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# taz.de -- Ewige Stadt: Arrivederci, Roma!
> In der Ära des Bürgermeisters Gianni Alemanno haben Neofaschisten,
> Immobilienspekulanten und die Mafia Saison. Ein Streifzug durch den Süden
> Roms.
Bild: Brummmmm, ab in die Zukunft Roms mit den schönsten Events!
Vom Balkon der Casa Pound blickt man auf die Basilika Santa Maria Maggiore,
eine der schönsten Kirchen der Stadt. Um sie herum stehen die mächtigen
Palazzi des Esquilin, eines der sieben Hügel Roms. In dem großen Raum, der
auf den Balkon führt, sind leere Stühle im Kreis angeordnet. Darüber hängen
Poster mit markigen Sprüchen über Heldenblut und Volkswohnungen.
Hier trifft sich die neofaschistische Jugend Roms und Italiens. Der
„Konferenzsaal“ liegt im siebten Stock, im ersten die in männermiefigem
Schwarz gehaltenen Büros und ein Zimmer mit Stockbetten. „Das ist für
Gäste, die von auswärts kommen“, erklärt Davide. Er ist im rechtsextremen
Studentenblock und kleiner Bruder eines der großen Chefs.
Was in den anderen Stockwerken geschieht, die durch ein elegantes
Treppenhaus mit Marmorstufen verbunden sind, sollen Besucher nicht so genau
wissen. „Es sind Wohnungen“, sagt Davide kurz angebunden. Ansonsten spricht
er aber gern über das imposante Gebäude, das unter Mussolini gebaut wurde.
Kaum eine andere neofaschistische Bewegung in Europa kann eine solch
erstklassige Unterbringung vorweisen.
## Nähe zur neofaschistischen Subkultur
Damit das auch so bleibt, hat sich Gianni Alemanno, seit 2008 Bürgermeister
von Rom, selbst der Sache angenommen. Seine Stadtverwaltung, die die Gelder
für öffentliche Sozialeinrichtungen drastisch zusammenstreicht, hat 11,8
Millionen Euro investiert, um das offiziell „besetzte“ Gebäude zu kaufen.
So sitzen die jungen Kameraden des ersten Bürgers der Stadt erst mal im
sicheren Nest.
Alemanno war früher selbst mit rechtsextremen Trupps unterwegs, später ging
seine Partei Alleanza Nazionale mit Berlusconi zusammen. Sein Sohn macht
mit beim schwarzen Studentenblock, zu dem auch Davide gehört. Da jetzt aber
wieder Bürgermeisterwahlen anstehen, sollte die Nähe der lokalen
Institutionen zur neofaschistischen Subkultur nicht allzu offensichtlich
sein. Deshalb stellt die Bewegung, die durch Politzentralen und Sportzirkel
in ganz Italien vernetzt ist, einen eigenen Kandidaten auf.
Die Häuserfassaden um die Casa Pound, in der Via Napoleone III, sind schon
mit düsteren Wahlplakaten verkleistert. Dazwischen verkaufen Pakistaner und
Chinesen in kleinen Kellerläden Schmuck und Klamotten. Die Straßen um die –
nahe dem Bahnhof Stazione Termini gelegene – Piazza Vittorio Emanuele II
sind das Multikultiviertel Roms. In den letzten zehn Jahren haben die
Chinesen viele Afrikaner und Araber verdrängt.
Doch noch immer ist das Straßenbild bunter, sind die Düfte exotischer und
die Lebensgeschichten dramatischer als anderswo in der Stadt. Deshalb
wohnen an der Piazza jetzt auch viele Schriftsteller, Theaterleute und
Filmemacher. Einer der bekanntesten ist der Regisseur Paolo Sorrentino, der
mit dem Film „Il Divo“ internationalen Ruhm erlangt hat.
## Kein Mitleid mit architektonischen Highlights
Die Nähe zur Casa Pound empfinden die meisten als unbehaglich. „Es
verändert die Atmosphäre“, sagt die Exberlinerin Maria Morhardt, die nach
20 Jahren wieder in das Viertel zurückgekehrt ist. Sie arbeitet seit 30
Jahren als Kulturmanagerin in Rom und war eine der Initiatorinnen des
internationalen Theaterfestivals Roma Europa. Die Situation der römischen
Theater schätzt sie heute dramatisch ein. „Früher gab es Raum für modernes
Theater. Unter Alemanno sind wir auf dem Niveau von Karaoke und Gladiatoren
angelangt“, so Morhardt.
Ähnlich ambitiöse Vorstellungen haben Alemanno und sein fast ausschließlich
männlicher Verwaltungstrupp auch von der Stadtarchitektur. Davon kann man
sich im Viertel San Giovanni, das man zu Fuß über die Via Emanuele
Filiberto oder mit der Metro A schnell erreicht, vor Ort ein Bild machen.
Der Weg führt über die Piazza San Giovanni – benannt nach der
Lateran-Basilika, die seit je die südliche Grenze Roms markiert – und
weiter durch die Bögen der Aurelianischen Stadtmauern.
Hinter dem Piazzale Appio biegt rechts die Via Magna Grecia ab. Nach ein
paar hundert Metern steht rechter Hand einer Markthalle. Sie ist eines der
wenigen Beispiele für den Funktionalismus der 50er Jahre, gebaut zur Zeit
des Wirtschaftsbooms für die Bedürfnisse einer modernen Stadt.
Der Mercato Metronio des Architekten Riccardo Morandi verbindet einen
überdachten Markt mit einem kleinen, spiralförmigen Parkhaus. Die
Urbanistenzeitschrift Docomomo spricht von einem „wichtigen Werk der
Architektur des 20. Jahrhunderts“. Den Tagesmarkt, auf dem Händler aus der
Region Obst, Gemüse, Fleisch, Lebensmittel, Blumen und Haushaltswaren
verkaufen, nutzen vor allem die Anwohner. Die Verwaltung Alemanno will dies
alles abreißen lassen und hier ein Megaparkhaus bauen.
Den Auftrag hat sie an einen privaten Bau- und Immobilienkonzern vergeben.
„Das ist ein reines Spekulationsgeschäft“, erklärt Manlio Lilli. Er ist
Archäologe, Anwohner und Aktivist bei der Unterschriftensammlung für den
Erhalt des Marktes, bei der auch die Markthändler und anliegende Geschäfte
mitgemacht haben. Dabei sind knapp 6.000 Unterschriften zusammengekommen.
Jetzt liegt das Projekt auf Eis. „Der Plan ist nicht vom Tisch, aber die
Verantwortlichen haben sich gewundert, wie viele Proteste es wegen so eines
’alten‘ Markts gibt, und mit Blick auf die Wahlen verhalten sie sich erst
mal ruhig“, sagt Lilli.
## Spielhöllen im bürgerlichen Viertel
Doch der Markt ist nicht der einzige Brennpunkt im Viertel. In der Via
Magna Grecia und deren Umgebung gibt es inzwischen mehrere Geschäfte, die
Gold und Schmuck ankaufen. Nach einem Bericht der römischen
Anti-Mafia-Staatsanwälte sind dies typische Geldwaschanlagen des
organisierten Verbrechens, das in den vergangenen Jahren in die römische
Wirtschaftsstruktur eingedrungen ist. Viele kleine Läden schließen und
werden durch Geschäfte ersetzt, die alle gleich eingerichtet sind und –
meist mit pakistanischem Personal – Gemüse oder Fisch aus der südlichen
Küstenregion um Terracina verkaufen, wo die Camorra inzwischen die Oberhand
gewonnen hat.
„Das alles ist sehr beunruhigend, auch die ständig steigende Zahl von
Spielhöllen in einem bürgerlichen Wohnviertel wie diesem“, sagt Susi
Fantino. Sie ist eine der 20 sogenannten Minibürgermeister, die das
Territorium der Stadt in den municipi dezentralisiert verwalten sollen. In
ihrem Bereich Appio Tuscolano liegt San Giovanni, aber auch ein Teil der
Einkaufsstraße Via Appia Nuova und eine Ecke des größten Parks der Stadt,
der Caffarella.
Der rechte Bürgermeister hat sie und alle anderen Stadtviertelräte des
Linksbündnisses, soweit er kann, von wichtigen Entscheidungen
ausgeschlossen. Gelder für Sozialprojekte gibt es sowieso kaum mehr. Aber
immerhin konnten Fantino und ihr Team mit Zuschüssen aus der Provinz in
ihrem dicht besiedelten Stadtviertel ein Stück Grün retten: die Villa
Lazzaroni. Der kleine Park liegt an der Via Appia, nahe der
Metro-Haltestelle Furio Camillo. Im Frühjahr blühen hier seltene Baumarten,
auch ein 130 Jahre alter Mandelbaum. Und es gibt einen der wenigen
Kinderspielplätze abseits von Smog und Verkehrslärm.
Zur letzten Etappe auf dem Streifzug durch den Süden Roms steigt man am
besten wieder hinab in den Untergrund zur Metrolinie A. Auf der Via Appia
herrscht Verkehrschaos. Und auf die Busse kann man sich kaum verlassen, vor
allem seit der Bürgermeister Hunderte von Stellen in der
Verkehrsgesellschaft Atac mit Verwandten und Bekannten besetzt hat. Der
sogenannte Parentopoli-Skandal beherrschte monatelang die Lokalblätter.
Das Ziel der Fahrt ist Cinecittà: die berühmte Filmstadt, die einst das
„Hollywood am Tiber“ genannt wurde. In den Studios hier hat Liz Taylor
„Cleopatra“ gespielt. Hier wurden Federico Fellinis „Dolce Vita“ und al…
seine Filme, Pier Paolo Pasolinis „Medea“ und Hunderte von Kinofilmen
gedreht. Das riesige Studio 5 gehört zu den größten der Welt und wurde 2002
von Martin Scorsese für „Gangs of New York“ gemietet. Jetzt hängt neben d…
Eingang zu der Filmstadt eine leicht angegammelte Spruchfahne. „Cinecittà
besetzt“, steht darauf.
## Cinecittà ohne Zukunft
Unter ein paar Zeltplanen stehen Stühle, Kochplatten und Kaffeekannen. Hier
haben Bauarbeiter, Techniker, Bühnenbildner und Angestellte monatelang
protestiert und gestreikt. Der Grund: In der privatisierten Filmstadt
sollen ein Hotel, ein Fitnessstudio und ein Parkplatz gebaut werden. „Das
ist das Ende der Kinoproduktion, das Ende der Traumfabrik“, sagt eine der
Frauen am Tickettresen. Sie hat mitgestreikt und knipst jetzt
Eintrittskarten für die Besuchertour ab. Auf den Bürgermeister sind sie und
ihre Kollegen nicht gut zu sprechen. „Die Zukunft von Cinecittà
interessiert ihn nicht“, behauptet sie. Und damit hat sie wahrscheinlich
recht.
Der Bürgermeister hatte einen ganzen anderen Traum für den Süden der Stadt.
Er wollte das Formel-1-Rennen nach Rom holen. Die schnellsten Rennwagen der
Welt sollten durch das von Mussolini erbaute Viertel EUR röhren. Doch auch
dieser Traum ist geplatzt. Gott sei Dank, sagen die Römer. Die meisten
zumindest.
23 Feb 2013
## AUTOREN
Michaela Namuth
## TAGS
Roma
Reiseland Italien
Müll
Rom
Razzia
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