# taz.de -- Inklusives Weihnachtstheater: Zauberei in der Schulaula | |
> Ein Weihnachtsmann wurde in den Zauberschlaf versetzt. Schauspieler mit | |
> und ohne Behinderung versuchen ihn in einer fränkischen Schule zu wecken. | |
Bild: Am Ende kann der Weihnachtsmann wieder Wünsche erfüllen | |
BAD KISSINGEN taz | Ein einsamer Magier versucht mit dunklem Herzen, den | |
Weihnachtsmann in einen Zauberschlaf zu versetzen. Nun droht Weihnachten | |
auszufallen – oder finden die Freunde des Weihnachtsmannes noch rechtzeitig | |
eine Lösung? | |
Wer die Premiere des ersten inklusiven Weihnachtstheaters an der | |
Franz-von-Prümmer-Sonderschule gesehen hatte, wusste am Ende: Ja, sie | |
finden eine. Eine magische Weihnacht, so lautet das Stück, dass geistig | |
behinderte Schüler aus dem unterfränkischen Bad Kissingen zusammen mit | |
Schülern des Jack-Steinberger-Gymnasiums der Stadt an drei Tagen darbieten. | |
Weihnachtsstücke gibt es derzeit viele zu sehen. Um eine volle Schulaula | |
tatsächlich zu verzaubern, muss man Herzen berühren. Dass dies gelingt, | |
liegt an der Begeisterung, die die jungen und teils mehrfach behinderten | |
Schauspieler versprühen. Oskarverdächtig ist die Maskerade des einsamen | |
Magiers. Den spielt der 18-jährige Marco, ein eher scheuer Schüler, dem | |
flüssiges Sprechen schwerfällt. Sagen muss er auch nicht viel, er besticht | |
durch die Präsenz seines hageren, hoch gewachsenen Körpers, der von einem | |
schwarzen Mantel umhüllt wird, und den dunklen Lidschatten um seine Augen. | |
Auch die 22-jährige Maren verzaubert als Lady Gaga, die im rosafarbenen | |
Glitzerkleidchen und schwarzer Federstola auf die Bühne geht, als wäre es | |
das Selbstverständlichste auf der Welt. Aufwecken aus seinem Zauberschlaf | |
kann auch sie den dösenden Weihnachtsmann nicht. Das ist der 15-jährige | |
Michael, der Meisterhaftes leistet, darf er sich doch über eine halbe | |
Stunde lang weder rühren noch regen in seinem Liegestuhl. Keine leichte | |
Aufgabe für den kräftigen Jungen – denn das fällt ihm normalerweise am | |
schwersten: stillsitzen. | |
Ganz nebenbei versuchen die bunten, fröhlichen Weihnachtswichtel, die | |
Hawaii-Tänzerinnen und Weihnachts-Postbotinnen vieles, um ihn wieder wach | |
zu kriegen. Als das nicht gelingt, fordern die Postbotinnen, dargestellt | |
von Siebtklässlerinnen des Jack-Steinberger-Gymnasiums, doch wenigstens die | |
unterstützenden Hauruckrufe des Publikums, um die vielen Geschenkpakete zu | |
stemmen. „Helft mal alle mit!“, rufen sie kess in die Stuhlreihen, und die | |
vielen Gäste folgen. | |
Erst als es den Polarlichtern gelingt, das Herz des einsamen Magiers zu | |
erwärmen, braut der einen neuen Zaubertrank, um den Weihnachtsmann aus | |
seinen Träumen zu holen. Das Publikum johlt, als sich der winterliche | |
Gesell endlich aus seinem Liegestuhl räkelt. Musikalisch unterstützt von | |
der Abi-Band des Gymnasiums und mithilfe der vielen fleißigen | |
Schauspielerhände können doch noch rechtzeitig zu Weihnachten alle | |
Geschenke verteilt werden. Das Fest aller Feste ist gerettet. | |
## „Schaffen wir das?“ | |
Seit Oktober hatte ein Team des Förderzentrums Förderschwerpunkt Geistige | |
Entwicklung an der Prümmer-Schule mit dem Sonderpädagogen Martin Stolz an | |
der Spitze sowie Ulrike Weilbach, Gymnasiallehrerin für Deutsch- und | |
Französisch, mit den Schülern geprobt. „Meine Schüler und ich sind sehr | |
dankbar für die Erfahrungen, die wir zusammen machen durften“, sagt | |
Weilbach. | |
Die Idee, ein inklusives, also gemeinsames Theaterstück von behinderten und | |
nicht behinderten Schülern auf die Bühne zu bringen, entstand bereits vor | |
eineinhalb Jahren zwischen den beiden Schulen. „Für uns war es ein | |
Experiment mit der Frage: Schaffen wir das?“, sagt Stolz. Der | |
theaterbegeisterte Sonderpädagoge hat nicht zum ersten Mal ein Stück mit | |
geistig behinderten Kindern und Jugendlichen auf die Beine gestellt. „Zwei | |
Dinge sind wichtig: Ein Kollegenteam, das das Projekt auf breiten Schultern | |
kompetent mitträgt. Und das spielerische Element, das jedem Schüler | |
individuell zugeschneidert wird.“ | |
So werden die Engel, die den Weihnachtsmann begleiten, auch von zwei | |
schwerst- und mehrfach betroffenen Kindern im Kinderwagen gespielt. Sie | |
sind vier und sieben Jahre alt, haben einen Talker auf den Beinen liegen. | |
Ein anderer Engel drückt den Button des Talkers, der aufgesprochene Text | |
einer Betreuerin wird so zur Stimme des Kindes. So wird den Schauspielern | |
und Zuschauern vermittelt: Jeder ist wichtig, jeder bringt sich ein mit | |
dem, was er kann. Während Politiker und Verbände in Sachen Inklusion viel | |
diskutieren, setzt man an der Prümmer-Schule auf Taten statt Worte. | |
## Traum von einer Schule für alle | |
„Eine magische Weihnacht“ entstand im Baukastensystem. Die Story stammt aus | |
der Feder des Pädagogen-Teams, die einzelnen Gruppen trafen sich zunächst | |
mehrere Wochen für sich, ehe gegen Ende drei gemeinsame Proben mit den | |
Gymnasiasten stattfanden. „Diese Schüler sensibel zu machen für die | |
Bedürfnisse und Fähigkeiten unserer Kinder, ist für mich eine der ganz | |
wichtigen Aufgaben in Sachen Inklusion“, formuliert es Klaus Scheuring, der | |
Leiter des Förderzentrums. | |
Die beiden Schulen liegen nicht allzu weit voneinander entfernt, „wenn die | |
einen immer mal zu den anderen rüberkommen und umgekehrt, wenn sie immer | |
wieder aufs Neue zusammengeführt werden“, ist das für Scheuring „die | |
eindeutig bessere Form als die eine Schule für alle“, gibt er zu. | |
Das Thema Inklusion treibt ihn um, die individuelle Förderung von Kindern | |
mit Handicap ist sein Lebensthema. „Die eine Schule für alle kann die | |
nötige spezielle Förderung meiner Meinung nach nicht leisten.“ Das Medium | |
Theaterspiel dagegen könne man dem Einzelnen nach seinen Möglichkeiten | |
wunderbar anpassen, „so gesehen ist unser Projekt ein echtes | |
Vorzeigeprojekt“. | |
19 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Susanne Wahler-Göbel | |
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