| # taz.de -- Die Wahrheit: Killerzwerge in der Plattenbörse | |
| > Sonntagmorgen in der Stadthalle. Hunderte Sammler suchen nach alten | |
| > Metal-Platten. Und Schwager Hotte steckt mittendrin. | |
| Sonntagmorgen kurz vor elf. Eine Hundertschaft schlecht gelaunter, | |
| ungewaschener, nikotinsüchtiger Triefaugen war vor die Stadthalle | |
| gepilgert. Volle Nerdpower! Eben hatten sie noch bis zum Zapfenstreich an | |
| verquanzten Szenetresen gelehnt und sich über Remasters, 180-Gramm-Vinyls | |
| und Mint-Qualitäten ausgetauscht, jetzt standen sie bereits wieder ihren | |
| Mann an der kalten, zugigen Plattenbörsen-Front. | |
| Mein Schwager Hotte ist teilnehmender Beobachter dieses Stammes, hatte sich | |
| aber unlängst im Schlaf einen Meniskusabriss zugezogen – keine Ahnung, was | |
| er so nachts träumt! Seitdem humpelt er auf Krücken einher. Für heute | |
| Morgen hatte er mich als Fahrer und Träger verpflichtet, falls es | |
| Seven-Inches dutzendweise wegzuschaffen galt. „Die Gier hat mich in ihren | |
| widerlichen Fängen“, lamentierte er auf der Hinfahrt. | |
| Jetzt begrüßte er erst mal ein paar Sammlerfreunde. Wenn es das gibt! In | |
| diesen Kreisen herrscht ja das alte protestantische Prinzip „Jeder gegen | |
| jeden“. Ich verschaffte mir derweil einen Überblick. Halbwegs ausgeschlafen | |
| oder zumindest repräsentabel sahen hier wirklich nur die Damen aus. Ich | |
| zählte drei. Eine war eine vitale, weltgewandte Mittvierzigerin mit | |
| Nietenarmband und Tribal im Dekolletébereich. Sie fiel mir später noch ein | |
| paar Mal auf, ja, durchaus unangenehm, weil sie immer schon vor mir an den | |
| Hard-’n’-Heavy-Fächern stand und sich längst die zwei, drei Schnäppchen | |
| gesichert hatte, die man bei solchen Anlässen höchstens machen kann. | |
| Hotte atmete jetzt tief durch. Ihm wurde plötzlich russisch zumute. | |
| „Ehrlich, Frank, das bedeutet mir sehr viel, dass ich heute hier sein | |
| darf.“ Aber als wir den Eingang passiert hatten, war keine Zeit mehr für | |
| Sentimentalitäten. Mit ausladenden Armbewegungen zog er auf seinen | |
| Gehhilfen davon, als hätte er ein Leben lang geübt, und stürzte sich in die | |
| Materialschlacht. Wir sprachen uns erst zwei Stunden später wieder, als er | |
| mich telefonisch zu sich bestellte. „Du musst mir mit 50 Schleifen | |
| aushelfen!“ | |
| Gerade eben hatte mich ein weiteres Mal die Nietenfrau geärgert. Ich war | |
| auf die Killer Dwarfs gestoßen. Nichts Besonderes, keine Frage. Ihr drittes | |
| Album „Big Deal“ stand zu Hause herum, so gut wie ungehört, sozusagen mint, | |
| aber ihr Debüt enthielt den Titel „Heavy Metal Breakdown“, und ich liebe | |
| nun einmal Songs mit dem Titel „Heavy Metal Breakdown“. Also haderte ich | |
| mit mir, drehte und wendete die Sache und stellte mir die älteste Frage des | |
| Gewerbes: War es das wert? | |
| Als unsere Blicke sich trafen, grinste sie abschätzig. „Nee, nä?!“ – �… | |
| denn?“, brachte ich zu meiner Verteidigung vor. „Da ist ’Heavy Metal | |
| Breakdown‘ drauf!“ – „Du hast gar keine Ahnung, oder?“ Sie hatte verm… | |
| recht. Ich stellte die Platte wieder zurück, ging rüber zu Hotte, lieh ihm | |
| den Schein und ließ mir seine drei Tragetaschen aushändigen. | |
| Auf dem Parkplatz schritt ich die Autoschlange ab. In einem schwarzen Golf | |
| mit Opeth-Aufkleber saß sie. Neugierig schaute ich auf ihre Rückbank. Ein | |
| ansehnlicher Stapel LPs. Obenauf das Debüt von Killer Dwarfs. | |
| 25 Feb 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Frank Schäfer | |
| ## TAGS | |
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| Metal | |
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