# taz.de -- Berliner Pirat Morlang über Einkünfte: „Wir wollen deine Unterh… | |
> Der Berliner Pirat Morlang hat nach über einem Jahr seine Nebeneinkünfte | |
> offen gelegt. Warum hat das so lange gedauert? | |
Bild: Naja, eine Revolution sieht noch ein bisschen anders aus. | |
taz: Herr Morlang, wie viel verdienen Sie neben ihrem Abgeordnetenmandat? | |
Alexander Morlang: Das steht auf meiner Homepage. | |
Es hat über ein Jahr gedauert, bis es da gelandet ist. Über ein Jahr. | |
Ich wollte korrekt Auskunft geben, und da hat es eben gedauert, bis ich | |
alle Papiere zusammen hatte. | |
Das ist eine schlagfertige Begründung, aber sie kann nicht die Ansprüche | |
außer Kraft setzen, die das Parlament und ihre eigene Partei an sie | |
formulieren. | |
Ich bin in dieser Zeit dreimal um- und ins Parlament eingezogen. Ich | |
wusste, da gibt es noch eine Einnahme, aber ich wusste nicht mehr in | |
welchem Jahr. Und ich wollte korrekt sein - entweder stimmt die Zahl oder | |
sie stimmt nicht. | |
Ach, das war gar kein Witz? Warum ist es so kompliziert, Nebeneinkünfte von | |
bagatellhaften 1.000 Euro öffentlich zu machen? | |
Sie können von mir nicht verlangen, meine Kundendaten offenzulegen, ganz | |
klar. Schließlich will ich irgendwann wieder aus der Politik raus und | |
zurück an meinen Rechner und kreative Dinge tun. Es geht keinen an, für wen | |
ich was programmiert habe. | |
Diese Begründung kenne ich gut – von Leuten aus CDU und FDP. Wollen Sie | |
jetzt konservative Politik machen? | |
Nicht alles, was die Konservativen sagen, ist falsch. Ich habe die CDU auch | |
schon gelobt. | |
Es würde ja schon reichen, dass Sie sagen, in welcher Höhe Ihre | |
Nebeneinkünfte liegen. Die Schuhgröße ihrer Auftraggeber interessiert | |
keinen Menschen. | |
Haben Sie eine Ahnung, was alles von mir verlangt wurde? Das war grotesk! | |
Das war wie: Wir wollen deine Unterhosen sehen! | |
Meinen Sie jetzt die Ansprüche des Abgeordnetenhauses oder die Ihrer | |
eigenen Leute? | |
Was das Parlament wissen will, erfülle ich von Anfang an. Es geht um das, | |
was die eigenen Leute wollen und die, die sich für die eigenen Leute | |
ausgeben. | |
Wie können Sie und Ihre Partei Transparenz einklagen – und sich nur daran | |
halten, wenn es Ihnen nützt? | |
Was wir mit den Abgeordneteneinkünften machen, ist nicht Transparenz, | |
sondern Scheintransparenz. Ich arbeite gerade an einem Projekt mit anderen | |
Leuten, wie wir vier Piraten-Fraktionen in den Ländern die Daten über | |
Nebeneinkünfte nach einheitlichen Kriterien erfassen können. Wenn wir 16 | |
Landtagsfraktionen haben und eine Bundestagsfraktion … | |
Glauben Sie echt, dass sich dieses Problem noch stellen wird: 16 | |
Landtagsfraktionen? | |
(lacht) Ist das jetzt die Einladung zum großen Trollen? | |
Erklären sie gern ihr lückenloses Modell zur Erfassung von Nebeneinkünften. | |
Alles, was wir bis jetzt haben, entspricht in keinster Weise den | |
Ansprüchen, die wir an Open Data haben. Es gibt keine Norm, keine Standards | |
und keinen Weg, dass andere auf diese Daten geordnet zugreifen können. | |
Vielleicht gibt es die superperfekte Lösung einfach nicht | |
Kann sein, aber dann müssen wir eingestehen, dass wir eine | |
Scheintransparenz leben. Die gar nicht das leistet, was wir wollen, die die | |
interessanten Dinge nicht zeigt, die in Nebeneinkünften stecken. Was wollen | |
wir denn erreichen mit der Nummer? Wir wollen wissen, wo über | |
Nebeneinkünfte Einfluss auf die Mandatsträger ausgeübt wird. | |
Ja, ob sie zum Beispiel für Google gearbeitet haben und jetzt also im | |
Parlament nicht der unabhängige Abgeordnete, sondern der | |
Interessenvertreter einer Suchmaschine sind. | |
Daraus habe ich nie einen Hehl gemacht. Wenn Sie genau recherchieren, | |
werden Sie entdecken, dass ich in der Google Summerschool of Code ein | |
Mentor war. Das war aber vor der Wahl. Das interessiert also keinen. Da | |
sieht man: Was wir als Transparenz bezeichnen, ist in Wahrheit blind für | |
Einflüsse. Das heißt, was wir momentan machen, reicht nicht. Es entspricht | |
nicht unseren Maßstäben von Open Data. | |
Wie läuft es denn bisher? | |
In den vier Landtagafraktionen erklärt sich jedes Mitglied irgendwie auf | |
seiner Blogseite. Jeder in einem anderen Format, jeder mit anderen Angaben. | |
Das meine ich mit Scheintransparenz. | |
Und Sie beheben das jetzt? | |
Ich entwickle zusammen mit anderen ein Modell. Das Modell soll allen | |
Ansprüchen genügen, die wir an Open Data anlegen: maschinenlesbar, | |
standardisiert, zentral verlinkt, so dass sie mit Hilfe einer API da | |
Statistiken draus machen können oder data mining oder Big Data. Sie wissen | |
ja, dass Datenjournalismus die Zukunft Ihres Berufs ist. | |
Na klar weiß ich das, Herr Morlang. Aber zurück zu Ihnen. Verstehen Sie, | |
dass die Menschen irritiert sind, wenn Sie gegen einen Grundsatz verstoßen, | |
den Sie selbst und Ihre Partei auf den Schild gehoben haben. | |
Ich verstehe, dass die Menschen irritiert sind. Aber das ist auf der | |
anderen Seite noch lange kein Grund, mit Leuten so umzugehen, wie es | |
passiert ist. Das ist kein Weg. | |
Die Homepage "morlangseinkuenfte.de" war doch eine witzige Idee. Hätte | |
unter anderen Umständen von Ihnen sein können, oder? | |
Ich meine nicht die Homepage. Ich bin darüber hinaus massiv angegangen | |
worden - auch noch, als ich meine Einkünfte längst erklärt hatte. Es geht | |
um persönliche Attacken. | |
Ach, haben Sie wohl einen Shitstorm erlebt? Dabei sind Sie doch selbst kein | |
Kind von Traurigkeit. | |
Ich glaube, wenn ich mich nur auf Twitter lesen würde, dann würde ich mich | |
überhaupt nicht mögen. | |
Haben Sie sich ungerecht behandelt gefühlt? | |
Teilweise schon. Man hat mich sabotiert. Man hat mit den massiven Attacken | |
auf Twitter mein primäres Kommunikationsmittel außer Kraft gesetzt. Ich | |
habe eine Woche lang permanent Tweets und Anrufe bekommen, Hunderte. | |
Hat sie das verletzt? | |
Nein, das war einfach destruktiv. Es hat mich behindert. Das ist so, als | |
wenn sie jemanden sagen, zieh das Auto aus dem Schlamm – und spritzen dann | |
mit 'nem Schlauch weiter Wasser rein. Ich habe später aber auch viele | |
Hilfsangebote bekommen. | |
Kann es sein, dass Sie die Transparenzregeln und Umgangsformen, die die | |
Piraten sich und der Gesellschaft verordnen wollten, nachjustieren müssen - | |
auch weil Sie sie selber nicht einhalten und ertragen. | |
Das finde ich nicht. Wir wollen, dass die Meinungsbildung innerhalb der | |
Partei im Wiki transparent und sichtbar gemacht wird. Da sind wir dran. Und | |
wir setzen auf Liquid Democracy. Tweeds hingegen haben nichts mit der | |
geforderten Transparenz zu tun. | |
Warum haben Sie dann heute dafür gesorgt, dass drei Ihrer Parteifreundinnen | |
sich auf Twitter nicht öffentlich zerlegen? Und ihnen geraten, zu | |
telefonieren? | |
Na weil es eben nichts mit Piratenpolitik zu tun hatte, das war doch nur | |
Gedöns. | |
10 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Füller | |
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