# taz.de -- Kritik an der Haasenburg: Wegsperren oder was? | |
> Nach taz-Bericht über 15 Jugendliche in Brandenburger Heim fordern Grüne | |
> und Linke, dass die zuständige Hamburger Aufsichtskommission die Insassen | |
> besucht. | |
Bild: Hier gab es noch eine Aufsichtskommission: die geschlossene Unterbringung… | |
HAMBURG taz | 15 Hamburger Jugendliche, so viele wie nie zuvor, sind | |
derzeit in der Brandenburger „Haasenburg GmbH“ geschlossen untergebracht, | |
das hat die taz am Samstag berichtet. Die Linkspartei und die Grünen | |
fordern jetzt eine Reaktivierung der Hamburger Aufsichtskommission für | |
geschlossene Heime. Die gab es bis 2008 für das inzwischen geschlossene | |
Heim in der Hamburger Feuerbergstraße. Ihr Vorsitzender Michael Lindenberg | |
sagt, er sei nie offiziell von seiner Aufgabe entpflichtet worden. | |
Und er würde gern mit den Jugendlichen in der Haasenburg sprechen. „Es gibt | |
begründete Anhaltspunkte dafür, dass dort nicht kindgerecht mit ihnen | |
umgegangen wird“, sagt der Professor für Kriminologie und Soziologie an der | |
Evangelischen Hochschule Hamburg. „Dem sollte nachgegangen werden.“ Nach | |
dem Hamburger Ausführungsgesetz für das Jugendhilfegesetz, Paragraf 27a, | |
hat besagte Kommission das Recht dazu. Sie ist auch für Kinder, die | |
außerhalb der Stadt in geschlossenen Heimen sind, zuständig. Verträge | |
darüber mit Trägern seien „anzustreben“, steht im Gesetz. | |
Doch Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) hält das für nicht realisierbar. | |
„Das Hamburgische Landesrecht gilt nur bis zur Landesgrenze“, schreibt | |
seine Sprecherin. Keine Einrichtung jenseits der Stadt sei dem unterworfen. | |
Deshalb sei die Kommission „aufgelöst worden“. Zudem habe die Haasenburg ja | |
eine eigene Aufsichtskommission. | |
Doch die wurde, wie berichtet, bis vor Kurzem von einem Anwalt der | |
Heimfirma geleitet. „Es handelt sich mehr um eine interne | |
Beschwerdestelle“, sagt Lindenberg. Diese entbinde Hamburg nicht aus der | |
Verantwortung für seine Kinder. Der Stadtstaat könnte durchaus mit den | |
Trägern der Heime Entsprechendes vereinbaren und dürfe Kinder dort nicht | |
hinschicken, wenn sie dies verweigern. „Man hat es aber nicht mal | |
versucht.“ | |
Im Gegenteil, der Kommission seien nach der Schließung der Feuerbergstraße | |
von Behördenseite keine Informationen über auswärtig untergebrachte Kinder | |
zur Verfügung gestellt worden. „Damit war die Kommission ein zahnloser | |
Tiger“, sagt Lindenberg. Er habe daraufhin den damaligen CDU-Sozialsenator | |
Dietrich Wersich schriftlich um „Entpflichtung“ gebeten, aber „nie eine | |
Antwort erhalten“. | |
„Aus meiner Sicht ist die Arbeit der Kommission nie eingestellt worden“, | |
sagt auch die grüne Jugendpolitikerin Christiane Blömeke. Freiheitsentzug | |
als Hilfe zur Erziehung sei ein schwerwiegender Eingriff, deshalb müssten | |
die Rechte der Minderjährigen „besonders intensiv“ überprüft werden. Es | |
bestehe „dringender Handlungsbedarf“, damit die Kommission ihren | |
Kontrollauftrag erfüllen kann, das zeigten die aktuellen Berichte, so | |
Blömeke. | |
Kritik äußert der Berliner Psychologe Benjamin Lemke. Er hat gemeinsam mit | |
dem Psychologen Siegie Piwowar drei ehemalige jugendliche Insassen | |
ausführlich interviewt. Sie waren dem als Jugendbetreuer beschäftigten | |
Piwowar aufgefallen, weil sie „frisch aus der Haasenburg kamen und einen | |
sehr verstörten Eindruck machten“, so Lemke. Bei der einen handelt es sich | |
um die heute 20-jährige Julia, die inzwischen ihre Kritik ins Internet | |
stellte (taz berichtete). Bei dem anderen, um einen Jungen, der eingewiesen | |
worden war, weil er auf einem Schrottplatz Auto fuhr. „Anfangs wurde die | |
Matratze aus seinem Zimmer entfernt“, berichtet Lemke. „Und als er seinen | |
Kopf auf den Pullover legte, wurde auch der ihm genommen.“ Rausgekommen sei | |
der Junge, als er drohte, Schrauben zu schlucken. Ein anderes Mädchen habe | |
in dem Heim auch das Händchenhalten schriftlich beantragen müssen und frage | |
bis heute unvermittelt vermeintliche Autoritäten, ob es seine Tasche nehmen | |
oder eine Tür öffnen dürfe. | |
Lemke und Piwowar trugen ihre Erkenntnisse im März in Berlin auf einem | |
Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP) vor, ein Fachaufsatz | |
soll demnächst erscheinen. „Ich kenne die Einrichtung nicht aus eigener | |
Anschauung“, räumt Lemke ein. Sein Ansatz wäre aber, den Jugendlichen | |
zuzuhören, denen sonst meist keiner Glauben schenkt. „Soweit ich es | |
einschätzen kann, ist das Konzept nicht sinnvoll“, sagt Lemke. Es sei eine | |
„sehr orthodoxe Form der Verhaltenstherapie“, die streng mit Bestrafung und | |
Belohnung arbeite. Lemke: „Ich weiß nicht, ob es für traumatisierte und | |
sexuell missbrauchte Kinder Sinn ergibt, sie in ihrer Pubertät damit zu | |
malträtieren.“ Statt zu Überwachen und zu Strafen wäre es besser, die | |
Potenziale zu fördern. | |
Lemke hält es zudem für fragwürdig, dass Freiheitsentzug und andere | |
Einschränkungen der Menschenrechte hier einer privaten GmbH übertragen | |
werden, die zuletzt 3,1 Millionen Euro Gewinn gemacht habe. „Früher waren | |
Heime öffentliche Einrichtungen und stärker kontrolliert.“ | |
In die gleiche Kerbe haut der Sprecher der Hamburger Linkspartei, Bela | |
Rogalla. Ihm lägen die Verträge vor, die die Sorgeberechtigten mit der | |
Firma eingehen müssten: „Sie müssen in die Ton-, Bild- und | |
Videoüberwachungen der Kinder und Jugendlichen einwilligen, das Brief- und | |
Telefongeheimnis wird abgeschafft und körperliche Gewalt gegen die Kinder | |
und Jugendlichen als ,Begrenzungsmaßnahme‘ vereinbart“, sagt Rogalla. Die | |
Linkspartei hat schriftliche Anfragen zum Thema gestellt. Rogalla setzt | |
sich dafür ein, das alte Bündnis gegen geschlossene Heime zu aktivieren, um | |
Druck auf den SPD-Senat auszuüben. | |
Die Sozialbehörde erklärte der taz, sie halte die Einrichtung für geeignet | |
und verweist darauf, dass sich die Kritik auf die Vergangenheit beziehe. | |
Sie verlässt sich auf das Landesjugendamt Brandenburg, das das Heim | |
kontrolliert. Von dort wiederum hört man, es habe seit 2010 einige Auflagen | |
gegeben. Das Konzept der orthodoxen Verhaltenstherapie sei aber geblieben. | |
Dies gehöre zur „konzeptionellen Freiheit des Trägers“. | |
Die taz befragte auch die Haasenburg zu Lemkes Kritik. Die schreibt, dass | |
eine so pauschale Kritik eines Vertreters der NGfP „wenig hilfreich“ sei. | |
Die Haasenburg sei ein „intensivpädagogisches Angebot“, keine | |
psychiatrische Einrichtung. „Das Konzept ist in der Fachwelt, der Lehre und | |
Praxis seit Jahren bekannt und hoch angesehen.“ | |
13 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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