# taz.de -- Bilanz eines politischen Scheiterns: "Ich will mich nicht verbiegen" | |
> Die ehemalige Bremer CDU-Landesvorsitzende Rita Mohr-Lüllmann über ihren | |
> Ausstieg aus der Politik, Unterschiede zu Angela Merkel und die Zukunft | |
> ihrer Partei | |
Bild: Da war sie noch die Hoffnungsträgerin der Bremer CDU: Rita Mohr-Lüllman… | |
taz: Alle Parteiämter in Bremen haben Sie abgegeben. Nun sitzen Sie auch | |
nicht mehr im Parlament. Sind sie politik- oder nur parteiverdrossen, Frau | |
Mohr-Lüllmann? | |
Rita Mohr-Lüllmann: Ich habe mein Bürgerschaftsmandat zurückgegeben, weil | |
ich keine Mehrheit für mein Positionen und Überzeugungen in der Fraktion | |
gesehen habe. | |
Aber warum saßen sie dann nach ihrem Rücktritt als CDU-Landesvorsitzende | |
überhaupt noch im Parlament? | |
Das musste reiflich überlegt werden. Ich bin ja von den Bürgern gewählt | |
worden, nicht von den Funktionsträgern. Und es haben sich viele Menschen an | |
mich gewandt, die sagten: Sie müssen bleiben. | |
Muss man aufgeben, weil man keine Mehrheit hat? | |
Es haben etliche Mitglieder der Fraktion meinen Rücktritt gefordert. Da | |
muss man sich schon überlegen, welche Chancen es gibt, die eigenen | |
Positionen noch durchzusetzen und ob eine konstruktive Zusammenarbeit | |
überhaupt noch möglich ist. Mir ging es darum, die CDU aus einer | |
Funktionärs- in eine Mitgliederpartei weiterzuentwickeln. Das ist eine | |
prinzipielle Frage: Auf welche Art und Weise werden Entscheidungen | |
getroffen? Die Fraktion würde es ja ohne Partei nicht geben, sie wird von | |
ihr getragen. Derzeit wird die Basis der CDU nicht mit einbezogen. Im | |
Gegenteil, die Mitgliederbefragung über den Landesvorsitz ist in keinster | |
Weise respektiert worden. Ich vermisse aber auch, dass die Mitglieder der | |
CDU ihre Rechte einfordern. | |
Vielleicht wollen manche in der CDU lieber geführt werden, als mitreden. | |
Dann fragt man sich, ob die CDU je die Chance hat, mehr Wähler zu | |
erreichen. | |
Ging es in diesem Streit in der CDU je um Positionen? | |
Ja, um die Frage, ob die CDU den Funktionären überlassen wird. Mein | |
Eintreten für die direkte Beteiligung der Mitglieder, für die Abschaffung | |
des Delegiertenparteitages, für die Begrenzung der Dauer von Mandatszeiten | |
– all das ist nicht akzeptiert worden. Die CDU braucht neuen Schwung, neue | |
Personen. Ich bin gewählt worden, weil ich eine Quereinsteigerin war und | |
nicht die typische Politiker-Karriere gemacht habe. | |
Darf man Fraktionschef Thomas Röwekamp alleine die CDU überlassen? | |
Man muss sehen, wie viele Chancen es gibt, der Fraktionsspitze etwas | |
entgegenzusetzen. Dazu brauchen sie Mehrheiten. Ich will mich nicht bis zur | |
Unkenntlichkeit verbiegen. | |
Treten Sie nun also auch aus der CDU aus? | |
Ich bleibe auf jeden Fall ein Fan von Angela Merkel. Die Frage, ob ich den | |
Landesverband der CDU weiter mit einer Mitgliedschaft unterstütze, ist aber | |
noch zu klären. Das Demokratieverständnis hier finde ich jedenfalls sehr | |
bedenklich. In Bremen-Nord etwa hat eine führende Funktionsträgerin der CDU | |
ein Dokument zerrissen, auf dem Unterschriften für eine Mitgliederbefragung | |
zur Besetzung von Listenplatz 1 bei der Bundestagswahl standen. Mit | |
Absicht. Das hat mich wahnsinnig geärgert. Und so lange so etwas passiert, | |
sehe ich mich außerstande, die Bremer CDU zu unterstützen. | |
War es ein Fehler, dass Sie in den Bundestag einziehen wollten? | |
Für meine politische Karriere: Ja. Dennoch würde ich immer wieder so | |
handeln. Die CDU hat mir das 2009 zugetraut, ebenso wie die | |
Spitzenkandidatur bei der Bürgerschaftswahl. Ich sah keinen Grund, warum | |
dieses Vertrauen nicht erneut gerechtfertigt sein könnte. | |
Hätte ein Machtwort des scheidenden Mandatsinhabers und einstigen | |
Parteichefs Bernd Neumann Sie gerettet? | |
Das glaube ich nicht. Er ist heute als Kulturstaatsminister doch sehr weit | |
weg vom Landesverband. Die Mitglieder hätten sich aber mehr einmischen | |
können. | |
Einige in der CDU sagen, Röwekamp und die seinen haben Sie „weg gemobbt“. | |
Sehen Sie das selbst auch so? | |
In Bremerhaven fiel gleich zu Beginn meiner Amtszeit als Landesvorsitzende | |
der Satz: „Die überlebt kein Jahr.“ Da war mir klar, dass es ein schwerer | |
Weg wird. Andererseits sollte ich zwischenzeitlich unterschreiben, dass ich | |
2015 in Bremen als Spitzenkandidatin antrete – und dafür die Kandidatur für | |
Berlin fallen lasse. Als ich das ablehnte, wurde mir im Weser-Kurier der | |
Fraktionsvorsitz angetragen. Und als ich das auch ablehnte, folgte sofort | |
die nächste Eskalationsstufe. | |
Gehen mussten Sie, weil sie gesagt haben sollen, in der CDU Bremerhaven | |
gäbe es „kriminelle Machenschaften“. Wäre dieser Vorwurf so falsch? | |
Das ist gar nicht mein Vokabular. Dieser Satz ist nie gefallen. Und selbst | |
wenn, wäre das kein Rücktrittsgrund. Aber die Mehrheiten gegen mich waren | |
eindeutig. | |
An ihrem Ziel, die CDU zu einen, sind Sie also offenkundig gescheitert. | |
Ich konnte auf meinem Weg nicht alle mitnehmen, das ist richtig. Eine | |
Öffnung der Partei zu den Mitgliedern macht den Funktionsträgern Angst, sie | |
könnten an Macht verlieren. Das ist meine Erkenntnis. | |
...die einen nicht so richtig überraschen kann, oder? | |
Ja. Aber die Zukunft einer Volkspartei liegt nicht darin, dass ein kleiner | |
Kreis von Funktionären die Entscheidungen trifft. | |
Ist die Bremer CDU überhaupt noch eine Volkspartei? | |
Ja. Die Grundsätze im Programm sprechen da für sich – es geht ja nicht nur | |
darum, wie viele Leute in einer Stadt die CDU wählen, entscheidend ist, | |
dass wir offen für Interessen und Bedürfnisse vieler Menschen sind. Aber | |
wenn demokratische Verfahren so sehr in Kämpfe und Verachtung münden, ist | |
das schädlich für eine Partei. Und dass der Streit hier so hart ausgetragen | |
wurde, ist bedenklich. | |
Jetzt haben sie nicht nur Amt und Mandat niedergelegt, sondern auch ihren | |
Facebook-Account gelöscht und die [1][Website] leer geräumt. Steigen Sie | |
ganz aus der Politik aus? | |
Mein politisches Engagement in der CDU ist ja offenkundig nicht erwünscht. | |
Im Moment habe ich keine Neigung, mich da weiter einzusetzen. Und wer sich | |
sonst überlegt, sich ehrenamtlich in der Bremer CDU zu engagieren, wird | |
sich jetzt fragen: Muss ich mir das antun? Das ist fatal. | |
Haben Sie schon mal über einen Parteiwechsel nachgedacht? | |
Ich bin und bleibe CDU-Frau. | |
Angela Merkel hat sich gegen die Männer in der CDU am Ende durchgesetzt. | |
Was hat Frau Merkel, was Sie nicht haben? | |
Sie ist keine Seiteneinsteigerin. | |
Hätten Sie eine JU-Geschichte, so wäre alles anders gewesen? | |
Vielleicht hätte ich dann die Instrumente, die man nutzen muss, um oben zu | |
bleiben, besser gekannt. Aber ich bin ja nicht angetreten, um für mich | |
Positionen zu sichern. | |
26 Dec 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.mohr-luellmann.de/ | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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