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# taz.de -- Meinungsumfragen vom Forsa-Institut: Der Geschmacksverstärker
> Forsa liefert stets spektakuläre Zahlen, die immer passen. Jüngstes
> Beispiel: Die SPD bei 23 Prozent. Mit Empirie hat das wenig, mit
> Zahlenzauber viel zu tun.
Bild: Der Teufel scheißt auf den größten Haufen – nicht auf 23 Prozent Qui…
BERLIN taz | Da steht es schwarz auf weiß. Nur 23 Prozent würden die SPD
wählen, wenn am Sonntag Bundestagwahl wäre. 2.507 Bundesbürger wurden
telefonisch befragt, die statistische Fehlertoleranz beträgt, laut Forsa,
plus minus 2,5 Prozentpunkte. Ein objektiver Wert also, keine Schätzung.
Das Forsa-Institut ist gut im Politgeschäft. [1][Es verbreitet seine Zahlen
wöchentlich über Stern und RTL.] Im Stern erklärt Forsa-Chef Manfred
Güllner, ein Schamane des Informationszeitalters, stets, was die Zahlen
bedeuten und wer was mal wieder falsch macht. Auffällig ist, dass Forsa
immer die krassesten Zahlen präsentiert. Geht es der FDP übel, taxiert
Forsa die Liberalen bei 2 Prozent. Kein anderes Institut hat die FDP in
letzten Monaten so niedrig gemessen. Forsa-Zahlen funktionieren wie
Geschmacksverstärker. Sie beweisen, dass es immer so ist, wie das Publikum
es schon ahnte. Und noch ein bisschen mehr.
Besonders hingebungsvoll inszeniert Güllner die Krisen der SPD, der der
Forsa-Chef, selbst SPD-Genosse, in einer Art Hassliebe verbunden ist. Sie
schneidet bei Forsa immer ein paar Prozent schlechter ab als bei emnid oder
Allensbach. Lafontaines Linkspartei im Saarland schätzte Forsa 2008 mal auf
29, die SPD dort auf 16 Prozent. Kein Institut kam je auf ähnliche Werte.
## Und immer wieder „23 Prozent“
Die Zahl „23 Prozent“ passt, wie immer etwas zu perfekt, in die mediale
Erwartungshaltung. Der Kandidat Steinbrück, einst von Medien als Retter der
SPD in Szene gesetzt, wird seit Wochen hart kritisiert. Steinbrück, durch
Egozentrik und Lernunfähigkeit schwer behindert, gibt dieser
Bashingstimmung neue Nahrung.
Forsa liefert nun, passend vier Tage vor der Wahl in Niedersachsen, die
Zahl, die Steinbrücks Abstieg illustriert und von Medien wie Spiegel Online
dankbar aufgenommen wird. „23 Prozent“ fügt sich nahtlos in die mediale
Rhetorik des „immer mehr“ und „immer schlimmer“. „23 Prozent“ ist m…
alles andere eine Erzählung. Genau so wenig bekam die SPD bei ihrer
Wahlniederlage 2009. Dort ist sie nun in einer deprimierenden Kreisbewegung
offenbar wieder angekommen.
Man muss die Forsa-Zahlen vor allem zur SPD so lesen wie, sagen wir, einen
Kommentar in Bild. Es sind strategisch platzierte Meinungsäußerungen,
verbreitet im schütteren Kleid der Objektivität. Forsa ist nur das
auffälligste Beispiel, wie ungenau, ja willkürlich das Umfragebusiness oft
funktioniert. 2005 taxierten alle Institute die Union eine Woche vor der
Wahl auf über 40 Prozent, sie bekam 35.
Das hat Gründe: Die Unschärfen nehmen zu. Immer mehr wissen nicht, ob und
was sie wählen werden. Auf dem Festnetz erreichen die Meinungsforscher vor
allem Ältere, jüngere Handybenutzer sind für sie eine schwierig taxierbare
Gruppe, die, wenn auch Pi mal Daumen, einkalkuliert werden muss. Weil die
Rohdaten indifferenter werden, würzen Güllner & Co sie, wie Zauberer in der
Hexenküche, nach eigenen, geheimen Rezepten, bis am Ende Konsumierbares
entsteht.
## Das Geheimnis der Umfragedemokratie
Es ist kurios, dass unsere aufgeklärte Öffentlichkeit diesen Hokuspokus mit
unerschütterlichem Kinderglauben mitmacht. Das Geheimnis der
Umfragedemokratie ist, dass alle sie brauchen. Politiker starren gebannt
auf die neuesten Zahlen auf ihrem Smartphone und hoffen auf Orientierung in
konfusen Zeiten. Medien brauchen Ware, die als objektiv verkauft werden
kann.
Die Gefahr ist, dass die Zauberzahlen selbst die Wahl beeinflussen können.
Eine Kleinpartei, die auf 2 Prozent taxiert wird, bekommt vielleicht
weniger Stimmen, weil niemand Verlierer wählen will. Der Teufel scheißt auf
den größten Haufen.
Wir sind Süchtige. Was hilft, ist ein bisschen Entzug. Früher war es
üblich, eine Woche vor der Wahl keine Umfragen mehr zu publizieren. Eine
kluge Regel.
16 Jan 2013
## LINKS
[1] http://www.stern.de/politik/deutschland/wahlumfrage-stern-rtl-wahltrend-im-…
## AUTOREN
Stefan Reinecke
Stefan Reinecke
## TAGS
Forsa
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Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Politik
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