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# taz.de -- Kolumne Bridge & Tunnel: Die Cops lieben es hier
> Hipstamatic könnte hier erfunden worden sein: Nach Greenpoint und
> Williamsburg soll Bushwick nun der hippste Ort in New York sein.
Was ist eigentlich mit diesem Bushwick? Alle in New York reden nur noch
über Bushwick. So wie zuvor über Greenpoint und Williamsburg. Und davor
vermutlich, aber das ist lange her, auch einmal über die Villages in
Manhattan. Heute kann Manhattan froh sein, dass es überhaupt noch eine
Kunstmesse hat – diese Woche findet die angeschlagene Armory Show statt.
Das eigentliche Künstler- und Galerienviertel soll jetzt aber eben Bushwick
sein, das so weit hinten in Brooklyn liegt, dass man sich fragen muss, ob
die U-Bahn-Fahrt dahin überhaupt lohnt. Die dauert (ohne Empfang und
Internet!) so lang, dass die Künstler vielleicht weggentrifiziert sind, bis
man ankommt – so schnell, wie das hier geht.
Dann bleiben nur die typischen blauen Bauwände, hinter denen die
Glas-Stahl-Condos wachsen und die darauf gesprayten bitteren Sprüche wie
„Artists used to live here“. Aber noch ist die Laune ausgezeichnet und wer
in Bushwick eine vergleichsweise günstige Wohnung ergattert, gibt sich den
Williamsburger Hipstern gegenüber gern mitleidig, die nun Yupster heißen
und fast denselben Stress haben wie die in Manhattan: Geld ranschaffen für
Miete, keine Zeit Kunst. Jedenfalls für keine, die nicht teuer verkauft
wird.
Wenn man Morgan Avenue aussteigt, landet man gleich in der Bogart Street,
deren Schild jemand so umgeknickt hat, dass, haha, nur „art“ zu lesen ist.
Hier ist 56 Bogart, ein Fabrikgebäude, in dem inzwischen neun Galerien ihre
Räume haben. Der Rest ist an Künstler vermietet. Die Ausstellungen verraten
schnell, ob man es mit Künstlern zu tun hat, die sich selbst ausstellen,
oder mit Profis, die ihre Posten als Galeriemäuse in Manhattan verlassen
haben, um endlich kuratieren zu dürfen.
## Männer mit Bärten und speckigen Jacken
Um die Ecke ist Roberta’s, quasi die Kantine. Hier sieht es immer noch oder
schon wieder so aus wie vor 100 Jahren, die Foto-App Hipstamatic könnte
hier erfunden worden sein. Männer mit Bärten und speckigen Jacken sitzen
auf selbstgezimmerten Bänken an langen ungeschlachten Tischen, vor sich
Pizza aus dem selbstgemauerten Steinofen, neben sich das iPhone, auf dem
Blogeinträge getippt werden. Es gibt unzählige Blogs, die sich mit dem
Leben in Bushwick beschäftigen und es interessanter aussehen lassen, als es
ist.
Was früher war, klingt jedenfalls viel wilder als die Gegenwart. Mae West
wurde in Bushwick geboren. In den 20er, 30er Jahren gab es hier die
Theater, an denen sie ihre ersten Erfolge feierte. Bushwick war und blieb
aber eines der ärmsten Viertel New Yorks. Als am 13. Juli 1977 der Strom
ausfiel, entluden sich Wut und Verzweiflung; es wurde randaliert,
geplündert und am Ende brannte es. Bis in die 90er Jahre hieß es über
Bushwick: Arbeitslosigkeit, Drogen, Gewalt.
2005 wurde das neue „zoning law“ verabschiedet, Brooklyn neu aufgeteilt,
Baubestimmungen geändert. Was in Williamsburg vielleicht zu weit ging,
rettete Bushwick. Bisher. Die Galerie Luhring Augustine aus Chelsea
eröffnete 2012 einen Ableger, der komplett nach Chelsea aussieht. Mehrere
Gemälde von Albert Oehlen stehen zum Transport bereit, ausgestellt wurden
sie allerdings nicht hier. Vielleicht befeuert eine Bluechipgalerie aber
auch die DIY, also Do-it-yourself-Galerien – so etwas wie Luhring Augustine
hier tun, hat es in Williamsburg nie gegeben.
Auch eine so harmlose Meldung wie vor ein paar Tagen hätte es vor lauter
Mord und Totschlag früher nicht in die Zeitung geschafft: Ein Mann bestellt
ein Sandwich bei Subway und fordert dann „mehr“. Mit Hilfe eines
Teppichmessers. Der Subwayangestellte vertreibt ihn. Rafael Fuchs, der vor
einem halben Jahr eine Galerie in Jenny Holzers ehemaligem Studio im 56
Bogart aufgemacht hat, sagt: Die Cops lieben es hier! Nichts zu tun, ab und
zu beschweren sich puerto-ricanische Mütter über Nacktbilder. Aber das ist
ja Kunst.
Und sonst? Der Kaffee kann was, die Mädchen sehen gut aus, die Sandwiches
schmecken. Aber nicht die von Subway – die von Roberta’s! Selbstgebackenes
Brot, Grünkohlblätter aus eigenem Anbau: Das weiß auch die Polizei zu
schätzen.
8 Mar 2013
## AUTOREN
Ophelia Abeler
## TAGS
taz.gazete
Brooklyn
New York
Hipster
New York
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