# taz.de -- Jubiläum des Nofretete-Fundes: Konkurrenz für eine Ikone | |
> Das Neue Museum Berlin zeigt zum Auffindungsjubiläum der Nofretete eine | |
> Schau zur Armana-Zeit. Viele unterschiedliche Exponate werden | |
> ausgestellt. | |
Bild: Berühmte Büste bekommt Gesellschaft. | |
Selbst jetzt bleibt sie ganz für sich allein, im schummrigen Licht des | |
nördlichen Kuppelsaals des Neuen Museums. In ihrer Glasvitrine durfte sie | |
nicht einmal ihr Gesicht drehen, um nach rechts in den warm erleuchteten | |
Raum mit den Schätzen aus der Werkstatt des Bildhauers Thutmosis | |
hineinzuschauen. Die Einsamkeit des Stars, der Ikone, Nofretete („die | |
Schöne ist gekommen“) teilt dieses Schicksal. | |
Und deshalb schaut es im Dunkel des Gewölbes, in dem sie sich seit ihrem | |
Umzug 2009 unverrückbar eingerichtet hat, wie Kulturstaatsminister Bernd | |
Neumann in einer Stellungnahme nochmals versicherte, fast so aus, als | |
verkörpere sie die Kehrseite des Aton. Der Licht- und Sonnengott fuhr nach | |
traditioneller Vorstellung auf zwei Barken durch den Himmel und die | |
Unterwelt, wobei er mit den anderen Göttern Kontakt hielt und vielfältig | |
mit ihnen zusammenwirkte. | |
Nachdem ihn aber Echnaton ihr Pharaonengatte anstelle der alten Götter als | |
alleinigen Gott inthronisiert und damit die erste monotheistische Religion | |
der Weltgeschichte installiert hatte, geriet Aton in immer größeren Abstand | |
zu den anderen Göttern, bis er schließlich die Welt ganz allein umkreiste. | |
Damit die Welt nun umgekehrt nicht allein nur die Nofretete umkreist, was | |
gerade jetzt zum 100. Jubiläum des Fundes ihrer Büste zu befürchten steht, | |
hat das Ägyptische Museum mit der Ausstellung „Im Licht von Amarna – 100 | |
Jahre Fund der Nofretete“ diesem Monotheismus den Kampf angesagt. | |
## Vielfältigkeit der Exponate | |
Die Dinge werden also wieder zusammengeführt: Der herausragende Fund mit | |
der Vielzahl exquisiter Bildhauerwerke aus dem Werkstattkomplex des | |
Thutmosis, die königlichen Paläste und Villen der Staatsbeamten mit den | |
Wohnbereichen der Bevölkerung, die Architektur mit der Einrichtung, der | |
Kleidung, dem Geschirr und Schmuck der Bewohner von Amarna, der neuen | |
Residenz, deren Gründung Echnaton gleich zu Beginn seiner Herrschaft 1351 | |
v. Chr. verfügt hatte. | |
Und last not least werden auch die Museumsarbeit, Rezeptions- und | |
Grabungsgeschichte bis heute zusammengeführt, zentral um die | |
Grabungskampagne der Deutschen Orient Gesellschaft unter der Leitung Ludwig | |
Borchardts, die der jüdische Baumwollgroßhändler James Simon finanzierte. | |
„Im Licht von Amarna“ versteht sich denn auch als eine | |
Gedächtnisausstellung für den Mäzen Simon als viel zu wenig bekannten | |
Mitschöpfer der Berliner Museumsinsel. | |
Beim Eintritt in den Rundgang droht einen zunächst die Fülle von – je nach | |
Zählung – 400 bis 1.300 Exponaten zu überwältigen, doch der hervorragenden | |
Ausstellungsarchitektur gelingt es, eine ungezwungene selbstverständliche | |
Abfolge der Architekturmodelle, Multimediainstallationen und Vitrinen mit | |
den Fundstücken herzustellen, einen in heiterem sonnigen Licht gebadeten | |
Parcours archäologischer Akribie. | |
Und spätestens nachdem man einen Rest des bunten Palastfußbodens gesehen | |
hat, der auffliegende Wildenten am Nilufer zeigt, meint man sich die neue | |
Residenz gut vorstellen zu können, die auf halbem Weg zwischen Kairo und | |
Luxor lag und ganz dem Kult des Gottes gewidmet war, der sich weder als | |
Tier noch als Mensch, sondern in der lebensspendenden Kraft des Lichts | |
offenbarte. | |
## Home Story bei den Ägyptern | |
Überhaupt bezaubern die Farben der ausgestellten Fliesen, Tonscherben und | |
Malereien. Auf einem roten, mit blauen Farbbändern geschmückten Tonkrug | |
schwimmen zwei gelbe Fische, deren Augenpartie, Schuppen und Flossen so | |
genau gezeichnet sind, dass sie unschwer als Nilbarsche zu identifizieren | |
sind. | |
Die liebevoll nachempfundene Natur der Tiere, die offensichtliche Freude an | |
Blumen und Blüten und die prachtvollen Farben in der Kunst von Amarna rufen | |
die Idee eines sommerlich entspannten und eher privaten Lebens am Ufer des | |
Nils herauf. Unterstützt wird diese Idee durch ein Relief, das das | |
Herrscherpaar auf Hockern mit bequemen Polstern sitzend zeigt, wie sie | |
unter dem strahlenden Licht Atons ihre drei Töchter umarmen. | |
Dreieinhalbtausend Jahre ist das her und schaut dabei aus wie eine Home | |
Story über Brad Pitt und Angela Jolie von heute. | |
Neben solchen Reliefs sind vor allem die skulpturalen Porträts aus der | |
Bildhauerwerkstatt, die Thutmosis zugeschrieben wird, zentrale Exponate. | |
Sein Name tauchte auf einem Stück Elfenbein auf, das sich in dem | |
Gebäudekomplex fand. Er könnte, aber er muss nicht der Schöpfer der | |
bemalten Büste Nofretetes sein und ihrer vielen anderen Porträts wie der 40 | |
Zentimeter großen Ganzkörperstatue aus Kalkstein, die sie fast nackt zeigt. | |
Ironischerweise sind die große Gemahlin des Pharao wie er selbst und sein | |
Nachfolger Tutanchamun heute die berühmtesten alten Ägypter, weil Amarna | |
eine kurze, kaum 20 Jahre währende Ära bedeutete und die Sonnenanbeter dann | |
als Ketzer aus der Liste der Könige gestrichen und vergessen wurden. Nur | |
deshalb konnten sie vor 100 Jahren entdeckt werden. | |
## Bis 13. April 2013, Neues Museum Berlin, Katalog 29,95 Euro | |
10 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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Beutekunst | |
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