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# taz.de -- Neuer Tarantino-Film: „Über die Schande hinweggleiten“
> Quentin Tarantinos neuer Film „Django Unchained“ verhandelt die
> Sklaverei. Das sei durchaus vergleichbar mit dem Holocaust, meint der
> Regisseur.
Bild: „Amerika ist für zwei Holocausts in seinem Land verantwortlich“: Que…
BERLIN taz | Kerry Washington berichtet von einem magischen Moment, der
sich während der Dreharbeiten zu „Django Unchained“ ereignet hat. Viele
Szenen des Films seien auf der Evergreen-Plantage entstanden, einer 250
Jahre alten Anlage im Bundesstaat Louisiana. Der Grundriss, Teile der
Gebäude und der Baumbestand stammen aus der Zeit vor der Abolition.
Unter anderem wurde dort die Szene gedreht, in der Washingtons Figur, die
flüchtige und wieder eingefangene Sklavin Broomhilda, ausgepeitscht wird.
„Kurz bevor das Geräusch des ersten Peitschenschlags durch die Bäume fuhr�…
sagt die 35-jährige Schauspielerin am Dienstag bei der Berliner
Pressekonferenz zum Film, „verstummte die Natur. Die Grillen, die Vögel,
alles war still.“
Die Peitschenhiebe sind nicht die einzige Gewalttat, die Broomhilda in
„Django Unchained“ widerfährt. Ihr Gesicht wird mit einem Brandzeichen
markiert; dass sie Freiwild ist, wenn es um die sexuellen Bedürfnisse der
Aufseher geht, wird zwar nicht gezeigt, aber angedeutet, und in einer
besonders fiesen Szene droht der von Leonardo DiCaprio gespielte
Plantagenbesitzer, ihren Schädel zu öffnen und nachzuschauen, ob die
Schädeldecke die Kerben aufweist, die in seinen Augen die naturgegebene
Unterlegenheit und Servilität der Sklaven beweisen.
Tarantinos Film übt keine Zurückhaltung, wo er den zeitgenössischen
Rassismus in Szene setzt; kein Wunder, dass man sich dessen Wucht nicht
leicht vom Leibe halten kann. Die Ausflucht in Naturmystik bietet immerhin
ein wenig Trost.
## „Klatsch minus Tratsch de eh“
Quentin Tarantino sitzt in der Mitte des Podiums, eine Wollmütze auf dem
Kopf, statt eines Jacketts trägt er ein dunkles Samtgewand. „Man soll die
Brutalität sehen, mit der die Amerikaner die schwarzen Sklaven behandelt
haben“, sagt er. „Wie es wirklich war, konnte ich nicht zeigen. Der Film
wäre dann nicht zum Ansehen gewesen.“
Warum es so wenige Filme über Sklaverei gebe, möchte eine Journalistin
wissen. „Weil Amerika Angst hat. Man will sich mit Sklaverei nicht
befassen“, antwortet Tarantino. „Das mag in Deutschland befremdlich
klingen, weil Ihr alle dazu gezwungen seid, euch wieder und wieder mit der
Schande eurer Nation zu beschäftigen. Auch andere Nationen haben sich mit
den Sünden der Vergangenheit auseinandergesetzt. Amerika aber ist es
gelungen, darüber hinwegzugleiten wie auf Schlittschuhen. Sogar in der
Schule – man lernt mehr über den Gold Rush als über Sklaverei.“
Wer an Tarantinos letzten Film „Inglourious Basterds“ zurückdenkt, dem mag
sich die Frage aufdrängen, ob das, was die weißen US-Amerikaner den
schwarzen angetan haben, mit dem vergleichbar sei, was die Nazis den Juden
angetan haben. Tarantino sagt ohne Zögern: „Die knappe Antwort lautet: Ja.“
Er erinnert kurz an seine Cherokee-Wurzeln, bevor er fortfährt: „Amerika
ist für zwei Holocausts in seinem Land verantwortlich: für die Ausrottung
der indianischen Ureinwohner und für die Versklavung von Afrikanern,
Jamaikanern und Westindern.“
Tieferschürfende Analysen sind nicht zu erwarten – eine Pressekonferenz mit
5 Stars und etwa 250 Berichterstattern ist kein Ort für kritischen
Journalismus, eher eine Veranstaltung für Fans. Eine Frau, die hinter mir
steht, während wir noch auf Einlass warten, sagt, sie komme von „Klatsch
minus Tratsch de eh“, und ein junger Mann im dunkelbraunen Nerz, in
Stiefeln mit Sporen und Westernhosen kokettiert damit, direkt aus einem
Spaghetti-Western in den Konferenzsaal gekommen zu sein.
8 Jan 2013
## AUTOREN
Cristina Nord
## TAGS
Quentin Tarantino
Django Unchained
Sklaverei
Holocaust
Amerika
Django Unchained
Micha Brumlik
Quentin Tarantino
Golden Globes
Django Unchained
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