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# taz.de -- Architektur und Film: Das Haus und die Heimat
> Nüchternes Bauhaus und orientalisches Ornament. Die Münchner Pinakothek
> präsentiert die Ausstellung "Munio Weinraub, Amos Gitai - Architektur und
> Film in Israel".
Bild: Amos Gitai mit dem Ehrenleoparden auf dem Filmfestival Locarno im August …
Wenn Architektur in populären Medien oder Ausstellungshäusern vorgestellt
wird, beschränkt sich der Blick meist auf aktuell fertiggestellte,
möglichst spektakuläre Bauformen, gerne auf solche global operierender
Architektenstars. Diffizilere Facetten der Architekturreflexion werden
einer Handvoll Museen und Sammlungen mit entsprechendem Auftrag überlassen.
Das Architekturmuseum der TU München hat nun mit der Doppelausstellung
"Munio Weinraub und Amos Gitai - Architektur und Film in Israel" einen
interdisziplinären Rahmen gesteckt, der die gern verdrängte politische
Dimension jeden künstlerischen Arbeitens, also auch des architektonischen,
anreißt: Da ist zum einen das Lebenswerk von Munio Weinraub (1909 bis
1970), hebräisiert zu Gitai, der ein führender Architekt im zionistischen
Neuen Bauen in Israel war, das unter bester Bauhausprägung stand. Zum
anderen ist da sein Sohn Amos Gitai (geboren 1950), der in Dokumentar- und
Spielfilmen aus dem Blickwinkel der postzionistischen Generation einen
kritischen Standpunkt zu Themen und Problemen bezieht, die seit der
Gründung und durch die Gründung des Staates Israel bis heute virulent sind.
Einen Schlüssel zu beider Werk bildet das hebräische Wort "Bait", das mit
Haus und Heim, aber auch in einem abstrakten Sinne mit Heimat übersetzt
wird. Die hebräische Sprache und das jüdisch-israelische Bewusstsein
scheinen mit diesem Begriff einen ganzen Kosmos an Konnotationen
aufschließen zu wollen, der weit über die materielle Realität eines
umbauten Raumes und seine spezifische Verankerung in Landschaft oder Stadt
hinausreicht. Denn nicht nur eine psychologische Deutung, das Behausen als
Beschützen beispielsweise, auch eine politische ist damit impliziert, die
des jüdischen Staates als kollektivem Gebäude, "das uns erlaubt, in Frieden
zu träumen", wie Gaston Bachelard es formulierte.
Im britischen Mandatsgebiet Palästina, ab 1948 im Staat Israel, fiel dem
Bauen für die jüdischen Besiedlungswellen eine wesentliche Rolle nationaler
Identitätsstiftung zu. Während mit der Revitalisierung der hebräischen
Sprache an einen alten semitischen Befund zur Assimilierung der Immigranten
verschiedenster Nationalitäten angeknüpft wurde, erschien die ästhetische
Tabula rasa der Moderne in ihrer universalistischen Neutralität das
visuelle Sinnbild eines fortschrittlichen, technisierten und auch säkularen
Gemeinwesens.
Munio Weinraub war, wie viele der ab 1933 nach Israel emigrierten
mitteleuropäischen Architekten, international orientiert. Aufgewachsen im
ukrainisch-schlesischen Grenzgebiet, entschied er sich 1930 zum Studium am
Bauhaus in Dessau, zu einem Zeitpunkt, als unter der Direktion von Hannes
Meyer eine stark politisierte Gestaltungslehre vorherrschte. Meyers
Forderung einer "sozialen Form", einer ausschließlich auf die Bedürfnisse
des Menschen abgestimmten funktionalen Architektur, wurde bestimmend für
sein Werk.
Ohne noch einen Hochschulabschluss in Deutschland erlangen zu können,
gründete Weinraub unmittelbar nach seiner Ankunft 1934 in Palästina sein
Architekturbüro im industriell geprägten roten Haifa. Sein Werkverzeichnis
beläuft sich auf über 250 Bauten und städtebauliche Planungen, die das
ganze Spektrum von Wohn-, Industrie- und Bildungsbauten, von Synagogen bis
zur Memorialanlage Jad Vaschem umfassen, deren Planung Weinraub bereits
1942, als Informationen über den Holocaust in Deutschland nach Israel
durchdrangen, ohne offiziellen Auftrag begann. Emblematisch, aber in Israel
singulär geblieben, ist Weinraubs Rassco-Wohnbau von 1959 in Haifa: zwei
elfgeschossige Hochhausscheiben in Hanglage, die über eine Brücke
erschlossen werden. Eine frei gehaltene Ebene auf dem fünften Niveau dient
als kommunikatives Gemeinschafts- und Zirkulationsgeschoss, ähnlich wie es
Le Corbusier in seinen "Wohnmaschinen" eingeführt hatte.
Objekt und Metapher Haus bearbeitet auch Amos Gitai, selbst ausgebildeter
Architekt, in seinen Filmen. In "Bait/House" von 1980 beispielsweise
rekonstruiert Gitai Geschichte, Eigentumsverhältnisse und Urheberschaft
eines verfallenen, in Sanierung befindlichen Hauses, dessen orientalische
Ornamente an seine früheren Besitzer erinnern: Palästinenser, die 1948
während des israelischen Unabhängigkeitskrieges fliehen mussten, um zu
überleben. "Bait" wurde wegen seiner unmissverständlichen politischen
Allegorik in Israel ebenso verboten wie seine Filme aus dem besetzten
Westjordanland. Amos Gitai jedoch beharrt auf künstlerischer Autonomie und
darauf, dass Kunst immer auch politisch sei: "Sogar Menschen, die sehr viel
gelitten haben, können anderen Menschen Leid zufügen. Und wenn sie das tun,
sollte man sie kritisieren. Ich glaube, ein kritischer Blick ist
konstruktiv."
Bis 8. Februar 2008, [1][Architekturmuseum in der Pinakothek der Moderne],
München, Katalog (Edition Minerva) 35,- €
30 Dec 2008
## LINKS
[1] http://www.pinakothek.de/pinakothek-der-moderne/
## AUTOREN
Bettina Maria Brosowsky
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