| # taz.de -- 60 Jahre Augsburger Puppenkiste: Nicht weinen | |
| > Die Augsburger Puppenkiste ist nach 60 Jahren kaum noch im TV zu sehen. | |
| > Da hilft auch die nostalgische Verklärung von Eltern nichts. | |
| Bild: Die „Puppenkisten“-Produktionen bestehen gerade einmal aus vier bis s… | |
| Eigentlich ist das mit dem 60. Fernsehgeburtstag der „Augsburger | |
| Puppenkiste“ am 21. Januar ja ein wenig gemogelt: Bereits im Oktober 2011 | |
| nämlich strich der Kika, der gemeinsame Kinderkanal von ARD und ZDF, das | |
| Marionettentheater mit der Begründung „nicht mehr zeitgemäß“ – sprich: | |
| unbefriedigende Einschaltquoten – aus seinem Programm. | |
| In der Augsburger Spitalgasse, wo das Theater seit 1948 seine Spielstätte | |
| hat, gingen daraufhin kistenweise Beschwerdebriefe ein, sogar der | |
| bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) intervenierte: Für „falsch | |
| und sehr ärgerlich“ halte er die Entscheidung des Kika. Der Intendant des | |
| Bayerischen Rundfunks (BR), Ulrich Wilhelm, sprang Spaenle in der | |
| Süddeutschen Zeitung bei. Dann verlief die Empörung ein wenig im Sande, | |
| jedenfalls kamen Jim Knopf, Urmel und der „Kleine König Kallewirsch“ nicht | |
| zurück. | |
| Derzeit ist der BR der einzige Sender, der überhaupt noch mit dem | |
| Figurentheater zusammenarbeitet. Kürzlich lief „Freitag auf d’Nacht“ an … | |
| ein Satireformat, dass der BR immer freitags um 23 Uhr ausstrahlt: Zwei | |
| Moderatoren sollen sich mit zwei Gästen und „viel Spontaneität“ über ein | |
| Thema unterhalten, zwischendurch kommen (weitgehend unbekannte) | |
| „Puppenkisten“-Marionetten zu Wort. Ansonsten gibt es für Kinder noch | |
| „Ralphi“, eine Bärenmarionette, die seit 2005 auf dem weitgehend | |
| unbekannten Bildungskanal Bayern-alpha erklärt, wie Roboter gebaut werden | |
| und woraus Papier besteht. | |
| Dass die „Puppenkiste“ in der letzten Zeit in der öffentlichen Wahrnehmung | |
| dennoch präsent war, liegt an Familienministerin Kristina Schröder (CDU). | |
| Die erklärte kurz vor Weihnachten in der Zeit, sie wolle ihrer Tochter das | |
| „Negerbaby“ Jim Knopf als „Baby mit dunkler Hautfarbe“ vorlesen. Als da… | |
| noch der Thienemann-Verlag ankündigte, „Neger“ und veraltete Begriffe wie | |
| „wichsen“ aus Otfried Preußlers Kinderbuchklassiker „Die kleine Hexe“ … | |
| verbannen, diskutierten die Medien über das Für und Wider von Werktreue und | |
| Zensur in Kinderliteratur. | |
| ## Mindestens 26 Folgen nötig | |
| Beim HR, der die „Puppenkiste“ ab 1959 produziert hatte und die alleinigen | |
| Aufführungsrechte besitzt, verfolgt man die Diskussion über das „Negerbaby�… | |
| Jim mit Distanz: Dem HR sei nicht bekannt, dass der Begriff „Neger“ in der | |
| TV-Version überhaupt benützt würde, sagt Pressesprecher Tobias Häuser. Und | |
| selbst wenn: So kompromisslos wie Jim Knopf als Waise auf der Insel | |
| Lummerland aufgenommen wird, zeige das ja gerade die Botschaft: Es kommt | |
| nicht darauf an, ob jemand schwarz oder weiß ist. „Am Ende“, sagt Häuser, | |
| „ist es wahrscheinlich genau diese Metaebene, die Kinder wahrnehmen.“ | |
| Die Probleme, die das Fernsehen mit den alten Geschichten hat, sind denn | |
| auch ganz andere als die der Verlage. Die „Puppenkisten“-Produktionen | |
| bestehen gerade einmal aus vier bis sechs knapp halbstündigen Episoden. Zu | |
| wenig, sagt Häuser: Um heute ein Programm im Kika auf einem täglichen | |
| Sendeplatz erfolgreich zu etablieren, brauche man mindestens 26 Folgen – | |
| die Sendeplätze sind mehr geworden, das Konkurrenzprogramm größer. In der | |
| „nostalgischen Verklärung ihrer eigenen Fernsehsozialisation“ würden das | |
| viele Eltern aber gerne ignorieren. | |
| Deutlicher gesagt: „Es gibt nicht mehr viele Kinder, die die Sendung heute | |
| noch sehen wollen“, meint Häuser. Die DVDs mit den alten Klassikern, die | |
| der HR 2004 auf den Markt brachte, würden etwa sehr gern von Eltern | |
| geordert – während die letzte Produktion, „Lilalu im Schepperland“, im J… | |
| 2000 kaum noch junge Zuschauer gefunden hätte. | |
| Sams und Urmel werden also wohl dauerhaft da bleiben, wo sie sind: im | |
| Archiv der schönen Fernseherinnerungen. Zu Pfingsten zeigt der HR im | |
| Jubiläumsjahr aber doch noch mal die Staffeln von „Jim Knopf“, „Urmel“… | |
| „Der Löwe ist los“. Damit die Erwachsenen nicht so traurig sind. | |
| 21 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Anna Klöpper | |
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