Gegenwart eines Berufsstandes“ Bis 3.
Februar 2013, Pinakothek der Moderne, München. Katalog (Prestel Verlag): 2
Bände, 76 bzw. 98 Euro
4 Dec 2012
## AUTOREN
K. Erik Franzen
## TAGS
Architektur
Ausstellung
München
Schwerpunkt Türkei
Architektur
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