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# taz.de -- Präzedenzfall droht: Firma will Streik verbieten lassen
> Die Gewerkschaft BCE setzt ihren Streik beim Verpackungsmittelhersteller
> Neupack aus. Der geht ganz neue Wege beim Arbeitsgericht.
Bild: Streiken seit Anfang November für einen neuen Haustarifvertrag: Neupack-…
HAMBURG taz | Der Arbeitskampf beim Verpackungsmittelhersteller Neupack in
den Werken Rotenburg an der Wümme und Hamburg-Stellingen nimmt neue
Dimensionen an.
Mit einer einstweiligen Verfügung, die am Freitag vor dem Arbeitsgericht in
Verden verhandelt wird, versucht das Familienunternehmen Krüger, der
Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie (IG BCE) den seit 1. November
andauernden Erzwingungsstreik der knapp 200 Beschäftigten für einen
Haustarifvertrag verbieten zu lassen.
„Das ist ein gravierender Angriff auf das Streikrecht und die
Tarifautonomie“, sagt die Fachanwältin für Arbeitsrecht, Mechthild Garweg,
die die IG BCE vertritt. „Dieses Verfahren ist auch für andere
Gewerkschaften von großer Bedeutung.“
Neupack begründet seinen im Arbeitsrecht einzigartigen Vorstoß damit, dass
Streikposten und Unterstützer „polnische Mitarbeiter“ immer wieder bedroht,
bepöbelt und bespuckt hätten. In einem Fall sei es sogar in Rotenburg zu
Handgreiflichkeiten gekommen, als drei Personen in die Wohnunterkunft eines
Streikbrechers eingedrungen seien.
„Einer der Männer hatte sogar einen Schlagstock dabei“, sagt Firmensprecher
Lars Krüger, was nach taz-Informationen nicht stimmt.
In der Tat ist es jedoch zu einer Schlägerei gekommen, in deren Verlauf, so
eine Augenzeugin, der Leiharbeiter eine Schädelfraktur am Auge erlitten
hat. Was der tatsächliche Hintergrund des Streits war, ist zurzeit nicht
bekannt. Die Polizei Rotenburg ermittelt, nennt aber keine Einzelheiten.
„Wir verurteilen jede Art von Gewalt“, sagt der IG-BCE-Landeschef Jan
Eulen. Die Gewerkschaft habe noch immer keine „belastbaren Erkenntnisse
über die Hintergründe des Vorfalls“, so Eulen.
In der Tat stellt der Einsatz von mittlerweile fast drei Dutzend polnischer
Leiharbeiter als Streikbrecher für die Streikenden ein Problem dar. Die
Streikbrecher in Hamburg werden jeden Morgen mit einem Bus zum
Neupackgelände gebracht, während die Streikposten Tag und Nacht in der
Kälte an den Betriebstoren unter einer Autobahnbrücke in der Peripherie
ausharren.
Kaum kommt der Bus an, springen Polizisten aus ihren Mannschaftswagen und
bahnen dem Bus den Weg, wobei die Streikposten weggestoßen oder auch schon
festgenommen wurden.
Für die Polizei sind die Polen offiziell fremde Leiharbeiter, weswegen ihre
Behinderung am Werkstor strafrechtlich eine Nötigung darstellt.
Arbeitsrechtlich werden sie jedoch von Neupack als befristet eingestellte
Mitarbeiter geführt, da sonst ihr Streikbrecher-Einsatz nach der
Rechtssprechung unzulässig ist.
Die IG BCE stellt nun ihre Streiktaktik um. „Wir müssen erkennen, dass wir
durch einen Streik angesichts der Streikbrecher keinen wirtschaftlichen
Druck auf das Unternehmen ausüben können, um die für ihre Gutsherrenart
bekannten Firmenchefs zum Einlenken zu bewegen“, sagt ein Gewerkschafter.
Daher werde die Belegschaft ihren Vollstreik Donnerstagmorgen unterbrechen
und nunmehr flexibel mit Arbeitsniederlegungen reagieren.
Die IG BCE hofft dadurch, Druck auf Neupack ausüben zu können, da die Firma
nun faktisch zwei Belegschaften bezahlen muss.
Indes vertritt der Bremer Arbeitskampfrechts-Experte Wolfgang Däubler die
Auffassung, dass das Vorgehen von Neupack verfassungswidrig ist. Denn der
Grundgedanke des Paritätsprinzips sei verlassen und durch die Streikbrecher
dem verfassungsmäßigen „Streik die Grundlage entzogen“ worden.
Das verstoße gegen die Leitlinie des Sozialpaktausschusses der Vereinten
Nationen und der Internationalen Arbeitsorganisation und sei eine
„schwerwiegende Verletzung der Vereinigungsfreiheit“.
23 Jan 2013
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
IG BCE
Neupack
EU
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