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# taz.de -- Der Tübinger „Mohrenköpfle-Streit“: Schaumgeküsste Debatte
> In Tübingen heißen die Schokoküsse noch Mohrenköpfle. Der grüne
> Oberbürgermeister Boris Palmer findet Kritik daran überzogen. Ist das
> rassistisch?
Bild: Objekt des Streits und der Begierde: Das „Tübinger Mohrenköpfle“.
BERLIN taz | Der Anlass war lokal, aber es ging um Grundsätzliches. Auf dem
Tübinger Schokoladenmarkt „Chocolart“ – nach eigenen Angaben der größte
deutsche Schokoladenmarkt, bei dem sich Anfang Dezember über 100
Chocolatiers aus der ganzen Welt in der Tübinger Altstadt präsentierten –
hatte ein Aussteller aus der Region in diesem Jahr eine Spezialität unter
dem Namen „Tübinger Mohrenköpfle“ in seinem Sortiment geführt.
Kurz nach der Eröffnung des Schokoladenmarkts gab es deshalb erste
Beschwerden bei dem Konditor wie bei den Stadtoberen. In einem Schreiben an
Tübingens Oberbürgermeister kritisierte eine Frau etwa diese „rassistische
Geschmacklosigkeit“. Der Grüne Boris Palmer dagegen antwortete ihr in einer
E-Mail, er halte das für „keine gravierende Sache“. Er werde sich nicht
einmischen und empfahl „ein wenig Gelassenheit“. Einem anderen Adressaten
beschied er: „Rassismus sollte man da bekämpfen, wo er wirklich ist.“
Auch, als sich die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) an den
Oberbürgermeister wandte und um eine Stellungnahme bat, blieb Palmer seiner
Haltung treu. „Ich bin der Auffassung, dass eine Debatte über Mohrenköpfe
niemandem nützt, am wenigsten den Menschen, die Sie vertreten“, schrieb er
dem Verband zur Begründung, warum er sich bis dahin nicht öffentlich zu dem
Thema geäußert hatte.
Zwar halte er die Kritik an der „unglücklichen Begriffswahl“ grundsätzlich
für berechtigt. Die Schärfe der Kritik und den Vorwurf des Rassismus halte
er aber für „kontraproduktiv“, weil sie zu „Unverständnis, Gegenwehr und
Streit“ führe. „Rassismus bekämpft man so nicht“, befand er und empfahl
auch der ISD mehr „Gelassenheit und Betonung der subjektiven Empfindungen“.
„Es sind beileibe nicht nur Konservative, die sich schwer damit tun, ihren
Sprachgebrauch kritisch zu hinterfragen“, sagt Tahir Della, der Vorsitzende
der ISD, dazu. Lob hatte er dagegen für das Interview, das die
CDU-Politikerin Kristina Schröder kurz vor Weihnachten der Zeit gegeben
hatte. Darin hatte die Bundesfamilienministerin, die vor eineinhalb Jahren
Mutter geworden ist, bekannt, dass sie ihrer Tochter Lotte aus
Kinderbuch-Klassikern wie „Jim Knopf“ oder „Pippi Langstrumpf“ nicht ei…
zu eins vorlesen würde.
Wenn dort etwa das Wort „Neger“ auftauchen sollte, würde sie es auslassen
oder ersetzen, sagte Schröder, zumal die Hautfarbe an diesen Stellen
ohnehin keine große Rolle spiele. Nicht nur in konservativen Zeitungen
hatten sich deshalb manche über eine angebliche Sprachzensur der Ministerin
lustig gemacht.
Auch der „Tübinger Mohrenkopfstreit“ hatte Anfang Dezember über die
süddeutsche Universitätsstadt hinaus für Aufsehen gesorgt und grüne
Parteiobere wie Claudia Roth und Cem Özdemir beschäftigt. Beide Seiten
haben ihren Briefwechsel inzwischen öffentlich gemacht: Der ISD auf seiner
Webseite, Boris Palmer auf seiner Facebook-Seite. Dort übt sich der grüne
Oberbürgermeister mittlerweile in Neutralität.
„Beide Seiten weigern sich, die Gefühlswelt der anderen anzuerkennen“,
befand er. „Die einen fühlen sich durch den Begriff Mohrenkopf verletzt und
werden dafür beschimpft. Die anderen fühlen sich angegriffen, weil aus der
Verwendung des Begriffs Mohrenkopf auf rassistische Tendenzen geschlossen
wird. Beides will sich niemand bieten lassen.“
Der besagte Konditor allerdings hat sich inzwischen entschuldigt. Er sucht
einen neuen Namen für seine Süßspeise. Im nächsten Jahr soll ein Wettbewerb
ausgelobt werden, um eine bessere Bezeichnung zu finden.
27 Dec 2012
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
Boris Palmer
Tübingen
N-Wort
Preußler
Grüne
Kristina Schröder
Schwerpunkt Rassismus
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