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# taz.de -- Irischer Künstler über den Flaggenstreit: „Es ist eine verrück…
> Der Künstler Robert Ballagh über die Krawalle in Belfast, die
> Verantwortung der Protestanten beim Flaggenstreit und den
> Friedensprozess.
Bild: Brennende Autos in den Straßen von Belfast
taz: Mr Ballagh, die Krawalle in Nordirlands Hauptstadt Belfast scheinen
kein Ende zu nehmen. Warum ist es so entscheidend, den britischen Union
Jack nicht mehr ständig, sondern nur an 17 besonderen Tagen im Jahr über
dem Rathaus zu hissen?
Robert Ballagh: Um das zu erklären, muss man rund 400 Jahre zurückgehen.
Damals siedelte die britische Krone treue protestantische Untertanen vor
allem aus Schottland im Nordosten Irlands an und vertrieb die einheimische
Bevölkerung in karge Landstriche. Deshalb kam es immer wieder zu
Aufständen. Als Irland nach dem Bürgerkrieg 1922 geteilt wurde, behielt
Großbritannien sechs der neun Grafschaften Ulsters, weil dort die
Protestanten eine deutliche Mehrheit hatten. Nordirlands Premierminister
sprach von einem protestantischen Staat für ein protestantisches Volk. Die
katholischen Bürger zweiter Klasse formierten sich Ende der sechziger Jahre
zur Bürgerrechtsbewegung, die vom Staat gewaltsam unterdrückt wurde. So kam
es zu dem Konflikt, der mehr als 3.500 Menschen das Leben kostete. Das
Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998 sollte einen Schlussstrich darunter
ziehen, verlangte den Protestanten aber Kompromisse ab. Dazu kommen die
demografischen Veränderungen, die ihnen Angst machen.
Und aufgrund dieser Veränderungen haben die protestantischen Unionisten
keine Mehrheit mehr im Belfaster Stadtrat?
Genau. Es war eine demokratische Entscheidung, den Union Jack nicht mehr
ständig über dem Rathaus wehen zu lassen. Aber der harte Kern der
Unionisten akzeptiert demokratische Entscheidungen nur, wenn sie ihnen
passen. Sie haben das Konzept des Belfaster Abkommens nie begriffen. Sie
fühlen sich entfremdet, zumal die industrielle Basis in Nordirland
verschwunden und die Arbeitslosigkeit hoch ist.
Aber unter Katholiken ist die Arbeitslosigkeit doch auch nicht niedriger.
Als die britische Regierung freie Bildung einführte, sahen die Katholiken
das als Chance. Sie wussten ja, dass sie mit politischen Mitteln keine
Verbesserungen für sich durchsetzen konnten. Bei den Protestanten war das
anders. Sie legten nie großen Wert auf Bildung, weil sie aufgrund ihrer
Privilegien ohnehin die besten Jobs bekamen.
Die paramilitärischen Organisationen sollen in die Krawalle verwickelt
sein.
Es scheint allgemein akzeptiert zu sein, dass diese Organisationen
involviert sind. Ich habe bisher nur eine einzige politische Forderung
gehört: Direktherrschaft aus London. Das allerdings wäre das Ende der
Demokratie.
Sollte man den Union Jack wieder dauerhaft überm Rathaus flattern lassen?
Das wird der Stadtrat nicht tun, selbst der unionistische Premier Peter
Robinson hat das abgelehnt. Es ist ja eine verrückte Situation. Auf allen
anderen offiziellen Gebäuden gilt die 17-Tage-Regelung längst. Die
unionistischen Parteien tragen eine Mitschuld an den Krawallen. Sie haben
gegen die Entscheidung mobilisiert, verurteilen aber jetzt die
Ausschreitungen.
Besteht eine Gefahr für den Friedensprozess?
Nein, das glaube ich nicht. Wir sind nicht wieder dort, wo wir vor dem
Belfaster Abkommen waren, es gibt keinen bewaffneten Konflikt. Der
Flaggenstreit ist allerdings ein Rückschlag.
15 Jan 2013
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
Ralf Sotscheck
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Flaggenstreit
Belfast
Union Jack
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