Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Staatsbürgerschafts-Debatte: FDP entdeckt den Doppelpass
> Liberale finden die doppelte Staatsbürgerschaft plötzlich gut. Die CSU
> ist verärgert. Die Opposition freut der Sinneswandel – und überschüttet
> die FDP mit Spott.
Bild: Ich bin beides!
BERLIN taz | Die Kanzlerin war nicht angetan. Ein aktueller
gesetzgeberischer Handlungsbedarf sei nicht ersichtlich, ließ sie ihren
Regierungssprecher Steffen Seibert nur knapp ausrichten. Es gebe weiter
„gute Gründe“ für den deutschen Grundsatz, die Mehrstaatlichkeit zu
vermeiden.
Noch deutlicher wurde Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU): „Frau
Leutheusser-Schnarrenberger bereitet offensichtlich eine Ampelkoalition
vor“, knurrte er. Der Minister, in dessen Ressort das Thema fällt, lehnt
jede Änderung am geltenden Staatsangehörigkeitsrecht ab: Eine Gesetzreform
stehe nicht auf seiner Agenda.
FDP-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte zuvor
für Aufregung in den Reihen der Regierung gesorgt, indem sie sich für eine
Reform des Staatsangehörigkeitsrechts aussprach. „Die Optionslösung gehört
auf den Prüfstand“, hatte die Ministerin am Montag zu Spiegel Online
gesagt. „Integration kann auch durch doppelte Staatsbürgerschaft gefördert
werden, wie die vielen Fälle von gut integrierten Bürgern mit
Doppelstaatsbürgerschaft zeigen.“
Zuvor hatte schon der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus
Löning (FDP), die Optionspflicht scharf kritisiert: Die Ungleichbehandlung
von jungen Deutschtürken sei „schwer auszuhalten“, sagte er der
Süddeutschen Zeitung. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle schlug im
Handelsblatt ähnliche Töne an. Das wirkte wie eine konzertierte Aktion, mit
der sich die FDP vor der Wahl in Sachen Integration vom Koalitionspartner
absetzt.
## 180-Grad-Wende
Die Opposition begrüßt den Sinneswandel der FDP, spart aber auch nicht mit
Spott. „Schön, dass die verzweifelt ums Überleben kämpfende FDP nun
plötzlich ihre Liebe zur doppelten Staatsbürgerschaft entdeckt“, höhnte der
innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann. Er
erinnerte daran, dass die FDP seit dem Jahr 2000 alle Initiativen abgelehnt
hat, das Staatsangehörigkeitsrecht zu ändern und die Optionspflicht
abzuschaffen.
„Durchschaubar“ findet auch Katrin Göring-Eckardt, die Frontfrau der
Grünen, was sie „das wahltaktische Kalkül der Bundesjustizministerin und
ihrer Partei“ nennt. „Anstatt Verantwortung für die gescheiterte
Integrationspolitik von Schwarz-Gelb zu übernehmen, stiehlt sich die FDP
nun davon, indem sie sich plötzlich von der eigenen Politik distanziert“,
sagt sie. Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen wirft der Union
„Türkenfeindlichkeit“ vor, weil der Optionszwang vor allem Türkinnen und
Türken betreffe.
Dass nun auch die FDP die Optionspflicht in Frage stellt und sich für die
Mehrstaatlichkeit ausspricht, begrüßt Kenan Kolat von der Türkischen
Gemeinde. „Wenn die FDP das ernst meint, dann sollte sie einen
Gruppenantrag mit den anderen Fraktionen stellen, um die Optionspflicht
noch in dieser Legislaturperiode abzuschaffen“, findet der SPD-Politiker.
„Damit würde sie Geschichte schreiben.“
20 Feb 2013
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
doppelte Staatsbürgerschaft
Doppelpass
Integration
Deutschtürken
Optionspflicht
Bremen
Doppelpass
CSU
Doppelpass
Heinz Buschkowsky
Schwerpunkt Deniz Yücel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Doppelte Staatsbürgerschaft: Erzwungener Identitätskonflikt
Ein Politik-Kurs der Gesamtschule Ost erstellt eine Broschüre zum Thema
doppelte Staatsbürgerschaft. Nur drei von 20 SchülerInnen hätten diese
gerne.
Optionspflicht bei Staatsbürgerschaft: Qual der Entscheidung
Ab diesem Jahr müssen sich Kinder von Nicht-EU-Ausländern für eine
Staatsangehörigkeit entscheiden. Drei Protokolle von Jugendlichen.
Optionszwang wird aufgeweicht: Bremen will den Doppelpass
Junge Bremer sollen sich nicht mehr zwischen zwei Pässen entscheiden
müssen. Ein Erlass definiert, wann beide erlaubt sein könnten.
Mehrstaatlichkeit wird Wahlkampfthema: FDP umwirbt Deutschtürken
Ab diesem Jahr verlieren die ersten jungen Doppelstaatler ihren deutschen
Pass wieder. Die CDU besteht auf der Optionspflicht, die FDP nicht mehr.
CSUler über doppelte Staatsbürgerschaft: „Kein Handlungsbedarf“
Der integrationspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Michael Frieser
(CSU), über Probleme mit zwei Pässen und die Forderung nach einer
Entscheidung.
Kommentar doppelte Staatsbürgerschaft: Der zweite Pass ist gelebte Realität
Die Argumentation der Union zur doppelten Staatsbürgerschaft ist verlogen.
Die Liberalen versuchen sich vom Koalitionspartner abzugrenzen.
SPD-Ärger über Heinz Buschkowsky: Doppelpass ins Nichts
Er kann es nicht lassen. Doch mit seiner Polemik gegen die doppelte
Staatsbürgerschaft bringt Heinz Buschkowsky nun die SPD gegen sich auf.
Mehr Einbürgerungen: Deutschmacher erfolgreich
Der Senat lobt seine Einbürgerungskampagne, der Opposition geht sie nicht
weit genug, es handle sich um eine Werbekampagne für den Bürgermeister.
50 Jahre Türkinnen in Deutschland: Çok yaşa, CDU!
Zum 50. Jahrestag des Einwanderungsabkommens mit der Türkei hier mal ein
überfälliges Lob: Danke, CDU!
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.