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# taz.de -- Fußball & Gender in Berlin: „Sie sagten: Frauenfußball ist kein…
> Blöde Sprüche, Vorurteile, schlechte Bezahlung: Jennifer Zietz, Kapitänin
> von Turbine Potsdam, erzählt, wie es war, Profifußballerin zu werden.
Bild: Ist Frauenfußball noch Feminismus? Das Turbine-Team nach dem Sieg beim D…
Kurz vor der Wende habe ich angefangen zu spielen, da war ich sechs. Zu
Schulzeiten in Rostock war ich mehr mit den Jungs unterwegs, da stand für
uns der Fußball an erster Stelle. Nach dem Unterricht haben wir immer
gespielt. Die Jungs haben schon häufiger Sprüche abgelassen nach dem Motto:
„Was willst du denn hier auf dem Platz?“
Beim Fußballspielen wurdest du als Mädchen sowieso erst mal als Letzte
gewählt. Wenn die aber gesehen haben, du kannst ’n bisschen was, dann bist
du in die Gruppe gerutscht und wurdest anerkannt. Später im Verein, beim
BSG Rostock, haben wir als reine Mädchenmannschaft auch manchmal gegen die
Jungs gespielt. Die ersten Spiele gingen gar nicht: Die Jungs waren richtig
sauer, wenn sie verloren hatten. Wenn man damals mit der D-Jugend, also
etwa mit elf, in die Dörfer fuhr, hieß es schon noch, wir seien Mannsweiber
oder so.
Von den anderen Mädchen kamen keine blöden Sprüche, obwohl ich damals die
Einzige war, die mit den Jungs Fußball gespielt hat. Vereinzelt kam die
eine oder andere mit. Aber das war vielleicht auch, weil die auf irgend’nen
Typen stand. Viele haben sich auch nicht getraut, mitzukommen.
Mit 16 bin ich dann auf das Fußballinternat nach Potsdam gegangen. Heute
würde einem bei einem solchen Schritt wahrscheinlich auf die Schulter
geklopft – damals haben die Leute eher gefragt: „Was willst du denn auf der
Sportschule?“
Wenn man erzählt, dass man Fußball spielt, hat man überall sofort ein
Gesprächsthema. Ich glaube, dass es gut ist, wenn die Frauen in diesen
männerdominierten Bereich eindringen. Jede und jeder kennt den Sport, alle
haben einen Lieblingsspieler, einen Lieblingsverein. Nach der Frauen-WM
2011 in Deutschland ist der Respekt größer geworden.
Was die Vorbilder betrifft, ist da immer noch eine Nähe zum Männerfußball.
Unsere Nachwuchsspielerinnen sagen eher, dass sie Ronaldo oder Messi toll
finden. „Guck mal, ich hab den Schuh von Cristiano Ronaldo“, heißt es dann.
Und nicht: „Ich hab den von Lira Bajramaj.“ Dazu sind wir immer noch nicht
genug in der Öffentlichkeit, etwa in Sportzeitschriften oder so. Oder
Sammelhefte: So eins hatten wir zur Frauen-WM und das war’s. Ich fand auch
den Männerfußball lange besser. Ich kannte Turbine Potsdam gar nicht, bevor
ich hier angefangen habe.
Mein Idol war Mehmet Scholl. Der hing zumindest über meinem Bett. Als ich
das erste Mal zur Nationalmannschaft kam und dort auf Doris Fitschen und
Steffi Jones traf, habe ich schon große Augen gemacht.
Die Leute haben früher oft zu mir gesagt: „Frauenfußball ist kein Fußball.…
Ich sag dann immer: „Kommt ins Stadion, kommt gucken.“ In meinem Umfeld hat
sich viel getan, seit wir mit Turbine 2010 die Champions League gewannen.
Da haben viele gesagt, wie spannend das war. Das freut einen, wenn man mit
seiner Leistung viele dazu animiert hat, den Frauenfußball für sich zu
entdecken. Ich habe durch Fußball viel gelernt – Ehrgeiz,
Durchsetzungsvermögen und Disziplin. Das kann für junge Frauen sehr wichtig
sein.
Dass man zur Vermarktung des Frauenfußballs dann auch mal mit dem
Sexy-Image spielt, finde ich legitim. Lira Bajramaj ist doch prädestiniert
dafür – der liegt es, vor der Kamera zu posieren. Es ist doch klar, dass
man Menschen nimmt, die die Sache gut präsentieren können. Beim
Männerfußball ist es doch mittlerweile auch so, dass die gut Aussehenden
sexy in Szene gesetzt werden. Das spiegelt einfach Tendenzen in der
Gesellschaft wider.
Ein Mädchen hat es heute immer noch schwerer als ein Junge im Fußball. Wir
sollten uns ohnehin nicht mit dem zufriedengeben, was wir erreicht haben.
Im Gegenteil: Wenn man sieht, dass in Hamburg wieder Frauenfußballteams
zurückgezogen werden oder – wie jetzt in Duisburg – erfolgreiche Vereine
Insolvenz anmelden, sollten wir achtsam sein. Bei den Frauen wird das gerne
als Unprofessionalität hingestellt. In solchen Fällen ist auch der Verband
gefragt.
## Siege ohne Prämie
Meine Knochen mache ich natürlich für weit weniger Gehalt kaputt als die
Männer. Ich habe ein unruhiges Leben, kann mich nicht einfach nur auf den
Sport konzentrieren. Ich studiere Sportwissenschaften und trainiere viel,
beziehungsweise zuletzt war ich in der Reha. Ich habe ständig ’nen straffen
Zeitplan. Morgens um acht gehe ich aus dem Haus, trainiere zwei bis drei
Stunden, fahre dann zur Uni, bin meistens nochmal bei der Mannschaft und
habe dann wieder Vorlesungen. Das würden die wenigsten männlichen
Profisportler auf sich nehmen. Ein anderes Beispiel: Wir haben 2010 die
Champions League gewonnen und gar nichts dafür bekommen. Das sollte man
schon mal angleichen. Während der Karriere kann man als Profifußballerin
schon ganz okay leben, aber mehr auch nicht. In Potsdam haben wir
allerdings wirklich sehr gute Strukturen, auch in der Nachwuchsarbeit. Aber
wir haben uns das auch erarbeitet.
Sport allgemein – nicht nur Fußball – kann meines Erachtens für uns Frauen
dazu beitragen, dass wir uns auch in anderen Gesellschaftsbereichen
durchsetzen.
Frauenfußball ist noch sehr jung. Von daher ist es auch klar, dass wir weit
von den Verhältnissen des Männerfußballs entfernt sind. Am meisten erreicht
man, wenn man gemeinsam mit den Männern für einen starken Frauenfußball
kämpft. Die Liebe zum Sport verbindet uns ja alle.
Dies ist ein Text aus dem Themenschwerpunkt der
taz.berlin-Wochenendausgabe. Darin außerdem zum Thema: Eine Reportage über
Frauenfußball-Nachwuchsförderung bei Union und Türkiyemspor und ein
Interview mit den MacherInnen von Discover Football. In Ihrem Briefkasten
und am Kiosk.
2 Mar 2013
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Fußball
Fußball-Bundesliga
Zypern
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