# taz.de -- Skispringer aus Norwegen verblüffen: Zeigt her eure Schuh! | |
> Die Norweger überraschen bei der Vierschanzentournee, weil ihr | |
> österreichischer Trainer innovativ ist. Ein neuer Skischuh gibt der | |
> Konkurrenz Rätsel auf. | |
Bild: Anders Jacobsen profitiert vom neuen Schuhwerk aus Österreich. | |
GARMISCH taz | Zuerst waberte es als Gerücht durchs Athletendorf am Fuße | |
der Olympiaschanze in Garmisch-Partenkirchen. Die Norweger hätten einen | |
besonderen Schuh. Zehn Minuten vor dem Neujahrsspringen wurde es dann | |
offiziell: Anders Jacobsen springt mit einer Art Schienbeinschoner. | |
Als der Sieger der beiden ersten Springen später gefragt wurde, was es denn | |
mit seinem Schuh eigentlich auf sich habe, legte er seinen rechten | |
Zeigefinger an seine Lippen. „Das ist unser Geheimnis“, sagte er und setzte | |
ein breites Grinsen auf. Dann gab er seinem Mannschaftskollegen Anders | |
Bardal, der zuvor Dritter geworden war, die Faust. Und beide freuten sich | |
diebisch. | |
Hinten im Saal stand Alexander Stöckl. Natürlich war der Cheftrainer der | |
Norweger zufrieden mit der Leistung seiner Springer. Sie sind die große | |
Überraschung dieser 61. Tournee. In Garmisch belegten sie Platz eins, drei | |
und vier im Springen. In der Gesamtwertung rangieren sie auf Platz eins, | |
drei und sechs. Jacobsen drückt der Tournee zudem seinen ganz eigenen | |
Stempel auf. So leicht und locker, wie er am Neujahrstag im zweiten | |
Durchgang den bis dahin führenden Österreicher Gregor Schlierenzauer noch | |
überflügelt hat, ist dem 27-Jährigen alles zuzutrauen. | |
Stöckl allerdings war auch aus einem anderen Grund hochzufrieden, weil ihm | |
mit der Veränderung des Schuhs als Österreicher ein Coup gegen seine | |
Landsleute gelungen ist. „Die Österreicher sind auf dem Materialsektor sehr | |
innovativ“, sagte der Coach, „aber es ist auch mal schön, dass sie auf der | |
anderen Seite stehen.“ Er ist sich sicher, dass Jacobsens Schuh von seinen | |
erfolgsverwöhnten Landsleuten noch genau inspiziert werden wird. Die gaben | |
sich derweil sehr zugeknöpft. „Ich kenn das Teil nicht“, sagte | |
Schlierenzauer pampig. Mit einem Schlag war die jahrelange Selbstsicherheit | |
weggewischt. | |
## Hilfe kam vom Vater | |
Im Sommer war Coach Stöckl aufgefallen, dass speziell bei Jacobsen der Ski | |
in der Luft ein wenig wackelt. Aufgrund der Beweglichkeit seines | |
Sprunggelenkes konnte er die Latten nicht richtig fixieren. Die sind seit | |
dem vergangenen Sommer aber als Tragfläche wichtiger denn je, nachdem das | |
Reglement diese durch die engeren Anzüge reduziert hat. | |
Alexander Stöckl nahm dieses Problem bei einem Heimaturlaub mit nach Hause | |
und besprach es auch mit seinem Vater. „Der ist Ingenieur, zwar im Tiefbau, | |
aber er ist auch ein penibler Tüftler“, berichtet der Filius. Nach einem | |
Monat sei Stöckl senior dann mit einer Idee angekommen. Dabei hat er die | |
nachgiebige Lederzunge um ein Stück aus festem Karbon verlängert. Dadurch | |
wurde der Schuh stabiler. | |
Probiert haben die handelsüblichen, aber optimierten Schuhe im Sommer alle | |
Norweger, doch lediglich bei Jacobsen und Tom Hilde führte er zu einer | |
ruhigeren Skiführung in der Luft. Seit dem letzten Weltcupspringen vor | |
Weihnachten in Engelberg benutzen die beiden das neue Schuhwerk auch im | |
Wettkampf. | |
## Mit Stöckl kam die Freude zurück | |
Es wäre jedoch zu einfach, die neue Stärke der Norweger auf die | |
Veränderungen am Schuh zu reduzieren. Der Aufschwung ist auch eng mit | |
Alexander Stöckl verbunden. Wie Bundestrainer Werner Schuster hat auch der | |
39-jährige Stöckl verschiedene Stationen im System des Österreichischen | |
Ski-Verbandes durchlaufen. | |
Er war Assistenztrainer und nach dem Studium der Sportwissenschaften | |
Cheftrainer bei den Junioren. Damit war er auch am Skigymnasium in Stams, | |
an dem alle Skisprungtalente zentralisiert werden. Seit knapp zwei Jahren | |
ist er bei den Norwegern Cheftrainer. Mit viel Vorsicht hat er das | |
österreichische System auf Norwegen übertragen. „Eine Zentralisierung ist | |
in dem riesigen Land nicht möglich“, erklärt er. Aber eine einheitliche | |
Technik konnte er einführen. | |
Zeitgleich mit Stöckls Dienstbeginn hatte Anders Jacobsen seine Karriere | |
beendet. Trotzdem nahm der neue Coach Kontakt zum Tourneesieger 2007 auf. | |
Dass dieser ein Jahr später sein Comeback anging, lag auch an dem | |
Österreicher. „Er ist der perfekte Trainer für mich“, lobt der Springer. | |
Mit Stöckl sei die Freude am Skispringen wieder zurückgekehrt. Schon vor | |
seinen beiden Erfolgen bei der Tournee bekannte Jacobsen: „Jetzt bin ich | |
ein glücklicherer Mensch als vorher.“ | |
2 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Eckhard Jost | |
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