# taz.de -- Senkung des Wahlalters: Wählen mit 16? Nicht mal geschenkt! | |
> Zwei Hamburger Schüler wehren sich: Die Jugendlichen seien nicht gefragt | |
> worden und wollten dieses neue Recht überwiegend gar nicht haben. | |
Bild: Stellen das Wahlrecht mit 16 infrage: Simon Peeck (li.) und Nicolas Kleen… | |
HAMBURG taz | Es ist, als hätte er es gelernt. Simon Peeck steht auf der | |
Bühne der schneeweißen Aula des Hansa-Gymnasiums in Hamburg-Bergedorf und | |
teilt Politikern Redezeiten zu. Thema der Podiumsdiskussion: Die Einführung | |
des aktiven Wahlrechts mit 16 Jahren, die die Bürgerschaft am Mittwoch in | |
zweiter Lesung beschließen will. Peeck hat dern starken Verdacht, dass hier | |
etwas beschlossen werden soll, was kaum ein Jugendlicher will. | |
Der 17-Jährige ist Schulsprecher. Souverän moderiert er vor den zehnten und | |
elften Klassen und deren Lehrerschaft die Debatte, die er mit seinem | |
15-jährigen Freund Nicolas Kleenworth angestoßen hat: Wollen die 16- und | |
17-Jährigen überhaupt das Wahlrecht für das Landesparlament? Die meisten | |
eher nicht, glauben Simon und Nicolas. „Gerade die politisch interessierten | |
Jugendlichen sind es, die dagegen sind“, war ihr Eindruck. | |
Die beiden Schüler haben es nicht dabei belassen und eine Umfrage unter 300 | |
Zehnt- und Elftklässlern gemacht. 73 Prozent der Befragten waren – wie die | |
beiden Initiatoren – gegen das Wahlrecht mit 16. Gut die Hälfte wusste | |
nicht, was ihnen die Bürgerschaft bescheren will. Auf dem Erhebungsbogen | |
konnte jeder eine Frage an die Abgeordneten formulieren – für eine | |
Podiumsdiskussion vergangene Woche im Luisen-Gymnasium und nun im | |
Hansa-Gymnasium. | |
Simon als Moderator ist verkabelt wie im Fernsehstudio; Nicolas geht mit | |
dem Funkmikrofon durch die Reihen. Die Technik und die Politiker hat | |
Nicolas‘ Mutter Kerstin Kleenworth organisiert, die in der Kampagne des | |
Anwalts Walter Scheuerl gegen die schwarz-grüne Schulreform Erfahrung | |
gesammelt hat. Scheuerl hat als parteiloser Abgeordneter in der | |
Bürgerschaft gewarnt, das Wahlrecht mit 16 werde „den Frieden in den | |
Schulen empfindlich stören“. | |
So wie Simon und Nicolas argumentieren, machen sie nicht den Eindruck, als | |
sei es für sie zu früh zu wählen. Warum sie dieses Geschenk nicht annehmen? | |
„Mit dem Gesetz wird Politik über das Volk hinweg gemacht“, sagt Nicolas. | |
„Wenn wir das Wahlrecht unbedingt hätten haben wollen, würden wir zu | |
Tausenden vor dem Rathaus stehen“, sagt Simon. | |
Der 17-Jährige befürchtet, dass die Jugendlichen extremen Parteien | |
zulaufen. Er wolle nicht erleben, dass die NPD wegen der Jungwähler in den | |
Genuss der Wahlkampfkostenerstattung komme. Beide trauen den meisten | |
16-Jährigen nicht das nötige Verantwortungsgefühl zu. | |
Das Publikum im Hansa-Gymnasium kritisiert die Willkür der Altersgrenzen. | |
Die Schüler stehen auf, um ihre Fragen zu stellen: „Wieso dürfen wir nicht | |
trinken, Auto fahren und rauchen, aber das höchste Bürgerrecht ausüben?“ | |
„Ist man mit 18 reifer als mit 16?“ | |
Die grüne Bezirkspolitikerin Ute Becker-Ewe verweist darauf, dass die grüne | |
Jugend daran arbeite, die Altersgrenzen für das Wählen ganz abzuschaffen. | |
Im Saal des ehrwürdigen Gymnasiums ruft das Gelächter hervor. Der | |
Rotklinkerbau stammt aus einer Zeit, als die Schüler mit dem Abitur zwar | |
das Reifezeugnis erhielten, aber als Minderjährige die Schule verließen. | |
Einige Jugendliche äußern sich positiv zum Wählen mit 16. „Ich bin 17“, | |
sagt einer. „Bei der Bundestagswahl werde ich 17 drei Viertel Jahre alt | |
sein, dann lebe ich vier Jahre unter einer Regierung, die ich nicht habe | |
wählen können.“ Seine Altersgruppe sei zu wenig in der Politik | |
repräsentiert, moniert ein Anderer. | |
Simon und Nicolas ist klar, dass sie spät dran sind, um mit ihrer Aktion | |
etwas auszurichten. Theoretisch wäre das Gesetz zwar noch zu stoppen. Die | |
CDU will beantragen, die Abstimmung zu verschieben. „Dann könnte man eine | |
repräsentative Umfrage machen“, sagt Simon. | |
Doch die SPD hat gerade noch einmal deutlich gemacht, dass sie das Gesetz | |
mithilfe der Grünen, Linken und Teilen der FDP durchbringen will. „Wir | |
haben das klare Votum von ’Jugend im Parlament‘ in der Bürgerschaft im | |
Rücken“, sagt die SPD Bürgerschaftsabgeordnete Peri Arndt. Es gebe keine | |
repräsentative Umfrage gegen das Wählen mit 16. | |
12 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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