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# taz.de -- YouTube-Hit „Gangnam Style“: Der Reiter aus Südkorea
> Der erfolgreichste YouTube-Clip der Welt stammt von einem ungelenken
> Sänger aus Seoul. Was ist da eigentlich passiert?
Bild: Tanzen wie reiten: Gangnam Style.
Er tanzt, als würde er auf einem Pferd reiten, ist pummelig und mit 34
Jahren nicht mehr unbedingt im besten Popstaralter. Den Style eines Stars
hat er schon gar nicht. Doch seit Monaten bewegt sich die ganze Welt zu
einem Song des südkoreanischen Sängers Psy.
Sein Clip „[1][Gangnam Style]“ ist das meistgesehene YouTube-Video aller
Zeiten. Es hat Justin Biebers „Baby“ überholt und kommt mittlerweile auf
mehr als 1 Milliarde Klicks. Abertausende „Gangnam Style“-Versionen
zirkulieren im Internet, ein Comedy-Double des US-Präsidenten etwa tanzt
„Obama Gangnam Style“ und ein frisch verheiratetes Paar den „Hochzeit
Gangnam Style“.
Psy, von dem das Original stammt, ist ein unscheinbarer Koreaner mit
Sonnenbrille und buntem Anzug. Er hat diesen speziellen Tanz erfunden, bei
dem er wie ein Reiter im Sattel sitzt und die fiktiven Zügel schwingt. Sein
bürgerlicher Name ist Park Jae-sang. Psy entspricht nicht dem
südkoreanischen Schönheitsideal. Er ist nicht schlank und wirkt kaum
europäisch. Seine Ungeschicktheit ist sein Markenzeichen. In China und
Japan ist er seit 2002, seit seiner ersten Single „Bird“, bekannt – unter
dem Namen „Uncle Bird“.
Wie kommt es, dass aus einem Stück wie „Gangnam Style“ ein weltweiter Hit
wird? Wer sorgt dafür, dass plötzlich Millionen Menschen einen seltsamen
Reitertanz betrachten? Ein Video, dessen Botschaft sich außerhalb der
koreanischen Gesellschaft auch noch kaum erschließt.
## Starcraft bringt den Schub
„Gangnam Style“ wurde am 15. Juli 2012 veröffentlicht. Ohne Copyright hat
die Firma YG Entertainment, bei der Psy unter Vertrag steht, es auf YouTube
hochgeladen. So konnten auch all die Imitationen entstehen. Mit der
Strategie will YG Entertainment die günstigen Download-Angebote des
asiatischen Musikmarkts schlagen. YouTube ist schließlich die beste
Plattform, um auch Fans aus den USA und Europa zu erreichen.
In der allerersten Woche geht es „Gangnam Style“ wie Tausenden anderen
YouTube-Videos: Es fällt nicht besonders auf, schon gar nicht außerhalb
Asiens. Das Video beginnt wie gewöhnlicher Elektropop. Psys Sonnenbrille
spiegelt sich in einem Privatjet, die Sonne scheint, eine schöne Frau
fächelt ihm Luft zu. Schnitt. Psy liegt unter einem Sonnenschirm, träumt
vor sich hin und sagt: „Ich bin Gangnam Style“, „Oppan Gangnam Style“.
Später tanzt er in einem Reiterhof, in Seouls Viertel Gangnam, von dem der
Clip handelt.
Einen entscheidenden Schub in der Clip-Karriere von „Gangnam Style“ bringt
das Computerspiel Starcraft, in dem Figuren kämpfen, die Terraner oder
Zergen heißen. In Südkorea findet im Juli ein Starcraft-Turnier statt. Als
Titelmusik wählen die Veranstalter „Gangnam Style“. So lernen auch
amerikanische und europäische Starcraft-Fans das Stück kennen. Anschließend
schnellt der Song auf Platz eins der Gaon-Charts, der meistverkauften Songs
in Südkorea, Platz eins der iTunes Video Charts. Aber das ist erst der
Anfang.
Man begreift noch besser, was sich da verändert hat in den vergangenen
Jahrzehnten der Musikgeschichte, wenn man sich an eine Band wie die Beatles
erinnert, die sich von den Clubs ins Radio spielten und vom Radio ins
Fernsehen und vom Fernsehen in die Charts dieser Erde. So lief das über
Jahrzehnte. YouTube ermöglicht es als neue Art von Fernsehen, mehrere
Schritte auf diesem Weg zu überspringen.
## Dann twittern T-Pain und Katy Perry
Ende Juli nimmt „Gangnam Style“ die nächste Stufe: Justin Biebers Manager
Scooter Braun und der US-amerikanische Rapper und Musikproduzent T-Pain
twittern fast gleichzeitig über Psys Clip und erreichen so mehr als 3
Millionen Follower. Die Popsängerin Katy Perry schließt sich an: „Help, I
am in a gangnam style k hole“. Sie sei auf einer Art Drogenflash wegen des
Songs. Im November tanzt Psy mit Madonna auf deren Konzert in New York
City. Die Fans folgen. Sie klicken, liken, leiten weiter.
Ohne die Empfehlungen durch die großen Markennamen wäre Psys Erfolg kaum
denkbar. Starcraft, T-Pain und Katy Perry geben den Anstoß, der nötig ist,
damit die Massen auf YouTube aufmerksam werden.
Für Südkoreaner war Psy kein neuer Name. Er zählt dort zu den beliebtesten
Sängern. Studiert hat er an der Boston University und am Berklee College of
Music in den USA. Seine Musik funktioniert durch ihre intelligente Ironie,
nach dem Motto: „Sei lustig, aber sei dabei nicht dumm.“ In einem Interview
sagte Psy einmal, er sei kein besonders hübscher Typ, aber seine Musik sei
wie eine Portion Bibimbap, ein koreanisches Reisgericht, die Massen lieben
es. Der Erfolg in Amerika verstärkte noch einmal den in der Heimat. Direkt
vor Seoul City Hall gibt Psy ein Konzert vor mehr als 80.000 Fans.
Während westliche Unterhaltungsmusik lange Zeit nur aus einer Richtung nach
Korea strömte, findet nun eine Umkehrbewegung statt: Die koreanische Welle
schwappt in die entgegengesetzte Richtung. Losgetreten wurde sie bereits
Anfang der neunziger Jahre durch Theaterstücke und Popsongs. K-Pop, der
koreanische Pop, etablierte sich in den neunziger Jahren in der
koreanischen Musikwelt analog zum japanischen J-Pop. Heute wächst K-Pop
genauso wie die Popularität der zeitgenössischen südkoreanischen Popkultur
im 21. Jahrhundert. K-Pop hat mit Bands wie Big Bang, einer Boygroup, oder
Girls Generation, vor allem in Asien eine Fanbasis. Seit einigen Jahren
begeistert das Phänomen immer mehr amerikanische und europäische Teenager.
## Persiflage der Reichen
Psys Musikvideo wurde in Gangnam gedreht, in einem reichen Stadtteil von
Seoul, der wohlhabendsten Gegend von ganz Südkorea. Psy jedoch versucht,
möglichst uncool zu wirken und tanzt mit linkischen Bewegungen. Dabei
wiederholt er endlos: „Ich bin Gangnam Style.“ Er persifliert den
verschwenderischen Lebensstil in Gangnam, für jemanden wie ihn eigentlich
merkwürdig. Denn er stammt aus einer reichen Familie.
In den vergangenen Jahren hat sich die Schere zwischen Arm und Reich vor
allem in China, Japan und Südkorea weiter geöffnet. Das in einem Song
aufzugreifen, trifft ins Herz der asiatischen Gegenwart. Schon seit 2009
entsteht in Ostasien eine Internetkultur mit Parodien über ernsthafte
aktuelle Themen. Sie nennt sich „Kuso“.
Die Menschen unterscheiden sich gern durch ihren Wohlstand. Es gibt „groß,
reich und attraktiv“ oder „klein, arm und frustriert“. Als ein Typ, der
nicht „groß, reich und attraktiv“ ist, aber doch behauptet „Gangnam Styl…
zu sein, trifft Psy einen wunden Punkt der asiatischen
Aufmerksamkeitsökonomie.
„Gangnam Style“ ist der erste Smashhit des K-Pop. Für Amerikaner und
Europäer ist es wohl einfach lustig, den Pferdetanz zu tanzen. Man muss
nicht unbedingt den Text verstehen, und „Oppan Gangnam Style“ oder „Hey,
sexy Lady“ bringt wirklich jeder über die Lippen. Psy ist unterdessen mit
YouTube-Tantiemen und Werbeverträgen noch reicher geworden. Der Mann mit
dem seltsamen Tanz ist jetzt mehrfacher Millionär.
29 Dec 2012
## LINKS
[1] http://www.dailymotion.com/video/xs99s8_psy-gangnam-style-german-sub_music#…
## AUTOREN
Fan-Zhao Jacobs
## TAGS
Internet
China
Youtube
Fitness
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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Gangnam Style.
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