# taz.de -- Kommentar East Side Gallery: Geschichte à la Disneyland | |
> Die Berliner Mauer war ein barbarisches Werk. Der Umgang mit den Resten | |
> dieses Bauwerks zeugt von einem Geschichtsverständnis, das barbarisch | |
> ist. | |
Bild: Verwursteter Umgang mit den Resten der Berliner Mauer: Die East Side Gall… | |
In Berlin reißen sie die Mauer ab. 1980 wäre diese Nachricht großartig | |
gewesen. 1990, als weite Teile des Bauwerks tatsächlich umstandslos | |
verschwanden, war das zumindest verständlich. Man wollte das Symbol der | |
Teilung Deutschlands und Berlins, diese hässliche Wunde im Stadtbild, | |
möglichst rasch loswerden. | |
Aber heute, fast 24 Jahre nach dem Mauerfall, ist die Zerstörung | |
beziehungsweise Verlegung von Reststücken dieses ekelhaften Bauwerks ein | |
Stück aus dem Tollhaus. Typisch Berlin eben: Wenn die Stadt schon keinen | |
Flughafen errichten kann, dann gelingt ihr doch wenigstens die Zerstörung | |
der eigenen Geschichte. | |
Denn die Reste der Berliner Mauer sind ein wichtiges, ja unverzichtbares | |
Stück Zeitgeschichte. Es handelt sich um ein historisches Artefakt, | |
durchaus vergleichbar mit Bauwerken wie der Berliner Siegessäule, wenn auch | |
weniger repräsentativ. Geschichte besteht nicht nur aus vergilbten Akten | |
und brüchigem Pergament, das man im Museum hinter Glas bestaunen darf. | |
Geschichte besteht für das kollektive Gedächtnis vor allem aus Stein. | |
Das gilt gerade für die Mauer, die wie kaum ein anderes Bauwerk erfahrbar | |
macht, was die Teilung Deutschland praktisch ausmachte. Diese Steine | |
einfach an einen anderen, historisch falschen Ort umzusetzen zeugt von | |
einer kaum zu überbietenden Ignoranz. Das ist Geschichte à la Disneyland, | |
mit Klaus Wowereit als Donald Duck. Was nicht mehr in den Bebauungsplan | |
passt, wird passend gemacht. Man kann von Glück reden, dass das Bonner | |
Bundeshaus und die Dresdner Frauenkirche nicht in Berlin stehen, sonst | |
hätte man diese wohl auch schon entsorgt. | |
Verräterisch ist in diesem Zusammenhang, welche Berliner Institution sich | |
überhaupt für den Erhalt der Mauer starkmacht: Es ist einzig die | |
Tourismusbehörde, die sich um die Anziehungskraft der East Side Gallery | |
sorgt. Nur als Instrument der Vermarktung ist dieses Stück Geschichte von | |
Interesse. Vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit ist dagegen kein | |
einziges Wort des Protests oder auch nur des Bedauerns bekannt. | |
Die Berliner Mauer war ein barbarisches Bauwerk, von der DDR errichtet, um | |
Menschen einzusperren, von der Welt akzeptiert, damit aus dem Kalten kein | |
heißer Krieg würde. Der Umgang mit den Resten dieses Bauwerks zeugt von | |
einem Geschichtsverständnis, das man auch nur barbarisch nennen kann. | |
1 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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